Von Denis Schnur
Tausende Flüchtlinge zieht es derzeit täglich über den Balkan nach Zentraleuropa. Weil immer wieder Grenzen zugemacht werden und die Durchgangsstaaten überfordert sind, ändert sich die Route andauernd - und es kommt regelmäßig zu humanitären Katastrophen. Die Heidelberger Studentin Laura Bruns (21) und der Mannheimer Computerspezialist Roland Voboril (38) sind deshalb Ende Oktober vollgepackt mit Hilfsgütern Richtung Südosten gefahren, um zu helfen. Acht Tage waren sie unterwegs. Im Interview berichten sie von dramatischen Zuständen und großer Hilfsbereitschaft.
Sie kommen gerade aus Slowenien und Serbien. Wie würden Sie die Lage dort beschreiben?
Bruns: Wir waren zuerst in Serbien an der Grenze zu Kroatien. Dort war die Lage chaotisch. Die Flüchtlinge fahren tagsüber mit dem Zug bis vor die Grenze, wo sie abends ankommen. Da die Grenze über Nacht aber geschlossen wird, hat sich ein Sammellager gebildet.
Voboril: Da kamen pro Nacht 3000 Menschen an und konnten nicht weiter. Ohne Organisation hat man dann einen humanitären Notstand. Die Menschen müssen ja irgendwo auf Toilette, sich waschen und brauchen Essen und Trinken. Für all das war nicht gesorgt. Es gab Durchgangszelte, in denen etwa ein Drittel der Menschen schlafen konnte. Aber zwei Drittel mussten auf freiem Feld im Schlamm schlafen.
Was haben Sie getan, um zu helfen?
Voboril: Wir haben mit anderen deutschen Freiwilligen ein kleines abseits gelegenes Zeltlager in einem Weinberg errichtet. Darin haben wir kleine Kinder und Mütter untergebracht. Wir wollten den Hilfsbedürftigsten einen sicheren Unterschlupf bieten.
Für die Flüchtlinge haben Sie Zelte errichtet. Wo haben Sie selbst geschlafen?
Bruns: Anfangs im Zelt. Später hat uns ein serbisches Ehepaar ein Häuschen angeboten. Die Frau musste im Jugoslawienkrieg selbst fliehen und hatte daher viel Verständnis für die Flüchtenden.
Als sich die Lage dort besserte, sind Sie weiter nach Brezice in Slowenien. Der "Stern" bezeichnete das Lager dort kürzlich als "Schande von Europa". Wie ist ihr Eindruck?
Voboril: Das ist ein Militärlager. Man wird sofort an Bilder von Lagern und Deportationen aus dem Geschichtsunterricht erinnert. Die Flüchtlinge wurden teilweise wie Rinder in Gatter getrieben und festgehalten.
Bruns: Neben Polizisten mit Schlagstöcken und Kampfmontur waren dort Soldaten mit Panzern im Einsatz. Sie hatten das komplette Lager streng kontrolliert. Die Flüchtlinge wurden in drei Sektoren eingesperrt, wir Freiwilligen durften nicht hinein. Wir haben dann Decken über die Zäune verteilt. Leider gab es nur 500 Decken für ungefähr 1500 Leute. Das hat natürlich zu Streit geführt, weil jeder eine Decke für die kalte Nacht brauchte.
Sie haben mit vielen Flüchtlingen gesprochen. Woher kamen sie?
Voboril: Die allermeisten aus Syrien, Afghanistan und dem Irak. Mein Eindruck war, dass es vor allem große Familien waren. Teilweise acht oder zwölf Menschen, vom Baby bis zum Großvater. Unter den Flüchtenden waren einige, mit denen ich mich durch Kleidung und Aussehen direkt identifizieren konnte. In solchen Momenten wurde mir noch mal bewusster, dass auch ich ein Flüchtender und sie Helfende sein könnten.
Bruns: Es kamen viele Flüchtende, die helfen wollten. Ein 17-jähriger Syrer hat für uns übersetzt und ist sogar extra länger geblieben.
Was war Ihr Impuls zu sagen: "Ich will da etwas tun"?
Bruns: Freunde von mir waren an der serbisch-mazedonischen Grenze und haben von der dramatischen Situation berichtet. Es war klar, dass Konvois aus ganz Deutschland starten würden. Da wollte ich helfen und habe in Heidelberg herumgefragt, wer sich beteiligen möchte. Daraus ist dann unser Konvoi entstanden. Ich wollte verstehen, was die Menschen durchmachen, um hierher zu kommen.
Fahren Sie bald noch mal runter?
Voboril: Eigentlich will man sofort wieder los. Im Moment ist ja schon der nächste Konvoi aus Mannheim und Heidelberg unterwegs.
Bruns: Jetzt müssen wir uns erst mal organisieren. Wir haben für den Konvoi viel Unterstützung bekommen. Wir wollen jetzt schauen: Wie können wir uns vernetzen? Was kann noch getan werden? Was braucht es für politische Ansätze?
Was sollte denn politisch getan werden?
Voboril: Es gibt viele unnötige Schikanen. Warum müssen sie im Freien schlafen? Wir müssen sichere Fluchtrouten einrichten.
Bruns: Warum werden überhaupt Menschen auf diesen Weg gezwungen? Warum können die, die offensichtlich schutzbedürftig sind, nicht viel früher Asyl beantragen? In der Türkei zum Beispiel.
Info: Kontaktaufnahme an Voboril und Bruns per E-Mail an: fluechtenden. entgegenkommen@posteo.de.