Hepatitis-Viren in allen Variationen und deren Bekämpfung waren das Thema von Prof. Ralf Bartenschlager im Hörsaal der Kopfklinik. Der Leiter der Abteilung für Molekulare Virologie am Zentrum für Infektiologie am Uniklinikum sprach bei „Medizin am Abend“. Foto: Rothe
Von Birgit Sommer
Heidelberg. Die Leber ist ein erstaunliches Organ – das Kraftwerk des Körpers. Sie baut Nährstoffe um, ist Energiespeicher, kontrolliert Blutzucker und Hormonspiegel und entgiftet den Körper von den Inhaltsstoffen von Medikamenten und Alkohol. Da ohne Nervenzellen, spürt man ihre Erkrankungen erst, wenn sie ziemlich fortgeschritten sind. "Ein gesunder Körper schweigt", erinnerte der Virologe Prof. Ralf Bartenschlager bei seinem Vortrag bei "Medizin am Abend" von Universitätsklinikum und RNZ im Hörsaal der Kopfklinik über "Virus-Infektionen der Leber – Die stille Epidemie".
Bartenschlager und sein Forscherteam wurden weltweit bekannt, als sie im Labor die Voraussetzungen dafür schufen, dass ab 2014 Medikamente gegen die Hepatitis C (HCV) zur Verfügung standen. Das Hepatitis-C-Virus wird durch Blut übertragen, die Krankheit wird meistens chronisch und kann ohne Behandlung zu Leberzirrhose und Leberkrebs führen. Eines ihrer Opfer, so Bartenschlager, war Beethoven, dessen Autopsiebericht die Zeichen der Zirrhose deutlich zitierte: abgezehrter Körper und aufgeblähter Leib wegen Gewebsflüssigkeiten im Bauchraum.
Feinde hat die Leber laut Bartenschlager viele: Fehlernährung – in den USA etwa steigt die Zahl der Lebererkrankungen parallel zur Zahl der Übergewichtigen –, Gifte, Alkohol ("Ein Glas Rotwein am Tag sollte die Leber nicht umbringen."), Medikamente und Hepatitis-Viren.
Weltweit nimmt die Zahl der tödlichen Hepatitis-Erkrankungen zu, während die Zahlen bei Tuberkulose, HIV und Malaria sinken. "Eine Viertelmilliarde Menschen weitweit sind an Hepatitis B erkrankt, 70 Millionen an Hepatitis C", rechnete Bartenschlager vor. In der Politik seien diese Zahlen unbekannt, Geldgeber seien nicht interessiert an der Bekämpfung der Krankheit.
Der Virologe erläuterte, wie Viren die Leberzellen infizieren und wie die Infektion chronisch wird, wenn die angeborene Immunantwort des Körpers zum Erliegen kommt. Letztlich drei Viertel aller Lebertumoren stehen in Zusammenhang mit chronischer Virushepatitis.
Ehe 1973 und 1974 die die Hepatitis A- und B-Viren entdeckt wurden, war laut Prof. Bartenschlager jede dritte Bluttransfusion in Deutschland mit Viren belastet. Erst Screenings des Blutes senkten die Infektionsrate der Blutempfänger dann auf fünf Prozent. Das Erbgut des Hepatitis-C-Virus wurde 1989 identifiziert. Als Volker Lohmann im Team von Bartenschlager ein gentechnisch verändertes Genom des Virus schuf, konnte man die Viren in Zellkulturen vermehren – und drei Wirkstoffe gegen Hepatitis C entwickeln. Diese werden acht oder zwölf Wochen lang in verschiedenen Kombinationen verabreicht. Selbst die Zirrhose der Leber kann sich dann einigermaßen regenerieren.
Jetzt, so Bartenschlager, befinde man sich am Beginn einer neuen Ära: Neuinfektionen mit HCV zu verhindern, werde Sache des öffentlichen Gesundheitswesens. Gegen das B-Virus hilft derzeit eine lebenslange Therapie. Ein neuer Wirkstoff namens Myrcludex B, von Prof. Stephan Urban am Deutschen Zentrum für Infektionsforschung am Uniklinikum Heidelberg entwickelt, blockiert den Eintritt von Hepatitis B- und D-Viren in die Leberzelle. Die Zulassung steht bevor. Die Schlacht ist praktisch geschlagen.