Heidelberg muss sparen. Wie kann die Stadt trotzdem wirksamen Klimaschutz machen? Line Niedeggen von Fridays for Future (r.) und Laura Armbruster vom Debating Club (l.) diskutierten mit (v.l.) Matthias Kutsch (CDU), Ursula Röper (Grüne), Benjamin Brandstetter (FDP), Sahra Mirow (Linke) und Sören Michelsburg (SPD). Foto: Philipp Rothe
Von Denis Schnur
Heidelberg. Am Anfang herrschte überraschend große Einigkeit auf dem Podium: Auf die Frage, ob Heidelberg mehr für den Klimaschutz tun müsse, hielten die Vertreter von CDU, Grünen, FDP, Linke und SPD alle ein Schild mit "Ja" nach oben. Doch wie das aussehen soll, darüber stritten die Politiker am Dienstagabend heftig. Die Klimaschutzbewegung "Fridays for Future" (FFF) hatte sie in die Halle 02 eingeladen, das Publikum schaute per Livestream zu. Eigentlich hätte die Debatte im April im städtischen Theater stattfinden sollen. Wegen Corona hatten sich aber nicht nur Zeit und Ort geändert, auch der Schwerpunkt war dadurch gesetzt: Die Moderatorinnen Line Niedeggen (FFF) und Laura Armbruster (Debating Club) wollten vor allem wissen, wie die Stadt ihre Klimaziele trotz Corona-Krise erreichen kann.
Dass das nicht leicht wird und wohl nicht alle Punkte des 2019 beschlossenen Klimaschutz-Aktionsplanes sofort umgesetzt werden können, war dabei allen klar. "Wir haben das Riesenproblem, dass uns circa 100 Millionen Euro fehlen. Da stehen ganz viele wichtige Projekte auf der Hold-Liste", betonte CDU-Stadtrat Matthias Kutsch. Deswegen müsse man jetzt abwägen, was wann umgesetzt werden kann.
Ähnlich sah das Sören Michelsburg (SPD): "Wir müssen vielleicht die großen Projekte hinten anstellen", sagte dieser mit Blick auf die Rad- und Fußgängerbrücke über den Neckar und die Gneisenaubrücke – die zusammen 35 Millionen Euro kosten. "Natürlich sind die wichtig für den Radverkehr", so Michelsburg. "Aber wir müssen in dieser Situation schauen, welche Maßnahmen schnell umsetzbar sind und viel bringen." Ein wichtiger Ansatz ist für den Stadtrat und SPD-Vorsitzenden die Sanierung der vielen Altbauten. Hier müsse die Stadt Anreize schaffen für Privatbesitzer und die Förderung erhöhen. "Das ist gerade jetzt der richtige Weg", sprang ihm Kutsch bei. "Denn damit stärken wir auch unsere Unternehmen in der Krise."
Ursula Röper, die für die Grünen im Gemeinderat sitzt, will ebenfalls Projekte priorisieren. So könne man von den vier Radschnellwegen, die im Aktionsplan beschlossen wurden, erst einmal nur mit einem anfangen – "weil die Maßnahmen leider super teuer sind." Gleichzeitig müsse man aber innerhalb der Stadt die Radinfrastruktur verbessern: "Wir haben in der Corona-Zeit gesehen: Die Leute fahren gerne Rad, wenn Platz ist." Dazu hätte sie sich gewünscht, dass auch in Heidelberg Autospuren zeitweise zu Radwegen umgewidmet werden. Auf keinen Fall sparen will Röper bei den vier Schnellbuslinien, die Pendler ohne Zwischenstopp aus der Region ins Neuenheimer Feld bringen sollen.
Denn dass die Verkehrswende in Heidelberg nur gelingen kann, wenn weniger Menschen von außerhalb mit dem Auto zur Arbeit kommen, war ebenfalls Konsens. Für Stadträtin Sahra Mirow (Die Linke) ist hier die Wohnungspolitik der Schlüssel: Schließlich pendelten die Menschen nicht freiwillig, sondern könnten sich in der Regel keine Wohnung in Heidelberg leisten: "Deshalb haben wir uns immer stark dafür gemacht, dass es mehr bezahlbaren Wohnraum gibt." Dazu müsse man aber etwa in Patrick-Henry-Village deutlich weniger Arbeits- und dafür mehr Wohnplätze schaffen. "Sonst wird es den Druck nicht mindern." Bei der Umsetzung des Aktionsplans will Mirow keine Abstriche machen: "Corona hat es nicht leichter gemacht – aber die Klimakrise setzt nicht aus." Zur Finanzierung solle der Bund eine Vermögenssteuer erheben.
Benjamin Brandstetter, der 2021 für die FDP in den Landtag möchte, plädiert stattdessen dafür, die noch vorhandenen Mittel möglichst effizient einzusetzen. "Heidelberg hat in den letzten Jahren sehr stark den Geldbeutel aufgemacht und etwa gesagt: Wir geben 10.000 Euro, wenn sich jemand ein Wasserstoff-Auto zulegt." Wer sich aber so ein teures Fahrzeug leisten könne, brauche keine Subventionen. "Dass Heidelberg das macht, halte ich für ziemlich unsozial." Für ihn geht es nun darum, Klimaschutz und wirtschaftliches Wachstum zusammenzubringen: "Sonst habe ich die Befürchtung, dass die Akzeptanz für Klimaschutz-Maßnahmen nachlässt."