Von Denis Schnur
Heidelberg. Ab 23. Januar diskutieren die städtischen Gremien weiter über den künftigen Standort des Landesankunftszentrums für Flüchtlinge. Der Flüchtlingsrat Baden-Württemberg spricht sich deutlich gegen das Gewann Wolfsgärten in Wieblingen aus. Im RNZ-Interview erklärt Vorstandsmitglied Ulrike Duchrow wieso die Einrichtung in Heidelberg bleiben sollte. Die 81-jährige pensionierte Lehrerin ist seit über 20 Jahren auch beim Heidelberger Asyl-Arbeitskreis aktiv.
Ulrike Duchrow vom Flüchtlingsrat Baden-Württemberg findet das Areal Wolfsgärten in Wieblingen "schlicht inhuman". Foto: hen
Frau Duchrow, Sie waren selbst in den Wolfsgärten. Was war Ihr Eindruck?
Das ist ein abschreckender Ort, wo die Flüchtlinge nicht gut untergebracht wären. Er liegt zwischen zwei Autobahnen und einer Bahnlinie. Der Lärmpegel ist extrem hoch und nervig. Es gibt keine gute Möglichkeit, herauszukommen. Man muss ein ganzes Stück laufen. Und es ist weit ab von der übrigen Wohnbebauung. Das ist für die Unterbringung nicht gut - und widerspricht dem Flüchtlingsaufnahmegesetz von Baden-Württemberg.
Warum wäre eine gute Unterbringung so wichtig?
Die Flüchtlinge sind zu einem erheblichen Teil traumatisiert. Sie haben schlimme Erfahrungen vor und während der Flucht gemacht. Ich kenne Männer, die waren vier Jahre auf der Flucht in Afrika. Sie wurden ausgebeutet, waren gefangen in libyschen Lagern. Viele Frauen wurden vergewaltigt. Sie kommen dann hier nieder mit Kindern, die sie gegen ihren Willen empfangen haben. Und wenn sie hier in eine Situation kommen, die sie nochmal stresst, ist das schlicht inhuman. Da auch einige suizidgefährdet sind, ist eine Unterbringung an zwei Autobahnen und der Bahnlinie sicher unglücklich.
Der Flüchtlingsrat spricht sich stattdessen für einen Verbleib des Zentrums auf Patrick-Henry-Village aus. Dort wird es in den nächsten Jahren auch keine Nachbarn geben.
Zunächst wird das sicher so sein, aber in absehbarer Zeit wird es dort Nachbarn geben. Außerdem bietet das Gelände in PHV schon jetzt viel mehr Bewegungsraum und damit auch mehr Gelegenheit für Aktivitäten und Begegnungen.
PHV liegt weiter von der Innenstadt entfernt als die Wolfsgärten.
Aber da gibt es einen Shuttlebus.
Den das Land auch für die Wolfsgärten verspricht.
Das stimmt und das wäre sicher eine Erleichterung, wenn es dort häufig einen Shuttlebus gäbe - auch nach Wieblingen. Das ist ja auch nicht so nah.
Ihr wichtigstes Gegenargument ist die Nähe zur Autobahn. Aber PHV liegt ebenfalls direkt an der A5.
Ich war schon öfter dort und es ist nicht so laut. Dort gibt es ja auch keine zwei Autobahnen und eine Bahnlinie.
Das Land verspricht, auf den Wolfsgärten alle baurechtlichen Vorgaben einzuhalten - etwa beim Lärmschutz. Wenn mit Wällen der Pegel niedrig gehalten werden kann - könnten Sie sich das Zentrum dort vorstellen?
Ich bin keine Architektin und weiß nicht, wie das dann aussehen wird. Ich könnte mir vorstellen, dass Lärmschutzwände sogar zur Unwirtlichkeit beitragen, weil sie hoch und unter Umständen nicht durchsichtig sein müssten. Im Moment kann man wenigstens auf die Berge schauen - das wäre dann nicht mehr möglich. Außerdem denke ich, dass das eine große Investition wäre. Wenn man diese tätigt, will man das auch lange nutzen. Es ist ja nicht zu rechtfertigen, so viel Steuergeld auszugeben, wenn es nur vorübergehend ist.
Wenn der Flüchtlingsrat entscheiden dürfte, würde das Zentrum dann auf PHV bleiben?
Ja. Ich denke, man kann da einen Teil abtrennen. Es muss ja nach den Vorgaben des Landes geschlossen sein, damit keine unbefugten Personen reinkommen. Das ist bedauerlich, aber wohl nötig. Aber die Leute könnten raus und hätten einen großen Rahmen, indem sie sich bewegen könnten. Das wäre ein großer Vorteil.
Von der IBA, die PHV plant, heißt es, es sei unmöglich, ein eingezäuntes Zentrum in einen modernen Stadtteil zu integrieren. Können Sie das nachvollziehen?
Natürlich. Aber das ist eine Güterabwägung: Ich denke nicht, dass man Flüchtlinge schlecht unterbringen sollte, nur um architektonische Ideen umzusetzen. Es muss eine Lösung geben, die beidem gerecht wird und das Zentrum, so weit es geht, integriert. Dadurch, dass die Flüchtlinge raus können, scheint mir eine Integration im Stadtteil durchaus möglich.
Wobei ein Ankunftszentrum ja nicht die Aufgabe hat, zu integrieren.
Das ist richtig, aber die Menschen sollten doch nicht das Gefühl haben, hier seien sie nicht willkommen.
Und das Areal Wolfsgärten vermittelt dieses Gefühl?
Ganz bestimmt, ja.
Aber Sie würden begrüßen, wenn das Zentrum in Heidelberg bleibt?
Hier gibt es viele sehr aktive Ehrenamtliche. Deshalb finde ich es in der Tat wünschenswert, dass das Zentrum in Heidelberg bleibt. Man kann solch eine Willkommenskultur auch woanders aufbauen. Das würde aber einige Zeit dauern und dann ist nicht garantiert, dass es so gut gelingt - denn hier gibt es offenbar eine sehr aufgeschlossene Bevölkerung.