Von Denis Schnur
Heidelberg. Für Markus Rothfuß sind es spannende Zeiten. Der Landespolizist hat in Patrick-Henry-Village ab 2014 das Ankunftszentrum für Geflüchtete mit aufgebaut und leitet die Einrichtung heute. Jetzt wartet er auf die Entscheidung, wohin diese verlagert werden soll. Warum für ihn der Gäulschlag geeigneter als die Wolfsgärten ist, und warum er Oberbürgermeister Eckart Würzner zum Teil deutlich widerspricht, erklärt er im RNZ-Interview.
Herr Rothfuß, angenommen, Sie dürften selbst zwischen Wolfsgärten und Gäulschlag wählen. Wohin würde das Ankunftszentrum ziehen?
Das ist eine Frage, die sich für mich nicht stellt. Ich könnte sie aber relativ einfach beantworten: Der Gäulschlag ist flächenmäßig besser geeignet. Wir haben ja der Stadt einen Entwurf für ein idealtypisches Ankunftszentrum mit zehn Hektar zugeleitet. Die Wolfsgärten haben acht Hektar, da könnten wir kein idealtypisches, sondern ein mit Einschränkungen versehenes Ankunftszentrum errichten. Insofern wäre mir nicht unbedingt der Gäulschlag, aber doch jedes Grundstück lieber, das etwas größer ist.
Acht Hektar wären zu wenig, findet Zentrumsleiter Markus Rothfuß. Foto: Philipp RotheAber der Gemeinderat hat die Maximalfläche ohnehin auf acht Hektar begrenzt – unabhängig vom Standort.
Auch dann sind die Begrenzung und die Erschließungsmöglichkeiten des Gäulschlags etwas großzügiger als in den Wolfsgärten.
Aktuell sind in PHV um die 1300 Menschen untergebracht. Das Land will aber ein Ankunftszentrum mit 3500 Plätzen schaffen. Warum?
Weil wir aus den Erfahrungen von 2015 gelernt haben. Ich glaube, es gäbe kein Verständnis in der Bevölkerung, wenn wir uns nicht vorbereiten auf Szenarien, in denen die Zahlen ansteigen. 2015 hatten wir teilweise Zugänge von mehreren Tausend Menschen am Tag. Jetzt gehen wir davon aus, dass wir mit einem Zugang von landesweit 1300 Menschen täglich umgehen müssen. Deshalb haben wir hochgerechnet mit allen Liegenschaften, die wir landesweit haben, dass wir wie bisher in Patrick-Henry-Village in einem Ankunftszentrum 3500 Plätze brauchen.
Auf acht Hektar könnten Sie wohl nur 1500 bis 2000 schaffen.
Das kommt auf die Planungen an. Wir müssen etwa schauen, wie viele Stockwerke man bauen kann. Ob wir auf acht Hektar dann 1500, 2000 oder 2500 Plätze unterkriegen, müssen wir sehen. Aber Fakt ist wohl, dass wir dort 3500 Plätze nur sehr schwer bis gar nicht hinbekommen.
Also bräuchte man weitere Quartiere. Wo sollen die sein?
Da gibt es noch keine konkreten Pläne. Bei Standortsuchen sind wir immer auf die Kommunen angewiesen. Je näher diese Einrichtungen zum Ankunftszentrum sind, desto besser. Insofern würden wir natürlich in der direkten Nähe schauen. Aber es müsste nicht zwangsläufig Heidelberg sein. Das könnte der Rhein-Neckar-Kreis sein, das kann aber auch bis Mannheim reichen.
Wären das leere Wohnungen, die man einfach vorhält?
Wir benötigen Gemeinschaftsunterkünfte. Dabei kommt es darauf an, welche Angebote wir bekommen. Ob wir einen Teil oder eine ganze Einrichtung in den Standby-Betrieb nehmen, kann man erst entscheiden, wenn man die Angebote geprüft hat.
Das würde bedeuten, dass man möglichen Wohnraum leer lassen würde – trotz massivem Wohnungsmangel. Können Sie die Forderung verstehen, das Zentrum im ländlichen Bereich zu bauen – etwa auf der Schwäbischen Alb?
Natürlich. Dort kann man zwar ein Ankunftszentrum bauen, aber nicht personell bestücken. Wir haben jetzt schon Probleme, Fachkräfte zu finden. Wir haben beim Bundesamt hochkompetente Fachkräfte, wir haben Mediziner, Assistenzpersonal, Dolmetscher, Erzieher – alles Berufe, die wir im ländlichen Bereich kaum finden werden. Und das Land hat durchaus auch eine Verantwortung für die knapp 500 Beschäftigten im Ankunftszentrum.
Liegt es nicht auch daran, dass die Akzeptanz in Heidelberg höher ist? Alle anderen Kommunen haben dem Land ja offenbar abgesagt.
Wir freuen uns sehr, dass wir diese Akzeptanz in Heidelberg genießen, und sind der Stadt – auch in Person von Oberbürgermeister Eckart Würzner – sehr dankbar dafür, dass wir hier sein dürfen. Aber ich glaube, wir tun auch einiges dafür, uns diese Akzeptanz zu verdienen. Und dazu hatten wir nunmal nur in Heidelberg die Chance. Insofern will ich das jetzt nicht überbewerten, aber es ist ein ganz wichtiges Pfund, und es wäre für uns natürlich sehr schön, wenn wir hier auch weiter machen könnten. Aber es ist auch kein Totschlagkriterium. Ansonsten müsste man schauen, wie man sich diese Akzeptanz an einem anderen Standort verdient.
Wenn der Gemeinderat sowohl die Wolfsgärten als auch den Gäulschlag ablehnen würde, was wäre der nächste Schritt des Landes?
Das wäre für uns sehr schwierig. Wir brauchen ein funktionales Ankunftszentrum. Wir können das nicht aufgeben, bevor wir einen anderen Standort haben. Wir würden dann notgedrungen in eine weitere Standortsuche einsteigen, aber die ist sehr schwierig. Wir wären darauf angewiesen, dass wir Standorte angeboten bekommen. Wir hatten ja im Vorlauf große Bemühungen unternommen und uns vor allem an Konversionsflächen orientiert. Die sind aber verplant oder anderweitig genutzt. Deshalb kann ich mir nur schwer vorstellen, wie wir – vor allem zeitnah – eine Alternative finden könnten.
Der einfachste Weg wäre es doch, an den Bund heranzutreten und einen Teil von PHV zu beanspruchen.
Darüber würde ich jetzt ungern spekulieren – gerade, weil wir sehr dankbar gegenüber dieser Stadt sind. Ich gehe davon aus und hoffe, dass wir im Gemeinderat eine Mehrheit bekommen für einen Standort. Falls nicht, müsste man danach mit der Stadt gemeinsam überlegen, welche Alternativszenarien es gibt.
Der Gemeinderat hat PHV bereits als Standort abgelehnt. Aber wäre ein Umzug innerhalb des Areals für Sie nicht die einfachste Lösung?
Wir hatten ja schon in den anderen Suchläufen Liegenschaften auf Konversionsflächen favorisiert. Insoweit ja: Das wäre tatsächlich eine Option, die wir prüfen würden, sofern wir von der Stadt dafür grünes Licht bekommen. Bislang ist das aber nicht erfolgt.
Laut OB Würzner würde der Landesrechnungshof aber nicht zulassen, dass für einen Umzug über wenige Hundert Meter so viel Geld in die Hand genommen wird. Teilen Sie diese Einschätzung?
Nein. Ob das jetzt 100 Meter oder fünf Kilometer sind: Die Kosten wären die gleichen. Wir haben hier einen ungünstigen Standort in der Mitte von PHV. Das ist allgemein anerkannt und deswegen würden wir eine Verlegung an einen Randbereich von PHV als mögliche Variante erachten – aber nicht gegen den Willen der Stadt.
Sollte es dazu kommen, befürchtet der OB, dass Sie sich nicht an die acht Hektar halten, sondern einfach vom Bund zehn Hektar anfordern könnten. Das wäre für Sie ja deutlich einfacher.
Das wäre für uns natürlich die Ideallösung. Aber wir werden uns immer bemühen, mit der Stadt eine Konsensvereinbarung zu schließen. Aber ich möchte das auch bewusst hier offenlassen. Das wäre dann ein neuer Standort, eine neue Prüfung und eine neue Verhandlung.