Freitags stand die Linde noch im Baufeld, samstags war sie bereits gefällt und zersägt. Foto: privat
Von Denis Schnur
Heidelberg. Der Frust saß bei vielen Südstädtern tief. Am 27. Februar hatten sie in der RNZ gelesen, dass vor ihrer Haustür, in der Kirschgartenstraße, eine Linde gefällt werden soll – und am selben Tag war der Baum bereits weg, in Scheiben zersägt lag er neben dem Bauzaun. Nun ist der Bereich nördlich der Rheinstraße seit Jahren eine Baustelle und dass Bäume gefällt werden, um Wohnhäuser zu bauen, ist nicht ungewöhnlich. Doch diese Linde gehörte zu den Bäumen, bei denen das städtische Umweltamt vor fünf Jahren fest versprochen hatte, dass sie stehen bleiben.
Die Bebauung des ehemaligen Kasernen-Areals sollte an die Baumstandorte angepasst werden. Dass die Linde dennoch gefällt wurde, beschäftigt deshalb nicht nur die Südstädter, sondern auch die Stadtverwaltung und den Aufsichtsrat der GGH. Denn Bauträger vor Ort ist MTV Bauen und Wohnen, ein Konsortium, das zum Großteil der städtischen Wohnungsbaugesellschaft gehört.
Aber warum wurde der Baum überhaupt gefällt? Stadtverwaltung und MTV begründen das auf RNZ-Anfrage mit einem "alten Messfehler". Demnach sei die Position der Linde im städtischen Baumkataster falsch vermerkt und entsprechend die Bebauung falsch geplant worden. "Mit dem Fortschreiten der Bauarbeiten wurde erst spät festgestellt, dass die Linde mit dem geplanten Straßenverlauf der Carl-Schurz-Straße, genauer mit der Gehwegplanung, kollidiert", erklärt eine Stadtsprecherin. Zwar hätten die zuständigen Ämter und MTV nach Möglichkeiten gesucht, den Baum doch zu erhalten – "zum großen Bedauern der Stadtverwaltung leider ohne Erfolg".
Da war es dann schon Anfang Februar – und ab dem 1. März dürfen keine Fällungen mehr durchgeführt werden. Deshalb seien Fällantrag und Genehmigung kurzfristig erfolgt. Die Erlaubnis, den Baum zu entfernen, wurde am 18. Februar erteilt. Das führte zu dem zweiten großen Ärgernis dieser Angelegenheit: "Die Öffentlichkeit ist in diesem Fall sehr kurzfristig informiert worden", gesteht die Stadtsprecherin. Dabei wolle man eigentlich die Bürgerinnen und Bürger frühzeitig über Baumfällungen informieren.
Dass das nicht passiert ist, ärgert die Gemeinderäte Anke Schuster (SPD) und Judith Marggraf (Grün-Alternative Liste), die beide auch im Aufsichtsrat der GGH sitzen und das Thema dort angesprochen haben. Dass die Linde gefällt worden sei, sei bedauerlich, betont Marggraf gegenüber der RNZ. "Aber viel schlimmer ist, dass die betroffene Bevölkerung – in dem Fall die Südstädter – nicht umgehend ausführlich informiert wurde." Stattdessen sei der Baum in einer "Nacht- und Nebelaktion" gefällt worden. Selbst wenn diese begründet gewesen sei, sei das Vorgehen nicht nachvollziehbar. "Fehler dürfen passieren", so Marggraf, "aber dann müssen sie erklärt werden." Sonst riskiere die Stadt einen Vertrauensverlust, der schwer zu reparieren sei. Wenn nun die nächsten beiden Areale in der Südstadt bebaut werden – das Grundstück nördlich der Sickingenstraße sowie eine Fläche nördlich des neuen Karlstorbahnhofs –, pochen Schuster und Marggraf darauf, dass die Standorte der Bäume vorab genau kontrolliert werden: "Es gab schon genug solcher Fälle, das darf sich nicht wiederholen."
Stadt und MTV versprechen immerhin Ersatz für die Linde. In unmittelbarer Nähe zum alten Standort solle ein neuer Baum gepflanzt werden, insgesamt plane man auf dem Areal von MTV-Nord 110 Neupflanzungen.