Polizistin Stephanie Schick erklärt Sami Khaldoun, dass ein Fußgängerbereich wie der Bismarckplatz für seinen E-Roller tabu ist. Foto: Alex
Von Micha Hörnle
Heidelberg. Ja, wenn alle E-Roller-Fahrer so einsichtig wären wie Sami Khaldoun. Der Jugendliche aus dem Hasenleiser (Stadtteil Rohrbach) will gerade munter vom Bismarckplatz losbrausen, da erklärt ihm Stephanie Schick vom Polizeirevier Mitte freundlich, aber bestimmt, dass in einem Fußgängerbereich die E-Scooter tabu sind. Sie dürfen nur geschoben werden. Sami bedankt sich höflich: "Ich werde das berücksichtigen. Eigentlich fahre ich ja meistens mit dem Rad, das heute war das zweite oder dritte Mal auf dem E-Roller."
Am Donnerstag setzte die Polizei ihre am Mittwoch angelaufene E-Roller-Kontrollwoche in der ganzen Metropolregion auch in Heidelberg fort. Neben Stephanie Schick ist auch ihre Kollegin Ronja Berberich auf Streife am Bismarckplatz, begleitet von ihren Vorgesetzten vom Revier Mitte, Uwe Schrötel und Volker Jungkind. Mit im Boot ist auch die Stadt: Der Gemeindevollzugsdienst (GVD) kontrolliert die Hauptstraße. Doch am Donnerstag lassen sich wenige E-Roller-Fahrer blicken: "Das ist wohl der Vorführeffekt", sinniert Polizistin Berberich.
E-Scooter-Kontrolle in Heidelberg
Kamera/Interview/Produktion: Reinhard Lask
Dafür sind in den zwei Stunden, in denen die RNZ die Polizistinnen begleitet, die Radfahrer die "Bösen". Im Minutentakt könnte man sie auf dem Bismarckplatz oder in der Hauptstraße vom Sattel holen. Und so berichtet auch ein Mitarbeiter des GVD: "Kein Rollerfahrer in der ganzen Hauptstraße, dafür aber drei Radfahrer. Die haben wir mündlich verwarnt." Zwei Stunden später treffen Schick und Berberich den GVD-Mann: "Wieder nichts."
Die fettere Beute sind die Radfahrer: Mal rollt eine junge Frau fröhlich am Handy plaudernd über den Bismarckplatz - und bekommt einen Strafzettel über 55 Euro. Andere, ohne Handy am Ohr, werden einfach nur freundlich ermahnt. Zeit genug, eine erste Bilanz drei Wochen nach Einführung der Miet-E-Roller zu ziehen: Laut Revierleiter Schrötel gab es zwei Unfälle, dabei war ein Fahrer betrunken. Doch am meisten Arbeit machen die unkoordiniert abgestellten Roller, die oft auf den Gehwegen zu Hindernissen werden. Dann geht ein Bußgeldbescheid an die Berliner Zentrale der Verleihfirma "Tier" - "bisher so um die 20", sagt Schrötel.
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Doch dann, endlich: In der Sofienstraße will ein junger Mann mit zwei Stöpseln im Ohr auf einen E-Roller steigen: "Ein Stöpsel ist zulässig, aber mit zwei hören sie nichts mehr vom Verkehr", erklärt Schick. Der Angesprochene reagiert freundlich: "Vielen Dank für die Info. Es geht ja auch um meine Sicherheit."
Mehr Pech hat ein junger Koreaner, der beschwingt vom Bismarckplatz in Richtung Sofienstraße losdüsen wollte. Von ihm hören die beiden Polizistinnen die üblichen Ausreden: "Es tut mir leid, ich mache das zum ersten Mal. Ich wollte nur schnell nach Hause." Darf er auch, aber auf dem Radweg.
In den nächsten Tagen trudelt an seiner Neuenheimer Adresse ein Ordnungswidrigkeitsbescheid der Stadt ein: 15 Euro wegen Fahrens im Fußgängerbereich. Ein interessanter Grenzfall ist ein junges Paar, dessen privater E-Roller auf dem Bismarckplatz steht. Er sieht schon optisch ganz anders aus als die "Tier"-Leihmodelle: grell-orange und mit richtigem Sitz. Auch dieses Exemplar aus chinesischer Produktion hat ein grünes Versicherungskennzeichen, aber Berberich und Schick geht es darum, ob es auch eine Betriebserlaubnis für das gerade gekaufte Gefährt gibt. Darum hat sich das Paar keine Gedanken gemacht, sie sollen das Dokument auf dem Revier nachreichen.
Von den insgesamt sechs Rollerfahrern, die im Laufe der zwei Stunden kontrolliert werden, wissen die wenigsten etwas über die Verkehrsregeln. Sami hat immerhin schon gehört, dass man nicht betrunken fahren darf. Tatsächlich gilt die Promillegrenze wie beim Auto: Ab 0,3 Promille ist man im Bereich einer "relativen Fahruntüchtigkeit", ab 0,5 Promille begeht man eine Ordnungswidrigkeit (und bekommt definitiv ein Fahrverbot).
Ab 1,1 Promille macht man sich strafbar. Das mit dem Fußgängerbereich nehmen viele nicht so genau. Vielleicht hält man sich da auch an die vielen Radler, denen es auch recht wurscht ist, ob man sich durch die Fußgänger durchwuseln darf.
Aber den Vogel schießt ein junger Mann ab, der sich gerade einen E-Roller am Bismarckplatz schnappen will. Er wird noch höflich von Polizistin Berberich belehrt, dass er hier nicht fahren darf; er sagt auch noch artig: "Ich weiß ja, dass gerade die E-Scooter kontrolliert werden." Und dann düst er quer über den Bismarckplatz davon, schießt am Drogeriemarkt Müller auf den Radweg und braust entgegen der Fahrtrichtung zur Atos-Klinik. Uneinholbar für die Fußstreife. Polizeisprecher Michael Klump fällt dazu nur ein: "Das war schon mehr als frech!"