Michael Braum bei einer IBA-Veranstaltung im vergangenen Jahr. Für ihn wäre es sinnvoll gewesen, wenn man im Vorfeld des Masterplanprozesses über die Forderung der Wissenschaft nach 800 000 Quadratmetern zusätzlicher Fläche noch einmal diskutiert hätte. Foto: IBA
Von Holger Buchwald
Heidelberg. Zukunftsforscher Andreas Knie, einer der externen Experten im Masterplanprozess, kritisierte das Vorgehen von Stadt, Uni und Land zum Neuenheimer Feld als rückwärtsgewandt, seine Meinung finde in Heidelberg kein Gehör. Nun meldet sich in der Sache auch Michael Braum, Geschäftsführer der Internationalen Bauausstellung (IBA) zu Wort. Im RNZ-Interview erklärt der Stadtplaner und Hochschullehrer, was im Masterplanprozess nicht so gut läuft - und was er mit der IBA in Patrick Henry Village gerne anders machen möchte. Dabei schlägt er etwas moderatere, aber trotzdem noch deutliche Töne an.
Warum sind Sie nur Experte im Masterplanprozess? Das Neuenheimer Feld wäre doch auch ein interessantes IBA-Projekt.
Ich habe dafür gekämpft, dass wir auch das Neuenheimer Feld in die Internationale Bauausstellung aufnehmen dürfen, doch ich konnte mich nicht durchsetzen. Die Stadt befürchtete, dass das Thema kommunalpolitisch zu kontrovers diskutiert wird. Die IBA könnte womöglich "verbrannt" werden.
Der Zukunftsforscher Andreas Knie kritisierte den Masterplanprozess als "rückwärtsgewandt".
Stadt, Land und Universität haben für den Masterplanprozess einen klassischen Ansatz gewählt. Sie haben sich auf vier sehr erfahrene Architekten- und Stadtplanerbüros verständigt, die sich jeweils Experten zu den Themen Freiraum, Energie und Mobilität mit ins Boot genommen haben. Alle haben die gleiche Aufgabe, einen städtebaulichen Rahmenplan zu entwickeln. Ob das am Ende dem komplexen Anspruch der Aufgabenstellung gerecht wird, ist nicht sicher. Warten wir ab.
Was schlagen Sie stattdessen vor?
Nach meiner Erfahrung ist es für solche komplexe Fälle produktiv, Büros mit unterschiedlichen Kernkompetenzen - zum Beispiel Landschaftsentwicklung und Mobilität - gemeinsam und nicht in Konkurrenz arbeiten zu lassen. Am Ende werden die Teilkonzepte zusammen gedacht. Etwa so machen wir es bei der Entwicklung des Patrick Henry Village. Für mich ist unbestritten, dass die Schwächen des Neuenheimer Feldes vor allem bei der Erschließung und der Freiraumgestaltung zu suchen sind.
Prof. Knie stellte auch infrage, dass die Universität wirklich die 800.000 Quadratmeter Bruttogeschossfläche zusätzlich benötigt, die sie im Masterplanprozess fordert.
Die 800.000 Quadratmeter überraschten mich auch. Es wäre nicht von Schaden gewesen, die Grenzen des Wachstums im Vorfeld des Prozesses intensiver zu diskutieren. Erfüllt man die Flächenvorgabe, stoßen die Verkehrs- und Freiraumkonzepte an ihre Grenzen. Der Campus wird extrem verdichtet.
Glauben Sie auch, dass der Verkehr im Neuenheimer Feld automatisch abnehmen wird, weil die Studentenzahl abnimmt und die Digitalisierung voranschreitet?
Da liegt Prof. Knie meines Erachtens falsch. Selbst wenn Uni und Kliniken kein bisschen weiter wachsen würden, wäre das Verkehrsproblem nicht gelöst. Wer mit dem Auto oder mit dem Fahrrad morgens ins Neuenheimer Feld fährt, erlebt das Chaos. Die Verkehrssituation muss heute schon verbessert werden. Für mich ist die vom Büro Ferdinand Heide vorgeschlagene Seilbahn dabei eine interessante Idee. Und ich fürchte, wir brauchen eine Fünfte Neckarquerung - und sei sie für den öffentlichen Nahverkehr.
Was halten Sie davon, auf dem Campus auch Kulturangebote und Wohnungen unterzubringen?
Im Grundsatz ist das gut. Das Neuenheimer Feld ist ein Campus der Nachkriegsmoderne, der unglaublich flexibel ist. Die Nutzungen lassen sich dort aber nicht so leicht verweben, wie wir das bei PHV versuchen können. Es ist ein "Life Science Campus", dort müssen die Wissenschaftler nicht das pralle Stadtleben neben sich haben. Ganz anders ist das in Bergheim und der Altstadt: Sozial- und Geisteswissenschaftler brauchen die Stadt um sich herum, um zu forschen.
Wird der Masterplanprozess scheitern?
Das hoffe ich nicht. Das Innovativste daran ist die Bürgerbeteiligung. Ich wünsche mir, dass diese den Masterplanprozess nicht gefährdet, sondern am Ende vertrauensbildend wirkt. Es scheint mir noch immer, dass sich alle im Kreis drehen. Jeder stellt die Optimierung seines eigenen Systems in den Vordergrund. Die Bürger wollen die Mitbestimmung, die Wissenschaftler die Freiheiten. Bei der Entwicklung von PHV versuchen wir, diesen Zwängen zu entgehen. Stadtentwicklung funktioniert wie ein Mobile: Alle Teile müssen austariert sein, damit das Ergebnis schön und gut wird, da darf keiner der Gewinner sein.
Was genau wollen Sie in PHV anders machen?
Wir wollen dort die Altstadt neu bauen.
Bitte nicht. Dann muss ich bald über Lärm in PHV schreiben.
Ich meine das im übertragenen Sinne, die Lebendigkeit der Altstadt mit ihren unterschiedlichen Gebäuden, öffentlichen Räumen und Milieus. Die Historie und die schöne Lage zwischen Fluss und Königstuhl können wir nicht kopieren. PHV muss anders werden als der monostrukturierte Emmertsgrund und auch anders als die Bahnstadt, die sich nicht alle leisten können. In PHV dürfen die Gebäude unterschiedlich hoch sein, sie müssen unterschiedlich aussehen. Es muss preiswerten Wohnraum geben. Bei den energetischen Verbesserungen dürfen wir nicht im Passivhausstandard verharren. Am Ende müssen wir auch Dinge offenlassen.