Heidelbergs OB Würzner will auch die 5. Neckarquerung prüfen lassen

OB-Interview zur gescheiterten Straßenbahn ins Neuenheimer Feld - Uni und Stadt wollen unabhängigen Verkehrsgutachter einsetzen

17.07.2016 UPDATE: 18.07.2016 06:00 Uhr 3 Minuten, 52 Sekunden

 Foto: Lossen/Eisnecker

Von Holger Buchwald

Tausende von Pendlern und Angehörige von Patienten stehen täglich in der Berliner Straße und im Neuenheimer Feld im Stau. Wie soll es nun mit dem Verkehr dort weitergehen, nachdem der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg das Straßenbahnprojekt im Mai beerdigt hat? Die schriftliche Urteilsbegründung liegt jetzt vor. Oberbürgermeister Eckart Würzner nimmt Stellung dazu.

Das Projekt Campus-Bahn ist gescheitert. Wie sieht nun Ihr Plan B aus? Wie lassen sich die Verkehrsprobleme im Neuenheimer Feld lösen?

OB Eckart Würzner will die Lösung der Verkehrsprobleme im Neuenheimer Feld neu angehen. Foto: Dorn

Es gibt noch kein ausgearbeitetes Konzept. Allein mit neuen Parkhäusern bekommen wir die Probleme jedenfalls nicht in den Griff. Im Gegenteil. Das würde eher noch mehr Autoverkehr anziehen und die Situation im Neuenheimer Feld verschlechtern. Von daher müssen wir uns jetzt sehr schnell mit der Universität und dem Land verständigen, welche Alternativen es zur Straßenbahn gibt. Aus meiner Sicht sind sie zwangsläufig alle schlechter, da sie nicht von Bund und Land gefördert werden und wohl auch kaum in der Lage sind, so viele Menschen in so kurzer Zeit von A nach B zu transportieren wie eine Campus-Bahn.

Welche kurzfristigen Verbesserungen wären überhaupt denkbar?

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Wir müssen alle Möglichkeiten prüfen - vom Ausbau der Busanbindung, einer Einrichtung von Busspuren bis zu einer Ausdehnung des Jobticket-Angebots auf alle Einrichtungen im Neuenheimer Feld sowie eine noch konsequentere Parkraumbewirtschaftung. Letzteres wäre wichtig, damit mehr Pendler auf öffentliche Verkehrsmittel umsteigen. Unser gemeinsames Ziel mit der Universität ist es nun, im Rahmen der Ausarbeitung eines Masterplans für das Neuenheimer Feld einen unabhängigen Verkehrsgutachter einzusetzen, der uns machbare Szenarien aufzeigt.

Hintergrund

> Eine Brücke zwischen dem Neuenheimer Feld und Wieblingen wurde bereits in den 1920er Jahren geplant - weil damals auf dem freien Feld ein neuer Stadtteil geplant war. Den gibt es nun - und zwar als wissenschaftlichen und klinischen Uni-Campus. Nicht einfacher wurde die

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> Eine Brücke zwischen dem Neuenheimer Feld und Wieblingen wurde bereits in den 1920er Jahren geplant - weil damals auf dem freien Feld ein neuer Stadtteil geplant war. Den gibt es nun - und zwar als wissenschaftlichen und klinischen Uni-Campus. Nicht einfacher wurde die Situation, als der Altneckar zu einem FFH-Gebiet, ein Naturschutzgebiet von europäischem Rang, erklärt wurde. Es ist fast unmöglich, gewaltig in ein solch naturnahes Gebiet einzugreifen. Daher schien eine konventionelle Brücke unmöglich. Zunächst wurde daran gedacht, einen Tunnel zu bauen, erste Kostenschätzungen vor knapp 20 Jahren gingen von 75 Millionen Euro aus. 2002 präsentierte die Universität Pläne einer "eingehausten" Brücke und einem Minitunnel an den Wieblinger Wohngebieten (Kosten: 23 Millionen Euro). Im Oktober 2005 wurden die Ergebnisse der Umweltverträglichkeitsuntersuchung veröffentlicht: Eine Brücke wäre ein zu gravierender Eingriff in die Natur. Und man könne auf sie verzichten, wenn alle anderen Maßnahmen (Ausbau des Nahverkehrs, Parkraumbewirtschaftung, Jobticket für Uni-Mitarbeiter und Umbau von überlasteten Verkehrsknoten) endlich angegangen würden. Den wichtigsten Baustein, die umstrittene Campus-Straßenbahn, beerdigte der Verwaltungsgerichtshof im Mai. hö

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Wäre auch - trotz der Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs - eine Straßenbahn denkbar? Vielleicht auf einer anderen Trasse?

Grundsätzlich ja. Aber eine Straßenbahn wird in den nächsten zehn bis fünfzehn Jahren nicht realistisch sein. Selbst wenn es ab 2019 ein neues Förderprogramm von Bund und Ländern gäbe, müssten wir wieder ein sechs- bis siebenjähriges Planungsverfahren durchlaufen, hinzu kommt die Bauzeit.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in seinem Urteil bemängelt, dass die Argumente im Planfeststellungsbeschluss für die Trasse "Im Neuenheimer Feld" nicht nachvollziehbar waren. Wie konnte das passieren?

Die Ausarbeitung des Planfeststellungsbeschlusses ist Aufgabe des Regierungspräsidiums. Es macht das seit Jahrzehnten und hat eine enorme Erfahrung. Es ist ja nicht so, dass in dem Beschluss beispielsweise nichts zur ebenfalls geprüften Trassenvariante über den Klausenpfad gestanden hätte. Dazu gibt es mehr als zehn Seiten - obwohl klar war, dass es für diese Varianten keine politische Mehrheit gibt, und dass sie eine deutlich schlechtere Versorgung für den Campus leistet, was wiederum die Förderung in Frage stellt. Eines muss ich hier aber auch sagen: Wir sind der Universität weitestgehend entgegengekommen - sowohl beim Erschütterungsschutz als auch bei der Verhinderung von Elektrosmog. Dass sie trotzdem an der Klage festhielt, ist für mich nicht nachvollziehbar.

Das ist doch legitim. Die Uni war grundsätzlich gegen die Trasse im Neuenheimer Feld. Für den Fall, dass sie vor Gericht doch verlieren sollte, hat sie mit der Stadt verhandelt, um möglichst viele Verbesserungen zu erreichen.

Das Problem ist aber, dass die Universität gar keine realistischen Alternativen aufgezeigt hat. Die Forderung nach einer Trasse im Klausenpfad hatte niemals eine politische Mehrheit. Ich halte es für tragisch, dass die Universität die Chance für eine Straßenbahnerschließung des Neuenheimer Feldes nicht höher gewertet hat. Bei einer Million Patienten pro Jahr an den Unikliniken und 30.000 Ein- und Auspendlern täglich hätten gerade auch die Beschäftigten, Studierenden und Patienten der Universität von der Straßenbahn profitiert.

Werden Sie nun Autoverkehrsprojekte vorantreiben - zum Beispiel die Fünfte Neckarquerung oder den Nordzubringer durchs Handschuhsheimer Feld?

Ob die Fünfte Neckarquerung kommt, kann ich nicht sagen. Es war aber schon vor 15 Jahren klar, dass eine Straßenbahn für die bessere verkehrliche Erschließung des Neuenheimer Feldes nicht ausreichen wird. Das damalige Gutachten kam zu dem Ergebnis, dass zuerst die Straßenbahn gebaut werden sollte, bevor im Flora-Fauna-Habitat am Altneckar in Wieblingen, einem Naturschutzgebiet von europäischem Rang, eine Brücke gebaut wird. Diese Möglichkeit haben wir auf absehbare Zeit nicht. Jetzt muss die Brücke wieder auf den Prüfstand, gemeinsam mit allen anderen denkbaren Möglichkeiten zur Verbesserung der Verkehrserschließung. Was das Ergebnis dieses Prozesses sein wird, kann heute niemand sagen.

Diese Vorschläge werden wieder für hitzige Diskussionen sorgen.

Deshalb wollen wir ja auch einen unabhängigen Verkehrsgutachter einsetzen. Wir brauchen jetzt unbedingt erst einmal eine saubere Faktenlage, bevor wir politisch entscheiden. Momentan gibt es nur Befürworter oder Gegner für die einzelnen Verkehrsprojekte, ohne dass wir die Daten und Fakten kennen.

Wann kann ein Gutachter bestellt werden? Die Ausarbeitung des Masterplans ist ja ein langfristiges Projekt.

Das Masterplanverfahren wird sich über mehrere Jahre hinziehen. Mit der besseren Verkehrsanbindung dürfen wir uns aber nicht so lange Zeit lassen. Spätestens wenn der Neubau der Chirurgie bezogen wird, brauchen wir Lösungen. Denn dann wird der Verkehr noch einmal deutlich zunehmen. Die Arbeit des Gutachters muss parallel laufen. Wir brauchen nicht nur mittel- und langfristige, sondern auch kurzfristige Vorschläge.

Macht eine Hochbahn von der Bahnstadt über die Gleise und den Neckar bis ins Neuenheimer Feld, wie sie jüngst vorgeschlagen wurde, Sinn?

Sie kann Sinn machen, das zeigt das Beispiel in Wuppertal. Wenn ich aber eine Hochbahn nur für wenige Kilometer Strecke baue, ist der Kosten-Nutzen-Faktor pro Person sehr ungünstig. Wie das in Heidelberg aussieht, sollten aber Fachleute ausrechnen. Wir sollten unsere Entscheidung nicht davon abhängig machen, ob uns ein Vorschlag auf Anhieb gefällt oder nicht. Wir sollten vielmehr schauen, was insgesamt das Beste für das Neuenheimer Feld, für die angrenzenden Stadtteile und für die Gesamtstadt ist. Es geht nicht um eine Maßnahme, es geht um ein ganzes Konzept. Wir sind froh, dass es im Neuenheimer Feld eine dynamische Entwicklung gibt. Davon sind Tausende Arbeits- und Ausbildungsplätze, aber auch die Patientenversorgung abhängig. All das wird gefährdet, wenn wir nicht für eine bessere Verkehrsanbindung sorgen. Das Gerichtsurteil war in dieser Hinsicht bitter. Aber es birgt auch die Chance, dass wir jetzt gemeinsam die Grundlage für eine gute Entwicklung des Neuenheimer Feldes für die nächsten 30 Jahre legen.

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