Unterricht an der Theodor-Heuss-Realschule: Alle 20 Minuten muss dort wie auch an allen anderen Schulen gelüftet werden. Das sorgt auch schon einmal für Klagen seitens der Schülerinnen und Schüler. Nun gehen sie in vorgezogene Weihnachtsferien. Foto: Schröpfer
Von Anica Edinger
Heidelberg. Baden-Württemberg startet in die Weihnachtsferien – wegen Corona schon sieben Tage früher. Der Betrieb unter Pandemiebedingungen lief seit dem Schulstart im September nun für rund 14 Wochen. 159 Schüler in Heidelberg haben sich in dieser Zeit mit Corona infiziert. Klassen mussten in Quarantäne, Lehrer von zu Hause aus unterrichten. Was lief gut, was nicht – und was erhoffen sich die Schulen für 2021? Die RNZ hat sich umgehört.
> Der neue Lockdown: "Überfällig" und "folgerichtig", findet Volker Nürk, Schulleiter am Bunsen-Gymnasium, die am Sonntag verkündeten Schulschließungen im Land. Ebenso Steffen Englert vom St. Raphael Gymnasium, der die Schließung "wichtig" und "richtig" findet: "Auch die Lehrer sind in ihrem Privatleben vielleicht Vater von Kindern oder Tochter von älteren Eltern." Auch diese bräuchten die Chance einer vorweihnachtlichen Quarantäne. Nürk allerdings wundert sich, dass in den verbleibenden Tagen bis zu den regulären Weihnachtsferien nur die Abschlussjahrgänge online unterricht werden. Öffentliche wie private Gymnasien hätten in den letzten Wochen und Monaten "etliches unternommen, damit im Falle einer Schulschließung adäquater Fernunterricht angeboten werden kann". Andererseits meint Nürk: "Ich freue mich für unsere Lehrkräfte für diese unverhoffte Entlastung in der Vorweihnachtszeit." Denn Lehrende hätten im Regelbetrieb unter Pandemiebedingungen Immenses geleistet. Kritik übt Andrea Merger, Schulleiterin am Hölderlin-Gymnasium, an der späten und kurzfristigen Anordnung aus Stuttgart. Diese stelle die Schulen vor "große organisatorische Herausforderungen", insbesondere, wenn eine Notbetreuung organisiert werden müsse – ohne den Bedarf zu kennen.
> Luftfiltergeräte: Viel wurde diskutiert über Sinn und Unsinn von Luftfilteranlagen für Klassenräume. Nun hat die Stadt 74 Geräte bestellt, die an neun Schulen nach den Weihnachtsferien installiert werden sollen. Nicht alle halten die Geräte aber für wirklich nützlich. Stefan Klinga etwa von der Johannes-Kepler-Realschule erklärt: "Die Luftfilter-Geräte sind oft groß und nehmen einiges an Platz ein. Nach meiner Meinung wäre es sinnvoller, die Klassengröße zu reduzieren." Dennoch bringe auch das viele Lüften Probleme mit sich. "Es ist sehr laut. Zudem ist es sehr kalt bei uns. Manchmal denke ich, ich wäre im Skilandheim." Laut Martin Döpp von der Elisabeth-von-Thadden-Schule haben sich dort alle ans Lüften gewöhnt. Und Englert sagt: "Wir haben uns darauf eingestellt." Schüler seien angehalten, sich im "Zwiebellook" – also in mehreren Lagen – zu kleiden. Sie dürften auch Decken mitbringen. Die Kälte jedenfalls scheine die Kinder abgehärtet zu haben: "Die Krankheitssituation ist wesentlich beruhigter als in den vergangenen Jahren", so Englert.
> Maske tragen, Abstand halten: Andreas Wittemann von der Willy-Hellpach-Schule erklärt, dass die Maskenpflicht "unter Aufsicht, auf den Fluren und im Unterricht" sehr gut eingehalten werde. Aber: "Sind die Lernenden etwa in Pausen unbeaufsichtigt, halten sich nicht alle dran." Auch Englert findet es blauäugig zu denken, dass Jugendliche die Pflicht nicht auch mal unterwandern wollten. Klinga erzählt: "Manche der Älteren empfinden das Masketragen als ,nicht cool’." Und: "Bei einigen ist eine gewisse ,Coronamüdigkeit’ festzustellen, die zu immer mehr Verstößen führt." Für die Lehrkräfte sei es deshalb ein "wahnsinniger Zeit- und Energieaufwand, die Einhaltung der Regeln zu überwachen". Aufsichten wurden verdoppelt, sodass einige Lehrer keine Pausen mehr hätten. Dass an der Theodor-Heuss-Realschule wegen der Auflagen nur fünf Klassen auf den Pausenhof können – die anderen müssen drinnen bleiben –, führe "zu häufigen Spannungen", so Schulleiterin Tanja Heßlein. Jutta Köhler von der Marie-Baum-Schule berichtet: "Bei fast erwachsenen Schülern, die die Freizeit miteinander verbringen, im ÖPNV eng beieinandersitzen oder -stehen, ist es sehr schwer, die Abstandsregeln einzufordern." Am Raphael hat man eine Lösung gefunden: zeitversetzte Bewegungspausen. Klassen hätten dadurch nur mit der Lehrkraft im Freien Pause. "Damit mischen sich bei uns keine Jahrgänge und nicht einmal Klassen!"
> Digitaler Unterricht: Mit der Umstellung aufs Heimlernen mussten sich alle Schulen seit März beschäftigen. Es gab Fortbildungen, Konferenztools wurden installiert und erprobt, Handreichungen geschrieben, die klären, was beim Fernunterricht wichtig ist. Am Thadden gibt es sogar eine "Chatikette" – also Verhaltensregeln für den Chat. Dennoch sehen alle Schulen Nachholbedarf – besonders bei der Ausstattung mit Endgeräten und stabilem Internet. "Viele Schüler haben nur Handys und die sind für den Unterricht etwas klein. Oft ist kein Drucker vorhanden, das Internet nicht immer stabil", so Klinga. Laut Heßlein werde Onlineunterricht zudem häufig nicht so ernst genommen wie der in Präsenz. Auch Wittemann sagt, dass instabiles Internet Probleme bereite. Zudem tauchten einige im Fernunterricht gerne mal ab – etwa indem sie ihr Video abschalteten. Lehrer seien gezwungen, ihre eigenen Geräte und Anschlüsse zu Hause zu nutzen, so Englert. Zwar gebe es nun Gelder für die Ausstattung – doch die Geräte seien noch nicht da. Auch Klinga sagt: "Die versprochenen Lehrer-Laptops müssen kommen." Zudem müssten viele Fragen zum digitalen Unterricht geklärt werden: "Wie bekomme ich Online- und Präsenzunterricht unter einen Hut? Darf ich Schüler ,zwingen’, ihre Kamera und Mikros anzuschalten?"
> Wünsche für 2021: "Rechtzeitige und realistische Umsetzungsvorgaben": Das wünscht sich Heßlein von der Landesregierung. Ebenso Wittemann, der sagt: "Die Schulen sollten Informationen nicht erst aus den Medien erhalten, sondern über die Kultusverwaltung." Daran schließt auch Martin Döpp an, der sich an der "Kommunikation über Pressemitteilungen" stört und sich insbesondere wünscht, dass in künftige Entscheidungen die "Verantwortlichen vor Ort" einbezogen werden. Das sagt auch Englert: "Experten und am Schulleben Beteiligte müssen in die Diskussion und Planung einbezogen werden." Denn vieles, was vom Kultusministerium angeordnet werde, sei "fernab von der Schulrealität".