Von Micha Hörnle
Ursula Lorenz wird nach der Sommerpause ihr Stadtratsmandat nach fast 17 Jahren abgeben. 1998 war sie auf der Liste der Freien Wähler nachgerückt, und seither wurde sie vier Mal in Folge gewählt. Die ehemalige Frauenärztin gilt nicht als Freundin langer Reden, sie liebt es kurz und bündig. Ihr folgt am 8. Oktober Simone Schenk nach, die Bezirksbeirätin in Wieblingen ist - wo übrigens auch Lorenz wohnt.
Im RNZ-Interview bilanziert die 78-jährige Ursula Lorenz ihre Zeit in der Kommunalpolitik - und beantwortet die Frage, ob man als eine von zwei Freie-Wähler-Räten überhaupt etwas im 48-köpfigen Gemeinderat mit seiner "linken" Mehrheit ausrichten kann.
Frau Lorenz, was war für Sie denn das Schönste in 17 Jahren Gemeinderat?
Vor allem in meiner ersten Zeit war es diese Gemeinsamkeit, ich bin ja auch ein Gruppenmensch. Und dass man ein Interesse an allen denkbaren Lebensbereichen unserer Stadt entwickelt. Man lernt die innere Struktur seiner Stadt kennen und kann auch manchmal richtig mitgestalten - wie zum Beispiel bei der Theatersanierung. Man lernt Menschen mit anderen Ansichten kennen, befasst sich mit deren Argumenten und kann toleranter werden - was aber nicht immer gelingt.
Was kann denn ein einzelner Stadtrat ausrichten?
Fast gar nichts. Nur einmal konnten wir etwas bewegen: als wir den Ausschlag für die Straßenbahn nach Kirchheim gaben. Damals hieß es ja noch, dass sie nach Sandhausen weitergeführt werden sollte. Deshalb hatte ich auch zugestimmt. Generell kann man versuchen, mehr Aufmerksamkeit zu erringen, wie erst unlängst bei der Haushaltsdebatte: Wir Freien Wähler waren gegen neue Schulden, deswegen haben wir nicht zugestimmt. Wenn es dann immer heißt, die Stadtverwaltung müsse halt bei sich mehr einsparen, halte ich das für keine seriöse Gegenfinanzierung. Für mich ist so ein Vorgehen kontraproduktiv. Wir alle wissen, dass die Verwaltung vielfach eine zu dünne Personaldecke hat. Bei anderen Dingen kann Sparen nicht viel bringen.
Sie haben ungefähr gleich lang die beiden Oberbürgermeister Beate Weber und Eckart Würzner erlebt. Unter wem hat es mehr Spaß gemacht?
Am meisten zu Würzners Beginn. Ich dachte, es würde sich endlich etwas tun. Aber auch Webers starker Akzent auf die Themen Soziales und Familien lag mir.
Erleben Sie den Gemeinderat auch als zerstritten?
Nein, nur bei den großen Themen, wie dem Verkehr. Da regiert die Ideologie, und da kann man auch nichts machen. Beim Thema Straßenbahn ins Neuenheimer Feld dachte ich früher, dass deswegen nichts vorangeht, weil OB Weber und Rektor Hommelhoff nicht miteinander konnten. Jetzt denke ich mir manchmal, es liegt eher an der Struktur.
Reden wir mal über Ihre Zwei-Räte-Gruppierung. Anderswo sind die Freien Wähler in der Kommunalpolitik mit die stärkste Partei, nur in Heidelberg nicht. Wieso?
Das ist vor allem auf dem Land so. Dort werden vor allem Personen gewählt, die bekannt sind. Die Wähler der Stadt bevorzugen Parteien.
Aber auch in Heidelberg haben die Freien Wähler bekannte Namen, man denke nur an ihre ehemaligen, mittlerweile verstorbenen Fraktionskollegen Klaus Pflüger oder Nils Weber.
Ja, aber beide hatten das Manko, dass sie Konvertiten waren. Den Wechsel haben viele alte Parteifreunde nicht verziehen.
Wieso ist eigentlich das bürgerliche Lager so zersplittert? Rein programmatisch könnten Sie auch bei den Heidelbergern, der FDP oder der CDU sein.
Vom Programm her gibt es viele Ähnlichkeiten, aber es geht manchmal mit den Personen nicht. Vielleicht sind auch mehrere Gruppierungen etwas schlagkräftiger und ziehen mehr Wählerstimmen als eine große. Aber was mich angeht: Mir läge die FDP näher als die CDU. Außerdem haben wir eine gut funktionierende Arbeitsgemeinschaft im Gemeinderat mit der FDP und dadurch Fraktionsstärke.
Aber noch gibt es die Freien Wähler, wenn auch nur mit zwei Räten.
Ja, und ich bin skeptisch, ob in Heidelberg die Freien Wähler kommunalpolitisch überleben können. Wir haben eine Klientel, die sich die Arbeit im Rat und den immer zahlreicher gewordenen Ausschüssen nicht leisten kann. Das geht allein zeitlich nicht, wenn man einen Betrieb hat.
Was war Ihr größter persönlicher Erfolg im Gemeinderat?
Die dritte Fahrspur am Bismarckplatz. Es war doch so ein Blödsinn, die Straße hier zu verengen. Das sind zwar Kleinigkeiten, aber die zählen auch.
Und was war Ihr größter Misserfolg?
Dass wir immer noch kein Konferenzzentrum haben, das ist doch traurig für eine Stadt wie Heidelberg. Ich habe mich für die Erweiterung der Stadthalle eingesetzt, und jetzt scheint es mir, dass wir auch bei aller Bürgerbeteiligung nicht klüger geworden sind. Schade, dass man diese gute Idee kampflos aufgegeben hat, und auch die Uni hat sich aus dieser Debatte fast völlig herausgehalten. Dabei bauen wir ja auch für sie ein Konferenzzentrum.
Reden wir noch etwas über den Gemeinderat. Findet man dort eigentlich Freunde?
Für mich hat Freundschaft eine sehr eng definierte Bedeutung. Nach meiner Definition fand ich keine im neuen Rat, eher Kollegen, mit denen man sich freundschaftlich austauschen kann. Da spielen Partei- oder Lagergrenzen keine Rolle. Ich kann zum Beispiel mit Judith Marggraf von der GAL sehr gut - eine der wenigen mit einem Schuss Humor. Und mit Monika Meißner. Margret Hommelhoff, Lore Schröder und besonders Klaus Pflüger waren echte Freunde und fehlen mir.
Was ist denn wichtiger für die Arbeit im Rat: die gemeinsame Überzeugung oder die stimmige Chemie?
Man kann seine Überzeugungen nur durchsetzen, wenn man auch die Chemie pflegt. Ich kann nur für mich sagen, dass ich mit niemandem ein Problem habe.
Was ist Ihr größter Wunsch an den Gemeinderat - auch nach Ihrer aktiven Zeit?
Dass er sachbezogen zusammenarbeitet. So sind die meisten für die geplante Großsporthalle, die ein interessantes Angebot für alle ist, die nicht nur Kultur im Sinn haben. Deswegen könnte endlich etwas aus diesem alten Wunsch werden.
Und Ihr größter Wunsch für die Stadt?
Ich wiederhole mich: ein Konferenzzentrum. Und ganz generell, dass die Wirtschaft gefördert wird, denn die erwirtschaftet das Geld für die vielen Wohltaten, mit denen wir in der Kultur und im Sozialen glänzen. Auch der weitere Ausbau der städtisch geförderten Kultur muss endlich mal zum Ende kommen.
Was fangen Sie mit Ihrer bald gewonnenen neuen Freizeit an?
Ich werde ohne Verpflichtungen ins Theater gehen und die Kultur genießen. Und natürlich Freundschaften pflegen. Vielleicht engagiere ich mich auch in meinem Stadtteil, indem ich den Kindern der Fröbelschule etwas vorlese. Wer sich in Heidelberg langweilt, ist selber schuld.
Gibt es etwas, was sie an Ihrer Arbeit im Gemeinderat vermissen werden?
Ja, die Städtepartnerschaften: Die Besuche lassen einen doch über den eigenen Horizont hinausblicken. Und vielleicht auch die Nachtreffen nach der eigentlichen Gemeinderatssitzung, die oft sehr gesellig und fröhlich waren. Aber dafür bin ich langsam auch zu alt. Aber es gibt ja noch die regelmäßigen Treffen der ehemaligen Räte. Darauf freue ich mich - und dann reden wir über die gute alte Zeit.