Von Sarah Hinney
Heidelberg. Viele Branchen sind von der Corona-Krise betroffen. Aber wohl kaum eine trifft es so hart wie die Veranstaltungsbranche. Dabei sind nicht nur die Künstler und Musiker Leidtragende, sondern auch all jene, die im Hintergrund dafür sorgen, dass jedes Konzert ins rechte Licht gerückt wird, dass jedes Kabel an der richtigen Stelle liegt. Veranstaltungstechnikerinnen und -techniker sind seit März quasi arbeitslos. Einer von ihnen ist Markus Heilig, 32 Jahre alt, Handschuhsheimer. Zwölf Jahre lang arbeitete Heilig in der Event-Branche – bis Corona kam.
Herr Heilig, gibt es überhaupt noch Aufträge für Veranstaltungstechniker?
Ich selbst hatte seit März ganze sechs Aufträge – und das ist natürlich weit entfernt von einer Auftragslage, von der man auch nur annähernd leben könnte. Andererseits kann ich froh sein, dass ich immerhin die hatte. Ich kenne viele Kollegen, die in derselben Branche arbeiten, die hatten gar keine.
Was haben Sie denn vor Corona konkret gemacht?
Nach meiner dreijährigen Berufsausbildung zur "Fachkraft für Veranstaltungstechnik" habe ich mich selbstständig gemacht und bin jetzt zwölf Jahre in der Branche tätig. Der Alltag besteht aus dem Aufbau und der Betreuung von Technik für Veranstaltungen. Bestes Beispiel dafür sind die von uns allen so vermissten Konzerte – hier kümmern wir uns beispielsweise um Licht-, Ton- und Bühnentechnik. Ich habe mich in den letzten Jahren aber mehr auf Kongresse, Messe- und Industrie-/Wirtschaftsveranstaltungen konzentriert. Die wurden von Corona aber auch nicht verschont.
Erhalten Sie finanzielle Unterstützung?
Ich habe im Frühjahr von der Landesregierung eine einmalige Soforthilfe bekommen. Unsere Landesregierung war meines Wissens die einzige Instanz, die ihre Hilfen auch für "Solo-Selbstständige" gewährt hat. Alle weiteren Hilfsprogramme wie Überbrückungshilfe oder Novemberhilfe wurden an "Solo-Selbstständigen" und Kulturschaffenden vorbeigeplant. Dadurch, dass die Rahmenbedingungen immer wieder rückwirkend geändert werden, wissen nur sehr wenige Betroffene, ob sie überhaupt antragsberechtigt sind – und ohne Steuerberater lassen sich viele Programme überhaupt nicht beantragen.
Das klingt dramatisch...
Ja und wer auf Verdacht eine Hilfe beantragt hat, dem könnte ein böses Erwachen drohen – die ersten Strafanzeigen wegen Subventionsbetrug sind bereits zugestellt worden. Mein subjektiver Eindruck ist, dass gut 80 Prozent der solo-selbstständig Kulturschaffenden Anspruch auf Unterstützung verweigert wurde. Dabei gibt es inzwischen viele Initiativen und Interessenverbände, die die Problematik ansprechen, dem Zuhören sind aber bisher wenig Taten gefolgt.
Und wovon leben Sie selbst seit März?
Ich lebe von meiner Altersvorsorge, die ist langsam aber sicher nun aufgebraucht. Auch dabei hatte ich noch Glück, weil ich mir, bis Corona kam, ein breites Netzwerk aufgebaut und immer eine sehr gute Auftragslage hatte. Meistens hatte ich mehr Arbeit, als gesund ist, habe sie aber trotzdem gemacht und mir dadurch einen guten finanziellen Puffer aufgebaut, mit dem ich die vergangenen Monate zurechtgekommen bin. Damit geht es mir vergleichsweise gut, ich kenne Kollegen, die direkt in die Grundsicherung gerutscht und jetzt vom Arbeitsamt abhängig sind. Andere haben der Branche ganz den Rücken gekehrt – die kommen wohl auch nicht mehr zurück.
Unabhängig vom finanziellen Aspekt, wie geht es Ihnen psychisch in der Situation?
Als mir im März innerhalb von einer Woche sämtliche Aufträge weggebrochen sind, wurde mir klar, dass es ein sehr mageres Jahr wird, und so habe ich mich im Frühsommer in eine Renovierung gestürzt. Dadurch war ich bis in den späten Herbst hinein ganz gut abgelenkt – ich bin auch gerade noch am Löten von LEDs für die Küchenbeleuchtung. Ich halte mich für relativ resilient – da braucht es vermutlich größere Umbrüche, um auf existenzielle Krisengedanken zu kommen (lacht).
Und wie geht es weiter?
Meine Steuerberaterin sagte mir, dass ich gute Chancen hätte, die Überbrückungshilfen doch noch zu beantragen. Die Antragsfristen laufen aber so langsam aus, und im Moment ist laut – mittlerweile wieder aktualisierter – Rechtslage wohl noch nicht klar, ob ich berechtigt bin. Steuerberater möchte ich im Moment auch nicht sein, die müssen ständig mit den veränderten Vorzeichen umgehen und sich ununterbrochen auf den neuesten Stand bringen.
Und langfristig?
Die Glaskugel ist noch sehr trübe und verschwommen. Im Moment ist allerdings nicht absehbar, dass im nächsten Jahr genug Aufträge kommen, um davon leben zu können. Ich rechne auch nicht damit, dass alles wieder so wird, wie es mal war. Die Branche wird sich verändern. Vielleicht nicht unbedingt die Konzertbranche. Aber bis es wieder große Konzerte gibt, wird es dauern, auch wenn der Impfstoff kommt. Was sich sicherlich verändern wird, sind andere Veranstaltungen. Firmen werden sich überlegen, ob zu jeder Vorstandssitzung wirklich alle Leute eingeflogen werden müssen oder ob man das nicht per Zoom erledigen kann. Neben diesen Unwägbarkeiten stellt sich auch die Frage, welche meiner Kunden noch am Markt aktiv sein werden, sobald das "Corona-Insolvenz-Aussetzungsrecht" ausläuft – die große Pleitewelle kommt vermutlich erst noch.
Ziehen Sie selbst eine berufliche Veränderung in Betracht?
Ich werde den Januar abwarten und mir im Februar konkret anfangen, Gedanken zu machen. Aber ja, ich muss das Thema Umschulung in Betracht ziehen. Was schade ist – denn eigentlich liebe ich meinen Beruf.
Was würden Sie sich aktuell für Ihre Branche wünschen?
Nun, seitens der Regierung hatte ich anfangs volles Verständnis für die Situation. Aber ein Dreivierteljahr später würde ich mir einen klar verständlichen Rahmen an Hilfen wünschen, der versucht, jeden mitzunehmen und bei dem niemand durchs Raster fällt.
Markus Heilig. Foto: Rothe