Von Holger Buchwald
Heidelberg. Stefanie Neuert (38) arbeitet seit 2008 als Straßenbahn- und Busfahrerin bei der Rhein-Neckar-Verkehr GmbH (RNV). Sie ist auf allen Heidelberger Linien unterwegs. Dabei hat sie keine Lieblingsroute. "Ich fahre alles gerne", sagt sie. Auch sie ist von den Einschränkungen im Nahverkehr, die ab dem heutigen Montag gelten, betroffen. Ab sofort stellt die RNV den Bus- und Bahnverkehr nach 22 Uhr ein. Im Telefonat mit der RNZ berichtete Neuert am Freitag, wie sie die Einschränkungen in der Zeit der Corona-Krise erlebt.
Frau Neuert, wie ist die Lage?
Ruhig. In den Bahnen und Bussen ist so gut wie nichts los. Draußen, auf der Straße, gab es nach meiner Meinung vor wenigen Tagen immer noch zu viel Publikum. Ich selbst habe mich schon ein bisschen an die neue Situation gewöhnt und ich glaube, die Fahrgäste auch. Aber die Linie 23 von Leimen nach Heidelberg, die in normalen Zeiten zu jeder Uhrzeit sehr gut besetzt ist, ist derzeit höchstens noch zu einem Viertel gefüllt.
Die Sicherheitsvorkehrungen für das RNV-Personal sind seit Tagen verschärft. Haben Sie überhaupt noch direkten Kundenkontakt?
Nur wenn ich Bus fahre und die Leute von hinten nach vorne rufen. Unser Bereich ist aber mit Absperrbändern abgegrenzt. In der Bahn sitzen wir sowieso in der Kabine. Da kommt niemand direkt an uns ran.
Wie geht es Ihnen damit?
Eigentlich gut. Natürlich machen wir Fahrer uns aber auch privat Gedanken, wie es weitergeht. Täglich ändert sich etwas. Was unsere Sicherheitsvorkehrungen angeht, haben die Fahrgäste Verständnis dafür. Das ist kein Problem.
Wie nehmen Sie die Stimmung der Fahrgäste wahr?
Ich würde sagen, sie sind vorsichtig. In den vergangenen Tagen habe ich immer mehr Menschen gesehen, die mit Mundschutz einsteigen und ihn gleich nach dem Aussteigen wieder absetzen. Sie sind vorsichtig, aber nicht hysterisch. Und vielleicht sind sie untereinander etwas zuvorkommender geworden und rücksichtsvoller. Ich habe das Gefühl, man achtet mehr aufeinander.
Gibt es eine Geschichte, über die sich in den letzten Tagen besonders gefreut oder geärgert haben?
Ich bin am Bismarckplatz von einem Fahrgast angesprochen worden, der uns gelobt hat, dass wir mit der Bahn an der Haltestelle sofort immer alle Türen aufmachen. Das fand er richtig gut. Und schön fand ich es auch, als ich den Blumenhändler am Bismarckplatz gesehen habe, am Tag, bevor er schließen musste. Er hat seine restlichen Blumen an die Bevölkerung verschenkt. Darüber habe ich mich sehr gefreut.
Nun werden "Menschenansammlungen" von mehr als zwei Personen untersagt. Wie lässt sich das in der Straßenbahn umsetzen?
Die Bahnen sind natürlich nicht mit einer öffentlichen Versammlungsstätte zu vergleichen. So etwas wäre im Nahverkehr nicht praktikabel.
Wäre eine komplette Ausgangssperre nicht viel sinnvoller?
Ich persönlich fände es sinnvoll. Auch weil ich in den letzten Tagen immer wieder Jugendliche in Gruppen beobachten konnte, denen die Corona-Krise offensichtlich völlig egal ist.
Lohnt es sich denn überhaupt noch, Straßenbahn zu fahren?
Es sind schon wenige Fahrgäste, das stimmt. Aber unser Job ist es auch, dass die Krankenschwestern, Kassierer im Supermarkt, alle, die jetzt gebraucht werden, zuverlässig zur Arbeit und wieder nach Hause kommen.
Wie geht es Ihnen persönlich? Machen Sie sich über Ihre eigene Gesundheit Gedanken?
Gedanken mache ich mir natürlich schon. Ich versuche aber, mich so gut wie möglich an die Vorschriften zu halten, dann bin ich ganz gut geschützt.
Und im privaten Umfeld? Versuchen Sie da, Abstand zu anderen zu halten?
Wenn man Bekannte sieht, hält man schon Abstand. Aber mit meinem Mann mache ich keine großen Unterschiede.
Wie lenken Sie sich ab, um nicht immer die ganze Zeit an Corona zu denken? Schließlich ist das Thema ja derzeit allgegenwärtig.
Bis letzte Woche fand ich auch, dass es ein bisschen zu viel ist. Inzwischen habe ich aber gemerkt, was alles dahintersteckt. Daher finde ich es gut, dass viel berichtet wird. Ablenken muss ich mich nicht.