Von Joris Ufer
Heidelberg. Trotz Corona und Herbstwetter demonstrierten am Freitag rund 2000 Menschen in Heidelberg. In mehreren Protestzügen liefen die Demonstranten zur Neckarwiese, wo die zentrale Kundgebung stattfand. Organisiert wurde die Demo von Fridays For Future (FFF) und der antirassistischen Gruppe "United Colors of Change". Gemeinsam protestierten die Aktivisten für Klimaschutz und gegen strukturellen Rassismus.
Klima-Demo am 25. September in Heidelberg - die FotogalerieLangsam aber stetig füllt sich gegen 15 Uhr der Park vor der Stadtbücherei mit Menschen. Viele von ihnen tragen Plakate oder Banner. "Wir haben die Welt von unseren Kindern nur geliehen" steht auf einem, "Wir haben Platz hier" in Bezug auf die Aufnahme von Flüchtlingen auf einem anderen. Die Aktivisten wollen aufzeigen, dass die Themen Rassismus, Flüchtlinge und Klimawandel eng zusammenhängen.
400 Teilnehmer sind von der Polizei für den Marsch zugelassen. Da es nun mehr als 800 sind, werden sie in zwei getrennt laufende Gruppen aufgeteilt. Nur 15 Minuten später starten weitere 330 Menschen vom Friedrich-Ebert-Platz – eine Sicherheitsvorkehrung zum Infektionsschutz. Alle Demonstranten tragen Masken und halten Abstand.
Die Teilnehmer sind bunt gemischt. Neben Schülern und Studenten sind auch viele Senioren und Familien gekommen. "Rassismus und Klima gehören zusammen", erklärt Carsten Müller-Donhuijsen, der sich mit seinem kleinen Sohn und dessen Freund in den Zug eingereiht hat. Er sei heute hier, weil seine Kinder ihn angestachelt hätten.
Immer wieder sind Sprechgesänge aus der Menge zu hören. Auch den Namen "Breonna Taylor" skandieren sie. Die afroamerikanische Notfallsanitäterin war im März von Polizisten erschossen worden und wurde zu einer Ikone der "Black Lives Matter"-Bewegung.
Über die Theodor-Heuss-Brücke treffen die drei Züge zeitversetzt auf der Neckarwiese ein. Dort warten schon viele weitere Menschen. Von 2500 Teilnehmern sprechen die Organisatoren, die Polizei zählt 1500. Die Beamten loben das vorbildliche Verhalten der Menschen bei der größten Heidelberger Demonstration seit Beginn der Pandemie.
FFF-Sprecherin Line Niedeggen sagt in ihrer Rede, dass auch "Fridays For Future" nicht frei von Rassismus sei, obwohl man sich schon früh als antirassistische Bewegung verstanden habe. Neben ihr steht Tanja Parker von "United Colors of Change". Im Gespräch mit der RNZ fordert sie von der Politik, "dass sie mehr zuhören und endlich Taten folgen lassen".
Während auf der Bühne verschiedene Musiker und Redner auftreten, brandet im Publikum immer wieder Jubel auf. Trotz des mittlerweile kalten Windes und beginnenden Regens scheint ihre Begeisterung ungebrochen. Ein prominentes Thema in den Reden ist die wiederholte Weigerung von Innenminister Horst Seehofer, eine Studie über Polizeigewalt in Auftrag zu geben. "Seebrücke statt Seehofer", ruft ein Vertreter der Organisation "Seebrücke", die sich für Flüchtlinge einsetzt, und erhält zustimmenden Applaus aus der Menge. Er hebt hervor, dass die Flüchtlinge, die an Europas Grenzen abgewiesen würden, oftmals vor den Auswirkungen des Klimawandels geflohen seien. Für diesen macht der Aktivist vor allem große Industrienationen wie Deutschland verantwortlich.
Auf der Wiese in der Menge steht die Doktorandin Rebecca Ignatz. Sie trägt ein Plakat, auf dem eine brennende Erde abgebildet ist. Auch für sie gehören Rassismus und Klimawandel zusammen: "Weil es so viel Diskriminierung gibt, ziehen die Menschen nicht mehr an einem Strang, um gemeinsam die großen Probleme zu lösen", sagt sie. "Während Corona sollten die anderen Probleme nicht vergessen werden."
Update: Freitag, 25. September 2020, 20.35 Uhr
Heidelberg. (juf/mün) Am Freitagnachmittag ziehen zwei Demonstrationszüge durch die Innenstadt. Fridays for Future und weitere Organisationen haben den öffentlichen Kampf für den Klimaschutz wieder aufgenommen. Wegen der Corona-Pandemie müssen zwei Startpunkte für die Demo gesetzt werden. Jeweils 400 Demonstranten dürfen sich an der Stadtbücherei und auf dem Ebert-Platz versammeln. Nach Augenzeugenberichten sind es aber offenbar mehr Menschen, als eigentlich erlaubt wurden.
Die Demonstrationszüge gehen über die Theodor-Heuss-Brücke zur Neuenheimer Neckarwiese, wo ab 17 Uhr Reden gehalten werden.
Insgesamt gibt es in Baden-Württemberg über 50 Menschenketten, Protestzüge und Kundgebungen, bei den vor den Folgen der Erderwärmung gewarnt wird. In Stuttgart kamen nach Schätzungen der Veranstalter rund 6000 Menschen zusammen, auch in Freiburg ging die Polizei von einer ähnlichen Zahl aus. In Karlsruhe beteiligten sich laut Fridays for Future rund 3500 Menschen an einer Menschenkette.
Bundesweit wollten die Klima-Protestler am Freitag an insgesamt rund 400 Orten auf die Straße gehen - stets unter Einhaltung der Corona-Auflagen mit Abstand und Maske, wie sie betonten. Im Südwesten waren Aktionen unter anderem auch in Mannheim und Heidelberg, Heilbronn, Bruchsal und Ulm geplant. In Konstanz wollten die Fridays-for-Future-Anhänger unter anderem für eine klimapositive Stadt bis 2030 auf die Straße gehen. Dann soll die Stadt der Umwelt mehr Treibhausgase entziehen, als sie verursacht. Konstanz hatte im Mai 2019 als erste deutsche Stadt den Klimanotstand ausgerufen.
Überschattet wurde die Freiburger Kundgebung von einem Zwischenfall, bei dem eine Teilnehmerin der Demonstration schwer verletzt wurde. Nach Angaben der Polizei erlitt eine weitere Person leichte Verletzungen, als ein Zelt von einer Sturmböe angehoben wurde. Die beiden Teilnehmer seien verletzt worden, als das Zelt mit seinen schweren Gewichten an den Haltebänder wieder zu Boden gefallen sei, sagte ein Polizeisprecher.
Die Aktivisten zeigten sich mit dem Echo auf ihre Protestaufrufe zufrieden, sie mahnten aber auch zu einem konsequenteren Einsatz gegen den Klimawandel. "Inlandsflüge nur für Insekten", forderten sie in Stuttgart auf einem Protestplakat, "Kein Grad weiter" hieß es auf einem Banner.
"Bei der Klimakrise sind wir alle Risikogruppe", warnte die Stuttgarter Aktivistin Nisha Toussaint-Teachout. Sie habe kein Verständnis mehr dafür, dass die wissenschaftlichen Erkenntnisse zur Klimakrise so wenig Beachtung fänden. "Bei Corona hören wir auf die Wissenschaft. Bei der Klimakrise tun wir das nicht und das ist für mich schwer nachzuvollziehen."
Wegen der weltweiten Pandemie hatten die Aktionen der Bewegung zuletzt überwiegend im Internet stattgefunden. Im vergangenen Jahr hatten die Klimaschützer regelmäßig Tausende vor allem junge Menschen zu Demonstrationszügen durch die Städte motiviert.