Massives Geschäftssterben befürchtet

Würzner reagiert auf Forderungen – Einzelhandel soll Angebote nutzen

Oberbürgermeister Eckart Würzner: "Die derzeitigen Schließungen im Einzelhandel sind zwingend erforderlich, um die Ausbreitung des Coronavirus zu verlangsamen."

30.03.2020 UPDATE: 01.04.2020 21:00 Uhr 3 Minuten, 42 Sekunden
Die Geschäfte haben wegen der Corona-Prävention geschlossen. Die Hauptstraße war deshalb am sonnigen Samstag auch ziemlich leer. Foto: Rothe

Von Timo Teufert

Heidelberg. Für viele Unternehmer ist die derzeitige Schließung ihrer Geschäfte nach den Aussagen des Einzelhandelsverbands nur zu überstehen, wenn es für sie eine Perspektive gibt, unter welchen Bedingungen sie nach dem 19. April wieder öffnen dürfen. Eine entsprechende Forderung stellte der Verband an die Politik und Oberbürgermeister Eckart Würzner.

Das Stadtoberhaupt sagt dazu: "Die derzeitigen Schließungen im Einzelhandel sind zwingend erforderlich, um die Ausbreitung des Coronavirus zu verlangsamen. Natürlich wünsche ich mir, dass sich die Erkrankungszahlen in eine positive Richtung entwickeln und die Beschränkungen bald wieder aufgehoben werden können."

Wann die Geschäfte wieder öffnen könnten, liege bei Bund und Ländern. "Der Einzelhandel in Heidelberg liegt mir sehr am Herzen", betonte der OB. Heidelberg zähle zu den attraktivsten Einkaufsstädten in Deutschland. "Wir setzen uns mit voller Kraft dafür ein, dass dies auch nach der Corona-Krise so bleibt. Gemeinsam mit Bund und Land bieten wir den Einzelhändlern und allen weiteren Unternehmen ein ganzes Paket mit Unterstützungsangeboten an", so Würzner. So stehe die Wirtschaftsförderung als Ansprechpartner bei Anträgen zu Soforthilfen beratend zur Seite. "Daneben ermöglichen wir es den Einzelhändlern, städtische Forderungen bis zum 31. Juli 2020 zurückstellen zu lassen und auf der städtischen Internetseite auf ihr Lieferangebot hinzuweisen. Ich kann nur dazu ermutigen, diese Angebote zu nutzen."

Update: Mittwoch, 1. April 2020, 21.15 Uhr

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Einzelhandelsverband fordert Ladenöffnungen nach dem 19. April

Oberbürgermeister Eckart Würzner soll möglichst bald sagen, wann und unter welchen Bedingungen die Geschäfte wieder öffnen dürfen.

Von Timo Teufert

Heidelberg. Ob Buchhändler, Floristen oder Weinhändler– sie alle suchen in diesen Tagen nach Möglichkeiten, ihre Waren zu verkaufen, obwohl sie ihre Läden wegen der Corona-Pandemie geschlossen halten müssen. Manche haben einen Online-Shop und sind deshalb im Vorteil, andere sind für ihre Kunden per Telefon erreichbar und liefern die Waren nach Hause oder die Kunden können sie an den Geschäften abholen. Doch eine Kompensation des "normalen" Geschäftsbetriebs ist das nicht. Deshalb fordert der Einzelhandelsverband Nordbaden (EHV) von Oberbürgermeister Eckart Würzner eine Aussage, wann und unter welchen Bedingungen die Geschäfte wieder öffnen dürfen.

"Für viele kleine Unternehmen und inhabergeführte Geschäfte ist diese Krise nur zu bewältigen, wenn es eine Öffnungsperspektive nach dem 19. April gibt", betont EHV-Geschäftsführer Swen Rubel. Dafür müssten in den Geschäften natürlich die Hygiene- und Sicherheitsvorschriften verstärkt werden, wie man sie schon aus dem Lebensmitteleinzelhandel kenne. "Ansonsten sehe ich ein massives Sterben von inhabergeführten Geschäften auf uns zukommen", zeichnet Rubel ein düsteres Bild.

Denn schon vor der Corona-Krise steckte der stationäre Einzelhandel in Schwierigkeiten. Zum Beispiel durch die Konkurrenz im Internet. "Durch Corona wird sich die Gesamtsituation noch einmal verschlechtern", fürchtet Sahin Karaaslan, Vize-Präsident des EHV. "Im Gegensatz zur Gastronomie hat der Einzelhandel ein Problem: Wenn die Kunden erst einmal eine Online-Routine haben, werden sie immer wieder online kaufen", sagt Karaaslan.

Wie brisant die Situation bereits ist, schildert Rubel: "Der Einzelhandel ist sehr liquiditätsintensiv, das Geld, das verdient wird, ist immer in Bewegung. Wird dieser Kreislauf unterbrochen, wird es schwierig, wieder hereinzukommen." So hätten die Händler jetzt die Frühjahrs- und Sommerkollektionen geliefert bekommen und müssten diese auch bezahlen. "Diese Ware können sie jetzt aber nicht verkaufen, sondern erst später und dann mit erheblichen Nachlässen", so Rubel. Eingenommen werde jetzt also nichts, trotzdem seien die Händler mit Pacht- und Mietzahlungen konfrontiert und in dieser Krisensituation auf das Entgegenkommen der Vermieter angewiesen. "Das macht es für viele schwierig", so Rubel. Deshalb begrüße es der EHV sehr, dass die Landesregierung die Bedingungen für die staatlichen Hilfen noch einmal geändert habe und nun nicht mehr das bestehende Vermögen der Händler angerechnet wird, um die Hilfen zu bekommen. Nach Angaben der Stadtverwaltung haben sich rund 400 Einzelhändler von der Wirtschaftsförderung der Stadt über diese Unterstützungsmöglichkeiten beraten lassen.

"Die Händler haben existenzielle Sorgen, vor allem die kleineren", weiß auch Nicolina Viseciv, Geschäftsstellenleiterin des Citymarketingvereins Pro Heidelberg, aus Gesprächen mit den Mitgliedern. Denn selbst wenn die Händler ihre Mitarbeiter in Kurzarbeit schicken, müssen sie die Gehälter zunächst auslegen. "Das ist für junge und kleine Unternehmen natürlich schwierig. Es ist entscheidend, was sie auf dem Konto haben", so Rubel. Dieses Problem kam gestern Nachmittag auch in der Skype-Konferenz zur Sprache, bei der OB Würzner mit den Vertretern der Mittelstandsoffensive die Situation besprochen hat. "Der OB hat kurzfristige Überbrückungsmöglichkeiten für betroffene Unternehmen aufgezeigt, die im lokalen Verbund von Sparkasse, Volksbanken, aber auch mit der Kreditanstalt für Wiederaufbau und der Landesbank gelöst werden sollen", so ein Stadtsprecher.

"Viele Gewerbetreibende werden diese Krise nicht überstehen, vor allem im Bereich der regionalen, inhabergeführten Unternehmen", fürchtet Karaaslan. Wer jetzt keinen Online-Shop habe, tue sich schwer. "Viele Dinge im Online-Bereich sind ad hoc gar nicht umsetzbar", meint auch Visevic. Zwar hätten Händler mit Online-Shop einen Vorteil, so Rubel, doch insgesamt könnten sie mit Bestellungen über das Internet oder das Telefon ihre Ausfälle gar nicht kompensieren. "Und wer Bestellungen annimmt und liefert, fällt auf einmal unter das Fernabsatzgesetz", beschreibt Rubel eine weitere Schwierigkeit. Gerade für viele stationäre Händler, die sich mit der Materie nicht auskennen, berge das erhebliche Tücken.

Trotzdem sehen Rubel und Karaaslan in den Bestell- und Lieferangeboten eine Chance, auch wenn sie vielleicht im Moment nicht so viel helfen könnten, wie man sich wünschen würde. "Die ,Kauft lokal’-Kampagnen verschaffen uns Aufmerksamkeit, und ich hoffe, sie bringen nach der Krise neuen Schwung für den stationären Handel und einen Bewusstseinswandel bei den Kunden", so Rubel.

Info: Die RNZ hat auf www.rnz.de/einzelhandel die Geschäfte aufgeführt, die per Liefer- oder Abholservice für ihre Kunden da sind. Informationen des Einzelhandelsverbandes zu staatlichen Hilfen gibt es im Internet unter www.foerdermittel-handel.de/corona-hotline

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