Von Holger Buchwald
Heidelberg. Baukräne in der Bahnstadt, große Pläne für Patrick-Henry-Village: Heidelberg verändert sein Gesicht. Aus Anlass des 75-jährigen Jubiläums der RNZ haben wir unsere neue Serie "Einst und Jetzt" ins Leben gerufen – und alle Leserinnen und Leser sind dazu aufgerufen, mitzumachen: Schicken Sie uns doch Fotos aus Heidelberg aus den letzten siebeneinhalb Jahrzehnten. Unsere Fotografen werden dann die gleiche Stelle aus dem gleichen Blickwinkel noch einmal fotografieren und so den Wandel dokumentieren. Heute geht es um das Palais Prinz Carl in der Altstadt.
Noch liegen Straßenbahnschienen in der Hauptstraße. Das wuchtig wirkende Palais Prinz Carl versperrt die Sicht von dem kleinen Rathausbalkon auf das Schloss. Ingeborg L. Klinger hat das historische Foto vor 1975 aufgenommen, es stammt aus dem Band "40 Jahre Bürger für Heidelberg", den der gemeinnützige Verein im Jahr 2012 herausgegeben hat.
Wer heute vom gleichen Balkon blickt, sieht wenigstens noch den Glockenturm des Schlosses. Der Neubau ist mit seinen Dachgauben im vierten Stock wesentlich filigraner. Der Eingang an der Hauptstraße ist verschwunden. Viele Touristen und Neu-Heidelberger, die an dieser Stelle vorbeikommen, verschwenden dennoch sicherlich keine Gedanken daran, dass um diese exponierte Stelle in den späten 70er- und 80er-Jahren ein veritabler kommunalpolitischer Streit entbrannt war.
Es war 1978, als Oberbürgermeister Reinhold Zundel den Plan verfolgte, die städtischen Ämter möglichst nah an das Rathaus zu holen. Aus dem ehemaligen Grandhotel Palais Prinz Carl, in denen einst Bismarck oder die Kaiserin Sisi abgestiegen waren, sollte ein technisches Rathaus, das historische Gebäude entkernt und modernisiert werden. "Diese ehrgeizige Idee überforderte die Statik des fast 300 Jahre alten Gebäudes vollkommen", heißt es im Band "40 Jahre Bürger für Heidelberg". Die Konsequenz: Das Haus wurde abgerissen, nur der historische Spiegelsaal wurde erhalten. Er wurde durch ein Stahlkorsett gesichert und in Folie verpackt.
Mit dem Abriss verschmolzen Kornmarkt und Marktplatz zu einer größeren Freifläche. Und auch wegen der freien Sicht auf das Schloss befürwortete Zundel nun zunächst, doch keinen Neubau zu errichten. Unterstützung fand er bei einer Bürgerinitiative, die mehr "Licht und Luft für die Altstadt" forderte. Landesdenkmalamt und die Deutsche Unesco-Kommission forderten hingegen den Wiederaufbau, damit der Kornmarkt seine Struktur als eigener Platz zurückerhalte.
Diese Meinung setzte sich letztendlich durch. Dafür entbrannte neuer Streit darüber, welche Architektur an dieser exponierten Stelle angebracht sei. Während der Kölner Architekt Joachim Schürmann einen modernen Bau vorsah, plädierten andere für eine Original-Rekonstruktion. Am Ende stand der Kompromiss: ein Entwurf des städtischen Hochbauamts. Im Jahr 1990 wurde er fertiggestellt und die Wunde am Kornmarkt war geschlossen. Und auch die "Bürger für Heidelberg" übten nur noch leise Kritik: "Man wird über die steile Dachneigung, die seltsamen Gauben, das klotzige Betonband für die Blumenkästen und die unproportionierten Riesenfenster des Erdgeschosses hinwegsehen müssen, um sich an dem richtig auf der Platzachse sitzenden Portal zu freuen."
Info: Wer mitmachen will, schickt seine Fotos an: stadtredaktion@rnz.de – Stichwort "Einst und Jetzt".