Sperrzeiten in Heidelberg

Gemeinderat geht auf Konfrontationskurs (Update)

Das Verwaltungsgericht hatte Anwohnern Recht gegeben und die Sperrzeiten verlängert - Ab kommender Woche sollen 1 und 4 Uhr gelten

17.10.2019 UPDATE: 18.10.2019 09:07 Uhr 3 Minuten, 10 Sekunden
Am Nachmittag gab es vor der entscheidenden Sitzung des Gemeinderates zwei Demos für längere Öffnungszeiten der Kneipen. ​Foto: Rothe

Von Holger Buchwald

Heidelberg. Im Sperrzeit-Streit hat die Stadtverwaltung mit ihrem Kompromissvorschlag Schiffbruch erlitten. Oberbürgermeister Eckart Würzner hatte dem Gemeinderat empfohlen, dass die Kneipen in der Kernaltstadt am Wochenende nur noch bis 3 Uhr und werktags bis 1 Uhr öffnen dürfen. Dafür fand er aber keine Mehrheit. Mit 22 zu 20 stimmten die Stadträte im Gegenzug für einen Antrag von CDU und FDP: Bereits ab nächsten Mittwoch, wenn die neue Satzung im Stadtblatt veröffentlicht wird, dürfen die Kneipen am Wochenende weiterhin bis 4 Uhr öffnen, an allen Werktagen ist aber um 1 Uhr Schluss.

Damit ist nur der "studentische Donnerstag" vom Tisch. Weil viele Studierende gerne in der Nacht zum Freitag feiern gehen, durften die Kneipen bisher in dieser Nacht bis um 3 Uhr geöffnet bleiben. Davon abgesehen bleibt bei den Sperrzeiten alles beim Alten.

Dabei hatte das Verwaltungsgericht Karlsruhe die bestehende Satzung nach einer Normänderungsklage von Anwohnern scharf kritisiert. Aus Gesundheitsgründen und um den Altstädtern wenigstens eine Nachtruhe von sechs Stunden zu ermöglichen, so das Urteil vom Juli, müssten die Gaststätten werktags um Mitternacht und am Wochenende um 2.30 Uhr schließen. Der Gemeinderat, so die Richter, habe in dieser Frage keinen Spielraum.

Dass solch eine restriktive Regelung in der Studenten- und Universitätsstadt Heidelberg indiskutabel sei, darin war sich eine breite Mehrheit der Stadträte einig. Bei nur vier Gegenstimmen von "Bunte Linke" und Grün-Alternativer-Liste beschlossen sie daher, gegen das Urteil Berufung einzulegen. Erst danach stimmten sie über die neue Sperrzeitsatzung ab.

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Am Ende ließ sich die knappe Mehrheit der Stadträte vor allem von den beiden FDP-Stadträten Karl Breer und Michael Eckert überzeugen. Als sich Sahra Mirow (Linke) bereits mit dem Vorschlag der Verwaltung abfinden wollte, obwohl sie "prinzipiell Sperrstunden als ein Relikt aus einer alten Zeit" ablehne, schwenkte sie wie einige andere nach den FDP-Wortmeldungen und einer Sitzungsunterbrechung um: "Wenn Ihr sagt, es gibt diese Option, sind wir dabei."

"Wenn die jüngste Stadt Deutschlands eine der restriktivsten Sperrzeiten hätte, fände ich das ein Armutszeugnis", sagte Breer. Eine Sperrstunde von 3 Uhr am Wochenende sei einer Studentenstadt unwürdig. Michael Eckert, der auch Vorsitzender des Heidelberger Anwaltsvereins ist, hält das Urteil des Verwaltungsgerichts für anfechtbar. Dass das Verwaltungsgericht den Ermessensspielraum des Gemeinderates auf Null reduzieren wolle, sei ein Eingriff in die Gewaltenteilung. "Das ist eine ganz seltene Ausnahme, die das Grundgesetz eigentlich nicht vorsieht."

Anstatt bei der Reduzierung des Lärms nur auf die Sperrzeiten zu setzen, schlug CDU-Stadtrat Matthias Kutsch vor, die bereits vom Gemeinderat vor einem Jahr beschlossenen begleitenden Maßnahmen endlich umzusetzen. Als neuen Punkt schlägt er eine "Awareness-Kampagne" für rücksichtsvolles Verhalten im Heidelberger Nachtleben vor. Eine Projektgruppe aus Vertretern von Polizei, Ordnungsdienst, Heidelberg-Marketing und den unterschiedlichsten Interessengruppen in der Altstadt solle das Konzept ausarbeiten. CDU-Fraktionschef Jan Gradel stellte zudem den gemeinsamen Antrag mit der FDP, einen Nachtbürgermeister als Schlichter zwischen den Anwohnern, Wirten und Kneipengängern einzusetzen.

Die Warnung von Judith Marggraf (GAL), dass das Urteil des Verwaltungsgerichts eine "Ohrfeige für den alten Gemeinderat" gewesen sei, blieb ungehört. Ähnlich hatte sich zuvor auch Hilde Stolz (Bunte Linke) geäußert: Wenn die Stadt gegen das Urteil in Berufung gehen werde, könnten auch noch viel strengere Sperrzeiten drohen.

Update: 17. Oktober 2019, 21.30 Uhr


Von Holger Buchwald

Heidelberg. Mit einem Kompromiss zu den Kneipenöffnungszeiten legt der Gemeinderat Berufung gegen das Sperrzeiten-Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe ein. Mehrheitlich beschlossen die Stadträte am Donnerstagabend eine Satzung, wonach die gastronomischen Betriebe in der Kernaltstadt werktags um 1 Uhr und in den Nächten auf Samstag und Sonntag um 4 Uhr schließen müssen. Die Regelung soll bereits in der kommenden Woche mit Erscheinen des Amtsblattes gelten.

Zugleich wurden begleitende Maßnahmen beschlossen. So soll geprüft werden, ob Heidelberg (wie Mannheim) einen Nachtbürgermeister bekommt. Auch soll es eine "Awareness"-Kampagne geben. Dabei sollen Nachtschwärmer direkt angesprochen werden, wenn sie sich zu laut verhalten. 

Die Stadtverwaltung hatte vorgeschlagen, auch in Berufung zu gehen. Aber als neue Sperrzeiten für die Kneipen in der Kernaltstadt wurde werktags 1 und am Wochenende 3 Uhr vorgeschlagen. Das sah die Mehrheit des Gemeinderates offenbar nicht als ausreichenden Kompromiss an.

31 Anwohner hatten vor dem Verwaltungsgericht Karlsruhe gegen die bestehende Sperrzeitsatzung geklagt, weil die aktuellen Sperrzeiten von 3 Uhr in der Nacht auf Freitag und 4 Uhr am Wochenende sowie 1 Uhr an den restlichen Werktagen in ihren Augen viel zu liberal seien.

Foto: Buchwald

Der nächtliche Lärm gefährde ihre Gesundheit. Die Richter gaben ihnen Recht und forderten vom Gemeinderat, dass er nun konkrete Uhrzeiten festsetzt: Werktags sollten die Kneipen um Mitternacht und am Wochenende um 2.30 Uhr schließen. Es gebe keinen Ermessensspielraum mehr.

Gegen dieses Urteil richtet sich nun die Berufung, die auch Oberbürgermeister Eckart Würzner empfohlen hatte. Nach Einschätzung des Rechtsamts sind die juristischen Hürden für eine Normänderungsklage sehr hoch. Daher könnte es sein, dass die Klage vor dem Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg nicht standhalte. Dann müsse man aber auch den Anwohnern entgegenkommen, was man mit den Sperrzeiten von 1 und 3 Uhr tue. Andernfalls habe die Berufung keine Chance. Jetzt wird man sehen, wie die Richter auf die Variante 1 und 4 Uhr regaieren werden. Wann der Verwaltungsgerichtshof entscheiden wird, ist noch unklar.

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