Von Birgit Sommer
Winfried Schwab (51) ist der neue Abt im Stift Neuburg in Ziegelhausen. Er hat ein kleines Häuflein von Priestern übernommen, aber er hat Großes vor. "Klosterleben ist keine Vergangenheit, es ist Gegenwart und Zukunft", sagt er im RNZ-Interview. Er will, dass man das Klosterleben neu kennenlernt, dass junge Menschen mehr darüber erfahren als das, was sie bei Umberto Eco in "Der Name der Rose" gelesen oder im Film gesehen haben. Immerhin: Abt Winfried ist bei Facebook. Der Benediktiner studierte Rechts- und Geschichtswissenschaften unter anderem in Heidelberg und später - schon als Mönch in Admont in der Steiermark - Philosophie und Theologie in Graz, Salzburg und Einsiedeln.
Abt Winfried, wie wird man Klostervorsteher? Wird man dazu berufen?
Normalerweise wählt die Gemeinschaft einen Abt aus ihrer Mitte, aber es gibt Situationen wie hier in Neuburg, wo der Konvent zu klein ist und die Mönche zu alt sind. Es gab verschiedene Modelle, wie es mit Neuburg weitergehen könnte, ob man sich zum Beispiel an ein anderes Kloster anschließt. Da wurde jemand gesucht, der die Entscheidungsfindung begleitet, und so kam ich ins Spiel.
Man entschied sich dann für die Selbstständigkeit des Klosters.
Das Ergebnis der Überlegungen war, dass Heidelberg ein großes Potenzial birgt und die Gemeinschaft in der Lage ist, weiterzumachen. Ich bin der festen Überzeugung, dass das benediktinische Leben, das hier gelebt wird, ein Zukunftsmodell ist. Wir werden ein Aufblühen erleben.
Glauben Sie an Neueintritte? Oder ist das Leben als Mönch zu schwer und den jungen Männern zu fremd geworden, als dass sich viele berufen fühlen könnten?
Es gibt immer Menschen, die einen besonderen Zugang zum Glauben haben. Es geht um gelungene Lebensläufe, und jeder Mitbruder hier würde unterschreiben, dass er ein erfülltes Leben führt. Ich glaube, dass wir zwar nicht junge, aber jüngere Menschen ansprechen können.
Warum nicht junge Menschen?
Für Leute im Alter von 19 oder 20 Jahren kann dieser Weg eine Überforderung bedeuten. Aber wenn man Lebenserfahrung gesammelt hat, stellt man sich der Herausforderung auf einer anderen Grundlage. Diese Tendenz herrscht ja überall, niemand hat mehr mit 20 den Beruf, den er bis 65 ausübt, niemand heiratet mehr in diesem Alter. Auch Kandidaten für das Klosterleben sind heute im Durchschnitt über 30, gut ausgebildet, oft mit Studium.
Sie selbst waren ja nicht ganz jung, als Sie ins Kloster gingen, Sie waren 31 Jahre alt. Was hat Sie dazu gebracht?
Ich wollte eigentlich Bibliothekar werden, und die Bibliothek im Kloster Admont war für mich Liebe auf den ersten Blick. Ein steingewordenes Weltbild. Ich dachte, wenn ich ein geistliches Leben führen will, dann hier. Die Idee war schon vorhanden gewesen, aber ich war nicht auf der Suche nach einem Kloster. Ich hätte mir auch vorstellen können, zu heiraten und eine Familie zu gründen.
Kinder geben einem das Gefühl, dass das Leben weitergeht.
Das ist wirklich eine Herausforderung im zölibatären Leben. Für mich ist es aber eine Hilfe, dass ich Nichten habe. So habe ich die emotionale Beziehung zu einer Familie, die mich trägt, und führe ein anderes Leben mit anderen Schwerpunkten: Der Freiheit, mich dem Gebet und der Seelsorge zu widmen.
Abt zu sein - ist das für einen Mönch ein Traumjob?
Wenn man liest, was Benedikt von einem Abt fordert, müsste man sich das dreimal überlegen. Der Abt trägt Verantwortung für die Mitbrüder, soll sie im geistlichen Leben begleiten und später vor Gott darüber Rechenschaft ablegen. Aber ich weiß mich als Abt getragen vom Gebet der Gemeinschaft und vieler Menschen um das Kloster herum. Es ist deshalb eine schöne Aufgabe, weil ich weiß, dass ich mit meiner Kloster-Gemeinschaft in eine gute Zukunft gehen werde.
Was haben Sie Ihren elf Mitbrüdern gesagt, wie das Zusammenleben sein wird? Was wollen Sie aus der Abtei Neuburg machen?
Zuerst: Es gibt zwei Punkte, die mich beeindruckt haben. Die Mönche leben ihr geistliches Leben in konsequenter Treue zu dem, was sie versprochen haben. Ich erlebe das als äußerst positiv. Und es ist eine funktionierende Gemeinschaft, in sich geschlossen und harmonisch.
Wenn Sie tatsächlich Neueintritte haben werden, könnte das diese Gemeinschaft sprengen.
Das wird eine Herausforderung sein. Aber was ich vorhabe: Wenn ich jüngeren Menschen zeigen will, dass es ein geistliches, erfüllendes Leben in der Gemeinschaft geben kann, setzt das voraus, dass wir stärker in die Öffentlichkeit gehen. Ich denke an Vorträge, Gottesdienste, spezielle Angebote für Jüngere wie Einkehrtage und die Möglichkeit des Mitlebens - in einer neuen, ungebundenen, lockeren Form zu erfahren, was es heißt, feste Strukturen zu haben.
Haben Sie die Räumlichkeiten dafür?
Die Räume haben wir, und wir haben Mönche, die die Neuen begleiten können. Wo ich auch noch eine Chance für Zuwachs sehe: Es gibt Männer, die sich für ein geistliches Leben interessieren, aber sich schwertun würden, alleine als Pfarrer zu arbeiten. Hier bietet das Kloster die Möglichkeit, in der Seelsorge tätig zu sein und dabei in einer Gemeinschaft zu leben. Das gilt zum Beispiel auch für Religionslehrer, die nicht Priester sind.
Ihnen geht der Ruf voraus, ein Kommunikationstalent zu sein. Was werden Sie hier in Heidelberg, der Stadt, in der Sie auch studiert haben, daraus machen?
Ich möchte mich mehr in der Öffentlichkeit bewegen, dann kommt das von ganz allein, dass man ins Gespräch mit den Menschen kommt. Ich werde also in der Stadt präsent sein, damit man sieht: In Heidelberg gibt es Mönche.
Sie haben das Kloster Admont mit seiner berühmten Bibliothek und seinem riesigen Besitz an Kunstwerken verlassen. Was kann Ihnen diesen geistigen Schatz hier ersetzen?
Wir leben hier eine gute, herzliche Gemeinschaft, die mich beflügelt. Und ich sehe ein ganz großes Entwicklungspotenzial. Das ist eine spannende Herausforderung.