Sie helfen mit der unabhängigen Sozial- und Verfahrensberatung Geflüchteten bei der Ankunft in Deutschland: Birgit Grün, Kirstin Tounkara, Christian Heinze, Lukas Renz und Anne Oelschläger (von links). Foto: Hentschel
Von Marion Gottlob
Heidelberg. Die Flüchtlinge, die im Ankunftszentrum in Patrick Henry Village (PHV) ankommen, haben oft traumatische Erlebnisse hinter sich, sie haben häufig schlechte Erfahrungen mit Behörden gemacht – und kaum Ahnung davon, wie die Bürokratie in Deutschland läuft. Deshalb ist in der Landeseinrichtung auch die unabhängige Sozial- und Verfahrensberatung für Flüchtlinge vor Ort, die SuV. Sie bietet den Flüchtlingen eine freiwillige und kostenlose Unterstützung, die nicht von Behörden abhängt, – und zwar schon seit fünf Jahren. Das Jubiläumsfest musste jedoch wegen Corona abgesagt werden.
Im vergangenen Jahr zählte die SuV mehr als 17.300 Beratungsgespräche – vor allem mit Menschen aus Nigeria, Syrien, Irak, Türkei und Iran. In diesem Jahr dürften es weniger werden, denn zur Hochzeit der Pandemie war keine persönliche Beratung möglich. Und obwohl die Verantwortlichen sehr schnell auf Online-Konferenz und Telefon umgestellt hatten, gingen die Zahlen zurück. "Manchen Geflüchteten fehlt der Internetzugang oder das Handyguthaben für diese Angebote", betont Christian Heinze, zuständig für Flucht und Migration im Diakonischen Werk Heidelberg.
Dabei ist die Beratung in vielen Fällen wichtig: Warum schildert etwa Anne Oelschläger vom Diakonischen Werk Heidelberg an einem Beispiel: Eine 20-jährige Frau aus Nigeria wurde von einer Schlepperbande angeworben, und ihr wurde in Europa ein Job als Friseurin versprochen. Aber nach der Überquerung des Mittelmeers wurde sie zur Prostitution gezwungen und schwanger. Zum Glück konnte sie flüchten und kam nach Heidelberg. Die Berater machten sie darauf aufmerksam, dass es für Menschenhandel spezielle Ansprechpartner gibt. Daneben verwies sie die Frau an eine Schwangerschaftsberatung.
Ein anderes Beispiel schildert Lukas Renz vom Caritasverband: Eine Frau aus Gambia wurde beschnitten und dann zwangsverheiratet. Die Ehe war von Gewalt geprägt. Eine erste Flucht misslang, die Familie holte sie zurück. Erst mit der zweiten Flucht schaffte die Frau es nach Deutschland. Hier vermittelte ihr die SuV eine medizinische Diagnose. Der Zustand der Frau war so besorgniserregend, dass sie operiert werden musste. Auch sie wurde darauf aufmerksam gemacht, dass sie beim Asylverfahren die besondere Härte ihres Schicksals geltend machen kann.
Überhaupt ist die Vorbereitung auf das Asylverfahren für die Flüchtlinge enorm wichtig. Die Anhörungen können viele Stunden dauern. Biografie und Fluchtweg werden beleuchtet. "Die Menschen müssen über Traumata sprechen, das ist schwierig", erklärt Kirstin Tounkara vom Deutschen Roten Kreuz. Zum Abschluss der Anhörung gibt es ein Protokoll, das in die Muttersprache des Flüchtlings übersetzt wird. Christian Heinze betont: "Der Flüchtling muss wissen, dass er dieses Protokoll prüfen und bei Missverständnissen nachfragen oder den Text ergänzen kann. Das braucht Mut, denn viele Flüchtlinge bringen aus ihrer Heimat die Angst vor Behörden mit." Dabei hilft natürlich auch die Beratung.
Dass diese nicht nur wichtig ist, sondern in Heidelberg auch gut umgesetzt wird, da sind sich Heinze und Grün einig: "Das ist ein tolles Team." Träger der SuV sind das Diakonische Werk der Evangelischen Kirche, der Caritasverband und das Deutsche Rote Kreuz. Sie wird zudem vom Land gefördert.