Ullrich lacht viel und gerne und liebt es, wenn es seine Gäste auch tun. Foto: Rothe
Von Holger Buchwald
Heidelberg. Ein Stadtrundgang kann eine ernste Sache sein. Nicht so bei Hans-Jörg Ullrich. Seit 1988 ist er Gästeführer und hat jede Menge humorvoller Anekdoten und Wissen über skurrile Details auf Lager. Daran ließ er 17 Leserinnen und Leser auf der RNZ-Sommertour "Heidelberger Kuriositäten" durch die Altstadt teilhaben.
Ullrich, Markenzeichen runde Brille und Hut, lacht viel. Und er liebt es, wenn auch seine Gäste lachen. Ein bisschen nervös war er aber schon, wie er vor Beginn der Sommertour zugab. Normalerweise führt er nämlich Auswärtige für die Gästeführer durch die Altstadt. Menschen, die all die bekannten Sehenswürdigkeiten noch nicht kennen. Doch dieses Mal waren neben Paaren aus Neckarsteinach und Leimen, Leserinnen aus Dielheim, Heiligkreuzsteinach und Fahrenbach auch Heidelberger und mit Bernd Bachert ein echter Sume dabei, also einer, der noch in der Altstadt geboren ist, als das Krankenhaus St. Elisabeth noch auf dem Schlossberg angesiedelt war. Doch selbst Bachert hat noch etwas dazugelernt: dass zum Beispiel das Salamander-Sandsteinrelief am Westeingang zum Marstallhof das Zeughaus vor Bränden schützen sollte.
RNZ-Sommertour durch die Heidelberger AltstadtDoch nicht nur deshalb musste sich Ullrich keine Sorgen machen. Wann schon wandeln Heidelberger ganz bewusst durch die Altstadt, lassen den Blick nach oben und über die Fassaden schweifen und das mit einem stets zu Scherzen aufgelegten Begleiter? Der sie, wenn sie "gescheite Bemerkungen" machen oder richtige Antworten geben, mit "Leckerlis" wie Rumpralinen oder Haselnussschnitten belohnt?
"Wo die Herrscher sind, ist hinne", klärte Ullrich die Nicht-Heidelberger gleich zu Beginn der Tour über den Aufbau der Hauptstraße auf. "Vorne kaufen, Mitte laufen, hinten saufen." In der ganzen Altstadt helfe auch das Gassen-Straßen-System bei der Orientierung. Die Gassen verlaufen in aller Regel Richtung Neckar, die Straßen in West-Ost-Richtung. Eine traurige Ausnahme: Die ehemalige Judengasse wurde auf Betreiben der Anwohner 1832 in Dreikönigstraße umbenannt.
Die Kümmel-Spalterei in der Hauptstraße 117 bekam vom damaligen Gastwirt diesen Namen, weil er sich damit über den geizigen Vorgänger-Inhaber, einen Bäcker, lustig machte. Dieser sollte Kümmel gespalten haben, damit er nicht so viel von dem teuren Gewürz benötigt, so Ullrich. Und die Schnitzelbank habe nicht etwa ihren Namen vom Wiener Schnitzel, sondern vom alten Ausdruck für Holzspäne. Die Gäste sitzen dort heute eben noch auf alten Hobelbänken, klärt der Gästeführer in der Bauamtsgasse auf.
"Wir bedauern den Tod unseres Kommilitonen. Er fiel von der Dachrinne herunter", steht auf einem Grabstein eines Studenten, der auf dem Friedhof der Peterskirche beerdigt wurde. "Warum er dort oben hing, steht da leider nicht", bedauert Ullrich. Mit Blick auf den Heiligenberg und die Neuenheimer Villen meint er später: "Die leben über dem Fluss, bezeichnen sich selbst als die Überflüssigen." Darunter waren nicht nur Königin Silvia, sondern auch der spätere Bundespräsident und RNZ-Gründer Theodor Heuss. Als sie nach seiner Wahl von ihm ein Bild in der Zeitung entdeckte, soll eine Frau, die ihm immer Milch verkauft hatte, ausgerufen haben: "Ich wusste gleich, dass der mehr kann als nur Milch holen." Ungezählte solche Geschichten hat Ullrich auf Lager - sei es über Goethe, Eichendorff, Hegel, Wilhelm Busch, den Kurfürsten Ottheinrich oder den Freiherr von Knigge. Ob sie alle wahr sind oder nur Gerüchte, ist unerheblich. "Wir haben so viele Berühmtheiten hier gehabt", ist Leserin Ute Streib am Ende begeistert. Und Michael und Kornelia Hornisch waren vor allem von der Historie des Studentenkarzers angetan. Ein Gefängnis, in dem man selbst den Tag und die Stunde seines Haftantritts mitbestimmen kann. Das hat schon was.