Nie wieder tanzen: Im „Ziegler“ wird gerade alles ausgeräumt. Foto: pr
Von Anica Edinger
Heidelberg. Jahrelang war es nur ein Gerücht, jetzt ist es Realität: Das Billy Blues im "Ziegler" in der Bergheimer Straße 1b gibt es nicht mehr. Am Wochenende haben die Mitarbeiter angefangen, den Traditionsclub auszuräumen. Barhocker und Stühle wurden verschenkt, Teppiche rausgerissen, am gestrigen Montag waren Techniker da, um verschiedene Geräte auszubauen. "Hashtag vorbei" postet ein ehemaliger "Ziegler"-DJ am Sonntagabend im sozialen Netzwerk Instagram. Hunderte bekunden ihr Entsetzen darüber. Inhaber Gerhard Bollack bestätigt schließlich am Montag auf RNZ-Anfrage: "Das Ziegler ist gestorben."
Bollack eröffnete seinen Laden in den ehemaligen Räumen der "Schlossquell"-Brauerei im Jahr 1987. Es war ein Mix aus Club und Lokal, vorne trinken und essen, hinten tanzen. Es lief jahrzehntelang gut für die Geschäftsleute. Das "Ziegler" war Treffpunkt unterschiedlichster Generationen, es war aber auch Bühne für lokale Künstlerinnen und Künstler, häufig fanden dort etwa auch Salsa-Partys statt.
Seit zehn Jahren nun liegt Bollack schon im Clinch mit seinem Vermieter – einem Düsseldorfer Immobilienunternehmen, das in Heidelberg mehrere Gebäude vermietet, darunter auch das Café Rossi und das Restaurant Merlin. Grund für den Streit sei laut Bollack auch der schlechte Zustand des gesamten Gebäudes – und die Weigerung des Vermieters, in Sanierungen zu investieren. "Das Ding ist eine Bruchbude", sagt Bollack, "die Vermieter lassen alles verrotten." Der Rechtsstreit mit den Düsseldorfern sei mit den Jahren "immer schlimmer" geworden, deren Anwälte "schmierig und link". Die Nebenkosten seien zu hoch, bei der Miete in Corona-Zeiten zeigte sich der Vermieter auch nicht flexibel.
Auch aufgrund der Unsicherheit im Zuge der Corona-Krise habe der Clubbetreiber nun die Reißleine ziehen müssen. Für Bollack, aber auch für Heidelberg ist es das Ende einer Ära, das Ende einer alten Heidelberger Institution. "Mir tut es leid für die jungen Leute in der Stadt", sagt der Bollack – und fragt: "Wo soll Eure Jugend denn noch hin?"
Immerhin reiht sich das "Ziegler" ein in die mittlerweile lange Liste gestorbener Clubs in der Stadt: Nachtschicht, Schwimmbadmusikclub, Häll, Halle 02: All das gibt es nicht mehr. Bollack findet: Um die Lebendigkeit in der Stadt ist es schon längst geschehen, "hier lebt nichts mehr". Für die Interessen der Jugend werde überhaupt nichts mehr getan – weder vonseiten der Verwaltung noch vonseiten der Politik. Wenn Corona vorbei sei, wolle man doch wieder tanzen gehen. Doch: "Dafür gibt es nichts mehr", sagt Bollack. Wolle man das ändern, müsste die Stadt Herzblut in die Sache stecken. "Das macht aber keiner."
Schwer trifft das auch die Mitarbeiter, zum Beispiel Umut Kuyucu, 13 Jahre lang Cheftürsteher. "Es ist tragisch", sagt er, "man kann es kaum in Worte fassen." Als am Sonntag bekannt wurde, dass der Club ausgeräumt und das Inventar teilweise verschenkt wird, seien unzählige Leute gekommen, die sich noch ein Stück "Ziegler" sichern wollten. Manche kamen mit Teppichmessern, Poster wurden mitgenommen, Barmatten. "Das war super emotional", so Kuyucu. Auch Bollack gesteht, dass er in den letzten Tagen ziemlich "depri" war. Am Montag sagte er nur noch bitter: "So ist das im Leben. Irgendwann ist alles vorbei."