Hin- und hergerissen vom Dokumentarfilm über das Impfen (plus Trailer)
David Sievekings Dokumentation "Eingeimpft" im "Gloria"-Kino gezeigt - Kontroverse Debatte danach mit Ärzten und dem Regisseur

Regisseur David Sieveking (am Mikrofon) diskutierte mit der Tropenmedizinerin Annette Kapaun (links) und dem Kinderarzt Michael Friedl (rechts) über das Impfen. Peta Becker von Rose (2.v.l.) moderierte. Foto: Alex
Von Arndt Krödel
Heidelberg. Eine alltägliche Situation: Ein junges Elternpaar steht vor der Entscheidung, ob sie ihr Kind entsprechend den Empfehlungen eines bundesweiten medizinischen Fachgremiums impfen lässt oder nicht. Der Vater hat keine Probleme damit und würde es ohne Umschweife tun. Die Mutter hat Bedenken, zweifelt am Nutzen und ist eher dagegen. Zwei Positionen, die sich unvereinbar gegenüber stehen. Was tun?
Der Dokumentarfilmer David Sieveking hat daraus einen Film gemacht, der den Titel "Eingeimpft" trägt. Das klingt zunächst ein bisschen nach "Eintrichtern" oder "Einbläuen", und diese übertragene Bedeutung des Begriffs mag durchaus gewollt sein.
Sieveking hat bei den Recherchen zu seinem Film tatsächlich die Erfahrung gemacht, dass Impfbefürworter und -gegner ganz schön kategorisch sein können - und keine Bereitschaft zeigen, ihre eigenen Positionen hinterfragen zu lassen.
Sieveking, dessen Film jetzt in einer Sondervorstellung im "Gloria"-Kino gezeigt wurde, ist weder Arzt noch Wissenschaftler. Er wollte auch keinen Aufklärungsfilm machen, was angesichts der komplexen Sachlage auch eher als ein Ding der Unmöglichkeit gelten muss.
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Er wolle einfach zeigen, in welche Entscheidungsnöte und inneren Konflikte ein Elternpaar geraten kann, wenn es um die Impfung des eigenen Kindes geht. Er tut dies gekonnt, ja schon auf unterhaltsame Weise mit viel Witz und Selbstironie, denn das Kind - später kommt noch ein weiteres hinzu - ist sein eigenes.
Wenige Wochen nach der Geburt ihrer gemeinsamen Tochter Zaria stellen sich seine Lebensgefährtin Jessica und er der Impffrage: Sollen wir oder sollen wir nicht? Wie schon bei seinem vor fünf Jahren entstandenen Film über seine demenzkranke Mutter "Vergiss mein nicht" schöpft der 41-jährige Regisseur und Autor seinen Stoff aus seiner unmittelbaren persönlichen Umgebung und erreicht damit eine Authentizität, die es dem Zuschauer leicht macht, sich in die Problematik hineinzuversetzen.
Noch vor einigen Jahrzehnten hätte ein Elternpaar nicht lange gefackelt, wenn es um die Impfentscheidung ging. Mit einem "Nein" hätte man sich außerhalb der großen Gemeinschaft gestellt. Das Selbstbild eines mündigen, mitverantwortlich entscheidenden Patienten war damals noch nicht ausgeprägt.
Als die Uneinigkeit der Eltern offenkundig ist, macht sich Sieveking auf eine lange Recherche-Reise zum Thema Schutzimpfung. Sie führt ihn zu maßgeblichen wissenschaftlichen Instituten, zu einer anthroposophischen Klinik, in die Praxen von Hausärzten, auf wissenschaftliche Kongresse und zu Menschen, die aus ihrer ganz persönlichen Sicht sowohl positive als auch negative Erfahrungen mit dem Impfen gemacht haben.

Der Film "Eingeimpft" und die Diskussion nach der Filmvorführung im Gloria-Kino ließen viele der Zuschauer und Zuhörer ratlos zurück. Die vorhandene Verunsicherung nimmt der Film jedenfalls nicht. Fotos: Alex
Am Ende steht eine Entscheidung, was seine beiden Töchter betrifft. Doch darf man diese nicht für das Ganze nehmen, denn Sievekings Film maßt sich nicht an, fundiertes Argumentationsfutter für die eine oder andere Seite zu liefern. Insofern ist er von vielen deutschen Leitmedien missverstanden worden, wie er auch in der anschließenden Publikumsdiskussion erklärt: Man warf ihm vor, statt Aufklärung Zweifel gesät zu haben.
Der Regisseur versteht seinen Film als Anregung, differenzierter mit dem Thema umzugehen, als Angebot zu Gesprächen - er möchte eine Brücke schlagen in einer sich unversöhnlich darstellenden Debatte. Das ist ihm in großen Teilen seines Films gelungen.
Wie die Diskussion zu dem Film mit zwei Medizinern, dem Regisseur und dem Publikum zeigte - moderiert von der Heidelberger Internistin und Hausärztin Peta Becker von Rose -, gibt es tatsächlich Bedarf an einer differenzierten Herangehensweise an das Thema. Annette Kapaun, Ärztin für Tropenhygiene an der Uniklinik Heidelberg, bemängelte, der Film liefere zu viele Fragezeichen und führe zur Verunsicherung der Eltern.
Fachgremien wie der Ständigen Impfkommission (STIKO) dürfe man vertrauen. Diese unabhängigen Experten entwickeln Impfempfehlungen für Deutschland und berücksichtigen dabei nicht nur deren Nutzen für das geimpfte Individuum, sondern auch für die gesamte Bevölkerung.
Auch Michael Friedl, Facharzt für Kinderheilkunde und Jugendmedizin in Heidelberg und Vorsitzender des Vereins "Ärzte für individuelle Impfentscheidung", konstatierte sehr viele offene Fragen, allerdings mit einer anderen Schlussfolgerung, dass nämlich "impfen nicht harmlos" sei. Die bloße Infragestellung werde bereits als "unstatthaft" empfunden, so seine Kritik. Er sieht die Impfentscheidung letztlich in der Verantwortung jedes einzelnen Elternpaars.
Mit dem Satz, er fühle sich ein bisschen "hin- und hergerissen", beschrieb ein Zuschauer, selbst Vater von drei Kindern, seinen Eindruck vom Film - vielleicht die treffendste Zusammenfassung des Abends.