Startschuss für "Bündnis für Jüdisch-Muslimische Beziehungen"
Eine bundesweit einzigartige Initiative will vergangene Konflikte und Kriege hinter sich lassen.

Von Philipp Neumayr
Heidelberg. Es ist ein Projekt, das seinesgleichen sucht: Das "Heidelberger Bündnis für Jüdisch-Muslimische Beziehungen" nimmt ab sofort offiziell seine Arbeit auf. Die Plattform will zeigen, dass jüdische und muslimische Perspektiven längst selbstverständlicher Teil der Gesellschaft sind – und auf diese Weise ein Signal ins gesamte Bundesgebiet senden.
"Wir möchten einen Beitrag zu mehr Sichtbarkeit von Jüdinnen und Juden sowie Musliminnen und Muslimen in der öffentlichen Debatte leisten – nicht in Form eines interreligiösen Dialogs, sondern als zeitgenössische Intervention in Fragen von Kultur, Gesellschaft und gleichberechtigter Teilhabe", sagt Yasemin Soylu von Teilseiend / Muslimische Akademie Heidelberg. Der Verein ist einer von fünf Kooperationspartnern, die das neue, von der Stiftung "Erinnerung, Verantwortung und Zukunft" geförderte Bündnis tragen. Beteiligt sind zudem die Hochschule für Jüdische Studien (HfJS), die Pädagogische Hochschule, der Karlstorbahnhof und die Stadt Heidelberg.
Die Kooperation von Kultur, Wissenschaft und Verwaltung nennt Soylu "einzigartig". Hier setzten sich unterschiedliche Institutionen mit unterschiedlichen Perspektiven für das Gleiche ein: eine plurale Gesellschaft. "Dieser Pluralität möchten wir über unsere Zusammenarbeit Ausdruck verleihen."
Eine Aufgabe des Bündnisses sei es, für die Geschichte und Gegenwart jüdisch-muslimischer Beziehungen zu sensibilisieren, sagt Soylu – und nicht nur auf vergangene Konflikte und Kriege zu blicken. Das Bündnis soll Frederek Musall (stellvertretender Rektor der HfJS) zufolge außerdem "andere Andockmöglichkeiten" schaffen, auch für jüngere Menschen. Denn sowohl auf jüdischer als auch auf muslimischer Seite gebe es das Bedürfnis, miteinander ins Gespräch zu kommen, und zwar abseits des institutionellen, des gesetzten Rahmens.
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Das Bündnis umfasse drei "Arbeitseinheiten", wie Johannes Becke, Professor für Israel- und Nahoststudien an der HfJS, erklärt. Erstens: die Jüdisch-Muslimischen Kulturtage, die seit 2017 bereits jährlich stattfinden. Zweitens: einen Wissenschaftspodcast mit dem Titel "Mekka und Jerusalem", der sich mit unterschiedlichen Themen rund um jüdisch-muslimisches Leben befasst. Und drittens: sogenannte Bildungsbausteine für die Lehrkräfte-Ausbildung in Kooperation mit der Pädagogischen Hochschule.
"Ich bin überzeugt, dass diese Thematik auch in die Schulen getragen werden sollte, weil dort die Gesellschaft von morgen gemacht wird", sagt Erziehungswissenschaftlerin Havva Engin von der Pädagogischen Hochschule. Umso wichtiger sei es, auch Lehrkräften "eine Handreichung" zu geben, mit denen sie sich jüdisch-muslimischen Perspektiven und Fragestellungen nähern könnten.
Dem "Heidelberger Bündnis für Jüdisch-Muslimische Beziehungen" eine Bühne bietet der Karlstorbahnhof, in der Vergangenheit bereits Austragungsort der Jüdisch-Muslimischen Kulturtage. Das Kulturhaus sei immer bestrebt, "Minderheiten Gehör und Raum zu verschaffen, um diskriminierende Strukturen aufzudecken und zu durchbrechen", sagt Chefin Cora Malik.
Die Herausforderung, diese diskriminierenden Strukturen zu durchbrechen, ist groß – und sie ist jüdischen und muslimischen Menschen hierzulande gemein. Das haben nicht zuletzt die blutigen Attentate von Hanau und Halle gezeigt.