Der Wissenschaftsjournalist Lars Fischer referierte über die chemische Evolution. Screenshot: Wilk
Von Jannik Wilk
Heidelberg. Wie ist die Welt entstanden? Woraus bestehen Menschen? Warum gibt es uns überhaupt? Das sind Fragen, die Menschen seit Jahrtausenden fesseln, mit denen sich auch schon die Philosophen Platon und Aristoteles beschäftigt haben. Dem Heidelberger Chemiker und Wissenschaftsjournalisten Lars Fischer reicht Philosophieren nicht. Er wollte die Entstehung der Welt genauer erklären, im Kleinsten des Kleinen: Am vergangenen Wochenende präsentierte er interessierten Zuschauern die unmittelbaren stofflichen Zusammenhänge vom Ursprung weltlichen Lebens: die chemische Evolution.
Den Rahmen dafür bot das internationale Wissenschaftsfestival "Geist Heidelberg" des Deutsch-Amerikanischen Instituts (DAI). Diesmal tat sich das DAI mit dem Wissenschaftsverlag Springer Nature zusammen. Deren Autoren erzählten im Livestream von ihren Fachgebieten. "Den Geschmäckern der Wissenschaft" wollte man nachgehen – das Motto: "Taste Of Science – Ich will’s wissen". So auch Lars Fischer. Der Redakteur des Wissenschaftsmagazins Spektrum wusste sich in kompetenter Gesellschaft: Es sprachen unter anderem die Chefredakteurin des britischen Fachmagazins Nature, Magdalena Skipper, die Mathematikerin Carla Cederbaum, der Wirtschaftsinformatiker Hubert Österle und auch Michael Nolting, Experte für Künstliche Intelligenz.
Und wie ist es nun entstanden, das weltliche Leben? Um dem auf den Grund zu gehen, sei es laut Fischer nötig, dessen genetischen und chemischen Bauplan zu untersuchen: "Man muss ein bisschen genauer hingucken, was all diese komplexen Lebewesen gemeinsam haben, was die grundlegenden Kernaspekte des Lebens sind." Diese Kernaspekte nämlich müssten in den ersten Funken weltlichen Lebens vorhanden gewesen sein. Die ersten Teile unserer Existenz, die Moleküle, entstanden nicht auf unserer Erde, sondern im Universum. Sie sammelten sich in interstellaren Wolken, angereichert mit Grundbausteinen des Lebens, etwa Sauerstoff, Kohlenstoff, Stickstoff oder Schwefel. Wie die Wolken entstanden, ist bis heute unklar.
Eines Tages kollabierte eine dieser angereicherten Molekülwolken, erklärt Fischer, und hinterließ einen Stern: unsere Sonne. Aus ihr bildeten sich Planeten, Monde, Asteroiden und auch ein Prototyp unserer Erde. Viel übrig an möglichem Leben blieb allerdings nicht. Das meiste verdampfte im Inferno des Feuers. Die flüchtigen Lebensstoffe, die entkommen konnten, sammelten sich in der Peripherie, in gefrorenen Kometenkernen – Fischer nennt sie "schmutzige Schneebälle". Sie regneten auf die junge Erde, brachten Wasser und organische Materie. Damit fanden die Grundstoffe des Lebens Eingang in unsere Welt. In letzter Konsequenz bestehen wir aus Sternenstaub.
Was dann geschah, ist eine Frage, mit der sich die Menschheit seit Charles Darwin beschäftigt, der sich 1871 einen kleinen, warmen Tümpel vorstellte, angereichert etwa mit Phosphorsalz und Ammonium. In diesem wohligen Zuhause könnten sich laut Darwin Moleküle zusammengefunden und Leben geschaffen haben. Andere von Fischer skizzierte Theorien vermuten "schwarze Raucher" auf dem Meeresboden als Urheber weltlichen Lebens, wieder andere sprechen davon, dass wir uns dem Eis verdanken.
Die Komposita, die aus dem Mischmasch der Moleküle entstanden, waren die drei konzentrierten Grundsysteme von Leben: das Erbgut, Proteine für den Stoffwechsel, und die Zellmembran, die als Hülle dient. Alles also, was ein Lebewesen braucht. Was davon zuerst existierte? Das kann noch niemand abschließend beantworten. Auch Lars Fischer nicht.