Heidelberg

Das sollte beim neuen Ankunftszentrum in PHV beachtet werden

Bei der Online-Diskussion ging es darum wie viel Schutz, wie viel Begegnung sein muss. Ein sozial integriertes Ankunftszentrum wäre "ein bundesweites Modell".

08.06.2021 UPDATE: 09.06.2021 06:00 Uhr 2 Minuten, 44 Sekunden

Das Patrick-Henry-Village im Südwesten von Heidelberg. Foto: Kay Sommer

Von Philipp Neumayr

Heidelberg. Das Ankunftszentrum für Geflüchtete soll langfristig in Patrick-Henry-Village (PHV) bleiben und im Nordosten des Areals entlang der Autobahn A5 neu gebaut werden. Das ist das Ergebnis einer Klausurtagung von Ende Mai, an der neben Vertretern der Stadt, des Gemeinderats, des Landes, der Internationalen Bauaustellung und des Regierungspräsidiums Karlsruhe auch das Bündnis für Ankunftszentrum, Flüchtlinge und Flächenerhalt (BAFF) teilnahm.

Letzteres hatte das Wieblinger Gewann Wolfsgärten als Standort für ein neues Ankunftszentrum mit einem Bürgerentscheid verhindert und sich schon früh für einen Verbleib in PHV ausgesprochen. Welche Aspekte bei der Planung für das neue Ankunftszentrum berücksichtigt werden sollten, darum ging es am Montagabend bei der vom BAFF organisierten Online-Veranstaltung "Ankunftszentrum – jetzt richtig".

Der Konsens im Rahmen der städtischen Klausur sei groß gewesen, sagte Dorothee Hildebrandt (BAFF). Doch neben Übereinstimmungen gebe es nach wie vor auch Widersprüche im Hinblick auf die Planung des künftigen Ankunftszentrums. Das Bündnis hat zuletzt mehrere Anforderungen erarbeitet, die es aus dessen Perspektive zu berücksichtigen gilt. Die Einrichtung soll demnach für bis zu 2000 Geflüchtete errichtet werden, aufgeteilt auf mehrere Gebäude und Einheiten.

Ziel müsse es zudem sein, die Infrastruktur gleichzeitig mit dem neuen Ankunftszentrum zu entwickeln, betonte Hildebrandt. Wichtig ist dem Bündnis vor allem, "Gemeinschaftsräume" zu schaffen. Sport- und Freiflächen, Kita und Schule sollen künftig gemeinschaftlich von Heidelbergern und Ankommenden genutzt werden. Dies mache "ein soziales Miteinander und eine beginnende Integration" erst möglich, sagte Hildebrandt.

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Dass das neue Ankunftszentrum und seine Umgebung Begegnungsräume brauchen, darin waren sich an diesem Abend alle einig. Beate Deckwart-Boller, Altstadträtin und Leiterin der Unabhängigen Verfahrens- und Sozialberatung von Caritas, Diakonie und Arbeiterwohlfahrt Karlsruhe, sagte, es sollte "eine Selbstverständlichkeit" sein, dass sich die Asylsuchenden mit der Bewohnerschaft des künftigen Stadtteils vermischen können.

Diese Begegnungsräume fehlten in der aktuellen Einrichtung in PHV, sagte Markus Rothfuß, Leiter des Ankunftszentrums für Geflüchtete. Um die Einrichtung künftig nicht nur räumlich in den Stadtteil zu integrieren, brauche es "gute Überlegungen", sowohl von Stadt und Bürgerschaft, aber auch von Hilfsorganisationen.

Nicht ganz einer Meinung war man dagegen bei der Frage, wie viel Schutz die Bewohnerinnen und Bewohner des Ankunftszentrums brauchen und wie dieser am Ende aussieht. Es gebe ein "natürliches Spannungsfeld" zwischen dem Sicherheits- und Ordnungsaspekt und dem Aspekt sozialer Integration von Asylsuchenden, so Jörg Schmidt-Rohr, Geschäftsführer des Vereins zur beruflichen Integration und Qualifizierung. Der Sicherheits- und Ordnungsaspekt stehe beim Land eindeutig im Vordergrund, sagte er.

Geht es nach Schmidt-Rohr, dann sieht das künftig anders aus. In Heidelberg habe man nun die Möglichkeit, eine "offene Struktur" zu schaffen. "Ein sozial integriertes Ankunftszentrum wäre ein echtes bundesweites Modell", so Schmidt-Rohr.

Wie sozial integriert ein Ankunftszentrum sein kann, hing für mehrere Teilnehmer der Veranstaltung auch von dessen räumlicher Abgrenzung nach außen ab. In einem Zaun, wie es ihn derzeit rund um die Einrichtung gibt, sieht Jochen Winter, Flüchtlingsseelsorger in PHV, keine dauerhafte Lösung. Er betreue Menschen, die seit Jahren in Deutschland und noch immer eingezäunt seien.

Zwar sehe er ein, dass man die Asylsuchenden schützen müsse, sagte Winter, doch die Selbstbestimmung dürfe dadurch nicht zu kurz kommen. Das neue Ankunftszentrum braucht ihm zufolge eine Gestaltung, die anders als bisher eine "Brücke zwischen innen und außen" bildet.

"Schutz muss aus meiner Sicht sein", machte dagegen Markus Rothfuß klar. Es gehe nicht darum, Flüchtlinge einzusperren oder zu kriminalisieren, aber in Bereichen wie im Bewohnerbereich oder im Verfahrensbereich, sei eine Abgrenzung zur Umwelt "zwingend" – nicht nur aus rechtlichen Gründen, um etwa einen Hausfriedensbruch geltend machen zu können, sondern auch vor dem Hintergrund, dass es Menschen gebe, die den Bewohnern des Ankunftszentrums "nicht immer nur Gutes wollen". Das Land als Betreiber der Einrichtung müsse wissen, wer dort hineinkommt und wer Kontakt zu den Bewohnern aufnimmt. Zwar brauche es dafür nicht zwangsläufig einen Stacheldrahtzaun, aber in jedem Fall klar erkennbare Barrieren.

Wie das Bündnis und viele andere Menschen in Heidelberg sieht auch Rothfuß den Verbleib des Ankunftszentrums in PHV als Chance. "Wir hatten noch nie die Gelegenheit, ein Ankunftszentrum zu errichten innerhalb eines neu zu gründenden Stadtteils." Umso wichtiger sei es jetzt, gemeinsam festzulegen, wie es gelinge, die Einrichtung bestmöglich in den Stadtteil zu integrieren. Er selbst, versprach er, wolle auf diesem Weg dort helfen, wo er es kann.

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