Von Birgit Sommer
Heidelberg. Das Mannheimer Architekturbüro "Motorlab" von Sophie und Peter Bender plant, eine Baulücke in der Wieblinger Maaßstraße mit einem Haus auf Stelzen zu überbauen. Im RNZ-Interview spricht Peter Bender über den Sinn von Nachverdichtung, über Nachhaltigkeit und Nachbarschaft.
Herr Bender, weil man das Umland von Städten und Gemeinden nicht weiter zersiedeln will, ist oft Nachverdichtung im Innern angesagt. Sie haben sich ein bisschen darauf spezialisiert. Warum?
Unser Anspruch an das Bauen ist nicht nur das eines Dienstleisters. Wir sehen uns als aktiven Teil von Planungsprozessen und gehen mit genau diesem Selbstverständnis durch die Städte.
Wie finden Sie freie Grundstücke?
Wir bewegen uns alle ja ständig in einer Stadt. Wenn man das mit wachen Augen macht, tut sich einiges auf. Man braucht natürlich schon einen Blick für die spezifische Situation. Und es ist auch ein langer Prozess, einen Grundstückseigentümer zu überzeugen, dass eine Entwicklung Sinn macht – auch stadtplanerisch.
Peter Bender. Foto: Olivier Pol MichelIn welchen Städten schauen Sie da?
Die Städte, die wir täglich erleben, in denen wir wohnen und arbeiten, unseren ganzen Lebensraum.
Warum machen Sie das?
Uns beschäftigt die Entwicklung von Brachflächen schon seit dem Studium. Jetzt haben wir sogar eine eigene Projektentwicklungsgesellschaft gegründet und machen alles, vom Kauf bis zur Vermarktung, selbst.
Welche Vorteile hat das?
Es gibt zum Beispiel keinen Bauherrn, der uns Vorgaben macht, die wir als Architekten nicht vertreten können oder wollen. Uns geht es ganz stark um architektonische Qualität und nachhaltiges Bauen.
Nachhaltig?
Nicht nur im Sinne ökologischen Bauens. Nachhaltig können Sie auch bauen, wenn Sie Gebäude entwickeln, die anpassungsfähig sind, die auf Veränderung reagieren können, wenn etwa die Familie kleiner wird. Da kann man über die Erschließung schon planen, dass später ein bis zwei Zimmer abgehängt oder unabhängig erschlossen werden können.
Nachverdichtung birgt viele Probleme. Bauen auf ungünstigem Grundstückszuschnitt zum Beispiel. Auch Ihre Planung in Wieblingen fußt auf einem schmalen Grundstück. Das schreit geradezu nach einem kreativen Umgang mit Fläche.
Genau. Wir sehen aber gewöhnlich nicht die Probleme, sondern das Potenzial. Wir müssen intelligente Lösungen finden. Grundsätzlich hat die Innenentwicklung auch politische Dimensionen. Heidelberg etwa erstellt derzeit ein Baulückenkataster.
Braucht es bestimmte Kriterien für eine sinnvolle Nachverdichtung – außer, dass einfach die Ressource Boden knapp ist?
Ist das nicht schon genug? Es ist per se sinnvoll, in einem bereits erschlossenen Gebiet zu bauen. Die Infrastruktur ist vorhanden, die Versorgungsleitungen, die Straßen. Und unter Umständen kann man für die Nachbarschaft ebenfalls neue Qualitäten schaffen. Nachverdichtung kann ja auch heißen, in einem Wohngebiet zum Beispiel einen Senioren- oder einen Generationentreff zu schaffen. Das kann zu einer Erhöhung der Lebensqualität im Quartier führen.
Die Nachbarn haben sich ja meist an das freie Grundstück gewöhnt. Wer es zubauen will, bekommt oft Ärger, oder?
Dass Veränderung auf Widerstand stößt, erleben wir Architekten oft. Wir sehen aber auch genauso oft, dass sich Widerstand ins Gegenteil wandelt. Man bekommt vielleicht nette Nachbarn und eine neue Gemeinschaft. Nur wenn wir etwas verändern, können wir das Bestehende bewahren.
Mit diesem Spruch hat Ministerpräsident Kretschmann bei der Landtagswahl für sich geworben.
Der Spruch stammt ursprünglich von einem alten Stadtplaner. Das sind Erkenntnisse, die allgemeingültig sind.
Verstehen Sie, dass die Anwohner auf ihr gewohntes Licht, Luft und Grün pochen?
Das kann ich verstehen. Andererseits ist es eine Notwendigkeit, dass bezahlbarer Wohnraum geschaffen wird. Viele Bürger finden das auch ganz toll – nur eben nicht in ihrem eigenen Hinterhof. Aber sobald Abstandsflächen eingehalten werden und sich das Bauvorhaben in den Kontext der bestehenden Bebauung einfügt, ist den Ansprüchen der Nachbarn Genüge getan. Eine Stadt entwickelt sich über Jahrhunderte. Man hat keinen Anspruch darauf, dass das Ursprüngliche erhalten bleibt.
In Wieblingen haben die Anwohner angeblich erst bei der Sanierung der Maaßstraße erfahren, dass man gleichzeitig Anschlüsse für ein neues Gebäude legt.
Davon habe ich gehört. Als wir zum ersten Mal über das Grundstück nachgedacht haben, hatten wir keine Kenntnis darüber, dass der Parkplatz neu gestaltet werden sollte. Unsere Initiative, den Parkplatz zu überbauen, stieß in der Stadt auf großes Interesse, weil sie ein zeitgenössisches Thema bespielt. Wir wollen ein Zuhause für zwei Familien schaffen und denken, dass wir das verträglich tun können.
Sie wollen ja selbst einziehen.
Ja. Wir wohnen sehr schön auf dem Grenzhof – allerdings mit zeitlich begrenztem Mietvertrag und ohne öffentlichen Nahverkehr. Unsere Kinder sind sieben und zehn Jahre alt und werden größer. Wir kennen viele Leute in Wieblingen, die Kinder gehen dort in die Schule. Wir wollen einfach wieder näher ans Leben rücken.
Hatten Sie mal mit den Nachbarn aus den Reihenhäusern gesprochen, die Angst vor Verschattung haben?
Wir haben ihnen unser Bauvorhaben am 7. Juli 2020 freiwillig vorgestellt. Es war, ehrlich gesagt, sehr anstrengend. Das Netteste, was wir hörten, war: Ihr Projekt ist ja ganz schön, aber nicht bei uns hier. Ich bin jetzt aber der Auffassung, dass Dinge, die angesprochen wurden, aufgelöst werden können und wir dort nicht das Leben von 20 Familien zerstören. Im Winter sind die Reihenhäuser etwa schon durch die existierende Bebauung der Maaßstraße verschattet. Die Situation ist übrigens genauso wie in 80 Prozent von Wieblingen.
Beim Grundstück handelt es sich ja um Parkplätze ohne Grün. Und diese bleiben durch Ihre Überbauung erhalten. Aber das Argument der Durchgrünung wird immer lauter: Man brauche sie auf einer wärmer werdenden Erde.
Wir haben zwei Flachdachbereiche, die wir intensiv mit Büschen begrünen wollen. Auch die Dachterrassen und der große Patio sollen intensiv bepflanzt werden. Das wird einen positiven Einfluss auf das Mikroklima haben. Wenn wir planen, denken wir Grün integrativ immer mit. In Mannheim im Bereich der ehemaligen Turley Barracks haben wir zum Beispiel ein Haus gebaut, bei dem mit den Balkonen zusätzliche grüne Lungen entstanden. Und die Dächer sind so intensiv begrünt, dass sie als Versickerungsfläche dienen können und das Wasser durch Verdunstung in den Kreislauf wieder abgeben. Das hat sogar eine kühlende Wirkung.
Was können Städte aus der Sicht von Architekten besser machen bei der Nachverdichtung?
Wir plädieren dafür, dass es eine Deregulierung gibt, was Baugesetze angeht. Heute haben wir es mit so unfassbar vielen Auflagen zu tun, dass es fast unmöglich ist, etwas Gutes wirtschaftlich vertretbar zu entwickeln. Dazu sind die Bodenpreise unsagbar hoch. Wir bräuchten ein Signal der Städte, anders mit Boden umzugehen. Wir müssen raus aus dem Spekulationskreislauf. Und Städte sollten ihre Grundstücke nicht mehr grundsätzlich verkaufen, sondern zum Beispiel verpachten und darauf achten, dass sich der Pachtpreis in erträglichem Rahmen hält.