Im Eingangsfoyer der Stadtbücherei trafen Gegner und Anhänger der AfD direkt aufeinander. An der Treppe (links) standen die Türsteher der Partei, die nur Mitglieder nach oben zum Hilde-Domin-Saal ließen. Es kam zu mehreren Rangeleien, bei denen niemand zu Schaden kam. Foto: Rothe
Von Sebastian Riemer
Heidelberg. Über 200 Heidelberger haben am Freitagabend gegen die AfD-Veranstaltung in der Stadtbücherei demonstriert, während etwa 100 Anhänger der Partei auf Einladung der Nachwuchsorganisation "Junge Alternative Kurpfalz" (JA) im Hilde-Domin-Saal unter sich blieben. Die Türsteher der Partei ließen bereits an der Treppe im Erdgeschoss nur Menschen mit Parteiausweis nach oben. Die JA hatte das komplette obere Stockwerk gemietet - also auch den gesamten Bereich vor dem Domin-Saal.
Schon anderthalb Stunden vor Beginn der nicht-öffentlichen AfD-Veranstaltung hatten sich gut 150 Heidelberger vor der Stadtbücherei versammelt - sowohl Aktivisten der Antifaschistischen Alternative (AIHD), aber auch viele ganz normale Bürger und einige Stadträte. Die Redner äußerten ihre Fassungslosigkeit darüber, dass die AfD ausgerechnet den Hilde-Domin-Saal mieten könne, der nach der jüdischen Schriftstellerin benannt ist, die einst vor den Nazis fliehen musste. "Meinungsfreiheit endet, wo Diskriminierung beginnt", stand auf einem Plakat. Oberbürgermeister Eckart Würzner hatte im Vorfeld erklärt, dass es keine rechtliche Handhabe gebe, die Veranstaltung zu verhindern.
In seiner Ansprache sagte Michael Csaszkóczy von der AIHD, dass die Stadt dafür aber in der Vergangenheit linken Gruppierungen Räumlichkeiten in der Stadtbücherei verwehrt habe. "Das ist nicht wahr", sagte ein Stadtsprecher dazu am Freitag auf RNZ-Anfrage.
Während vor dem Gebäude Gedichte der Heidelberger Ehrenbürgerin Hilde Domin gelesen wurden, versammelten sich im Eingangsfoyer der Stadtbücherei ebenfalls AfD-Gegner. Dorothea Kaufmann, Kreisvorstandsmitglied bei den Grünen, hatte zur Besichtigung einer in der Stadtbücherei laufenden Ausstellung mit Porträts von Heidelberger Autoren geladen. "Diese Schriftsteller haben eines gemeinsam", sagte sie zur Begrüßung, "sie treten für die freie, wehrhafte Gesellschaft ein." Kaufmann, die Halb-Bayerin ist, kam im Dirndl, weil "ich mir meine Heimat nicht von der AfD kaputtmachen lassen will". Dann ging sie mit einigen anderen zur Ausstellung in die Räume der Bücherei.
Je näher der Beginn der AfD-Veranstaltung - sie startete schließlich um 19 Uhr - rückte, desto mehr Gegner kamen direkt ins Foyer der Bücherei. Gegen 18 Uhr standen bereits weit über 100 Menschen im Foyer, während sich immer wieder AfD-Mitglieder durch die Menge zum Treppenaufgang drückten - jedes Mal begleitet von einem gellenden Pfeifkonzert und "Schämt euch"-Rufen.
Die Stimmung heizte sich nach und nach auf, sodass es einige Male auch zu kleinen Rangeleien kam. Zwei Mal musste die Polizei dazwischen gehen. Zudem trug sie zwei Demonstranten weg. Diese waren über den Aufzug ins Obergeschoss gelangt, wo die AfD das Hausrecht hatte. Sie blieben dort, trotz mehrmaliger Aufforderung zu gehen, auf dem Boden sitzen. Beide wurden für etwa zwei Stunden in Gewahrsam genommen und werden wegen Hausfriedensbruchs angezeigt.
Als einige Demonstranten unten versuchten, den Weg zur Treppe komplett zu blockieren, bildete die Polizei - die insgesamt mit über 50 Kräften im Einsatz war - einen Korridor zur Tür, sodass die AfD-Anhänger durchkamen. In all dem Trubel bahnten sich immer wieder auch Bücherei-Nutzer - Väter mit Kinderwagen, Schüler, Senioren - ihren Weg durch das Foyer, um Bücher zurückzugeben.
Ein Stadtsprecher sagte danach gegenüber der RNZ: "Dieser Abend hat gezeigt, dass die Stadtbücherei ein besonderer Ort ist, in dem sehr unterschiedliche Nutzungen aufeinandertreffen." Deshalb habe der OB auch entschieden, dort bis auf Weiteres Veranstaltungen politischer Gruppierungen nicht mehr zu genehmigen - bis zu einer Entscheidung des Gemeinderats, wie man mit der Raumfrage künftig umgehen soll.
Und während im Hilde-Domin-Saal Brandenburgs AfD-Chef Andreas Kalbitz, der jahrzehntelang in rechtsextremen Kreisen unterwegs war, die Gegendemonstranten als "rotlackierte Linksfaschisten" bezeichnete, fiel eines auf: Der Saal war deutlich kahler als sonst. Die großen Fahnen mit den Gedichten Hilde Domins hatte die Stadtbücherei vorher abgehängt.