Nachtschwärmer in der Unteren Straße in der Heidelberger Altstadt. Archiv-Foto: Philipp Rothe
Heidelberg. (hob) Scharfe Kritik und verhaltene Freude: Die Entscheidung zu den Sperrzeiten in der Altstadt ruft unterschiedliche Reaktionen hervor. Die Stadträte hatten am Donnerstag mit knapper Mehrheit für Kneipenöffnungszeiten bis 1 Uhr werktags und 4 Uhr am Wochenende votiert. Zuvor hatten sie entschieden, gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Berufung einzulegen. Wann die Verhandlung beim Verwaltungsgerichtshof stattfinden wird, ist offen. "Die Berufungsbegründung ging noch nicht bei uns ein", so Gerichtssprecher Matthias Hettich. Es sei möglich, dass bereits im nächsten Jahr erneut über die Sperrzeiten entschieden werde.
> Der Anwalt der Kläger, Werner Finger, reagiert barsch auf den Gemeinderatsbeschluss: "Damit missachten die Stadträte zum zweiten Mal in eklatanter Weise eindeutige gerichtliche Vorgaben." Dies sei ein "unvergleichlicher Vorgang". Der Gemeinderat nehme bewusst in Kauf, dass die Altstadtbewohner gesundheitsgefährdendem Lärm ausgesetzt werden. Dies sei "unerträglich" und auch aus "rechtsstaatlichen Gesichtspunkten beunruhigend". Seine Mandanten seien entschlossen, entschieden zu reagieren. Bereits im Vorfeld der Sitzung hatte Finger damit gedroht, dass die Anwohner ihrerseits gegen das Urteil in Berufung zu gehen, um noch strengere Sperrzeiten zu erwirken. Jetzt zeigt er sich zuversichtlich, dass die "Sperrzeitenfrage bald endgültig im Sinne der Altstadtbewohner geklärt ist".
> Die Bürgerinitiative "Leben in der Altstadt" (Linda) ist laut deren Sprecher Doris Hemler und Martin Kölle "verwundert". Die Mehrheit der Stadträte missachte den vom Gericht konstatierten Grundsatz, dass der durch das Grundgesetz garantierte Schutz auf körperliche Unversehrtheit der Anwohner unbedingt zu beachten sei und Vorrang vor den Interessen der Wirte habe. Nun will Linda in aller Ruhe die Berufung abwarten.
> Melanie von Görtz, Geschäftsführerin des Hotel- und Gaststättenverbandes begrüßt, dass der Gemeinderat in Berufung geht. "Wir teilen das Bekenntnis zur jungen Ausgehstadt Heidelberg." Wegen der liberalen Sperrzeitentscheidung müsse die Stadt jetzt aber alle beschlossenen begleitenden Maßnahmen zur Lärmreduzierung umsetzen. Auch viele Altstädter empfänden die vom Gericht verordneten Kneipenöffnungszeiten als viel zu restriktiv. "Deshalb hoffen wir, dass die Kläger der neuen Sperrzeitregelung eine Chance geben und es gelingt, den gefundenen Kompromiss dauerhaft zu etablieren."
> Altstadtwirt Daniel Wilson ist skeptisch, dass die neue Regelung akzeptiert wird, solange die Verwaltung vor Gericht nicht klar mache, dass die Situation sich seit 2016 verbessert habe - nämlich, dass abends deutlich weniger Gäste unterwegs seien und es seltener Lärmbeschwerden gebe. Er sagt, dass weitere lärmmindernde Maßnahmen schnell umgesetzt werden müssen. "Es muss sich eine Taskforce mit diesem Thema beschäftigen."
Das RNZ-Forum zum Altstadt-Lärm in voller Länge
Kamera: Reinhard Lask, Götz Münstermann / Produktion: Reinhard Lask
Altstadt-Sperrzeiten - wie geht es jetzt weiter?
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