Ist das noch "Comedy" oder schon Tourette?
Der "Comedian" Michael Mittermeier gastierte mit seinem neuesten Programm "Wild" in der Stadthalle – Nicht jugendfreie Vokabeln und komödiantische Magerkost

Grau ist er geworden, der Michael Mittermeier. Seine Witze waren aber eher wenig erwachsen. Foto: Rothe
Von Philipp Neumayr
Gut, er ist zwar ein bisschen in die Jahre gekommen, aber eines hat sich nicht geändert: Michael Mittermeier mag es "Wild" - das verrät nicht allein der Titel des aktuellen Programms, mit dem der Komiker aus Oberbayern momentan durch die Republik tourt. Das zeigt auch sein Gebaren, als er am Freitagabend kurz nach 20 Uhr auf die Bühne der bis auf den letzten Platz gefüllten Stadthalle stürmt.
Mittermeier war Ende der 1990er und Anfang des Jahrtausends mal so etwas wie die strahlendste Nachwuchshoffnung am deutschen Humoristen-Firmament. Seine Bühnenshows "Zapped", "Back to Life" und "Paranoid" machten den kleinen Mann aus dem kleinen Dorfe zur Berühmtheit. Mittlerweile ist Mittermeier 51 Jahre alt. Wer heute bei ihm den Glanz vergangener Tage sucht, wird allenfalls in seiner silbrig schimmernden Elvis-Tolle fündig. Denn was Mittermeier sonst so anzubieten hat, ist eher komödiantische Magerkost. Man kann es natürlich zum Schießen komisch finden, wenn der Krawallmacher mit dem chronischen Stimmbruch auf dem kleinen Nachbar rumhackt ("12,6 Prozent Rechte - das wäre für die Österreicher ein Linksruck") oder - Achtung, ganz was Neues - über den Berliner Flughafen und Trumps Frisur witzelt. Muss man aber nicht. Man kann es selbstverständlich für guten Humor halten, wenn Mittermeier sich über adipöse Kinder lustig macht oder auf Türkendeutsch ins Auditorium brüllt. Muss man aber nicht.
Als Komiker in Würde zu altern, daran ist Mittermeier im Spätherbst seiner Bühnenkarriere offenbar nicht gelegen. Vielmehr erhärtet sich folgender Eindruck: Je älter der Mittermeier, desto durchgeknallter die Darbietung. Trotz nunmehr knapp 30 Jahren auf Tour mimt der studierte Politologe und Amerikanist noch immer den nimmermüden Dauerjüngling. Während seines Auftritts lässt das wild gewordene Rumpelstilzchen Mittermeier keinen Winkel der Bühne ungenutzt. Sieht man ihm beim juvenilen Rumhampeln und Über-die-Bühne-Stolpern zu, möchte man nur zu gerne wissen, was genau und in welcher Dosis sich der "Künstler" da vor dem Auftritt eigentlich einschmeißt. Mittermeier wirft mit ordinären F-Wörtern um sich, will anderen "in die Fresse hauen", spottet über "fette Mütter" oder pöbelt im Stile eines Besoffenen herum. Derweil stellt sich dem Außenstehenden nur eine Frage: Ist das jetzt noch "Comedy" oder schon Tourette?
Wer nach pfiffigen Pointen und einer meisterhaften Analyse des aktuellen Weltgeschehens sucht, ist beim bayerischen Sprücheklopfer eindeutig fehl am Platz. Denn in Mittermeiers seichter, bei Weitem nicht jugendfreier Blödelshow dreht sich alles um die abgeleierte Welt der Pokémons, Darth Vaders und Youtube-Stars. Aus dem islamistischen Terroristen wird der "Gefährder-Sepp", "Ossis" und Frauen werden getreu jedem Klischee verhöhnt ("Fürs Gendern bin ich zu alt"), während selfiesüchtige Teenies für Mittermeier vor allem eines sind: "Vollidioten". Zum Stilsichersten, was der Zuschauer bei alledem noch erwarten darf, gehört da fast schon des Komikers Imitation zweier Menschen beim Schäferstündchen.
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Als der mehr als zweistündige Gaga-Auftritt endlich vorbei ist, die Lichter im Saal angehen und der selbsterklärte Spaßvogel noch einmal vor den Vorhang tritt, kehrt Mittermeier dann zumindest für wenige Minuten ein sympathisches Alter Ego heraus. Einen Menschen, der über die Motivation seines Schaffens spricht ("Ich bin der Meinung, dass es wichtig ist, im Leben Spaß zu haben"). Der sich aufrichtig dankbar zeigt angesichts eines Publikums, das ihm am Ende trotz vieler lauer Zoten lautstark zujubelt. Und der verspricht: "Wir sehen uns wieder, hier in Heidelberg!" Manch einer könnte das als Drohung verstehen.