Von Micha Hörnle
Die meisten Heidelberger haben keine Ahnung, wie der heutige Firmensitz von HeidelbergCement in der Berliner Straße überhaupt aussieht, denn hohe Bäume verstellen fast vollständig die Sicht auf das fünfgeschossige Gebäude. Doch das wird sich bald ändern: Gestern stellte der Weltkonzern erstmals die Pläne der Öffentlichkeit und den Anwohnern vor. Demnach wird der dann siebengeschossige Neubau direkt an die Berliner Straße rücken, nur die Alleebäume bleiben erhalten. Die Nachbarn äußerten sich, was den Entwurf angeht, durchaus positiv (siehe "Stimmen"), befürchten allerdings eine Verschattung ihrer Wohnungen in der angrenzenden Humboldtstraße, aber auch deutlich mehr Verkehr dort.
Oberbürgermeister Eckart Würzner hingegen war mehr als zufrieden: Ihm steckt noch in den Knochen, dass ein anderer Weltkonzern, die Druckmaschinen, die Stadt vor einem Jahr verlassen haben: "Wir sind dankbar, dass Sie den Hauptsitz in Heidelberg behalten." Und er honoriert, dass HeidelbergCement nur auf seinem Grundstück baut - und nicht etwa noch andere Areale, wie die Grünfläche Römerbad, mit in Beschlag nimmt.
Vorstandsvorsitzender Bernd Scheifele begründete gestern, warum der Neubau notwendig ist: Das alte Haus genügt nicht mehr den heutigen Anforderungen, vor allem aber ist es zu klein. Gebaut wurde es 1963 für den "süddeutschen Zementhersteller" mit 100 Mitarbeitern in der Firmenzentrale, 53 Jahre später ist daraus ein Weltkonzern mit 63 000 Beschäftigten geworden, mittlerweile arbeiten 650 Personen in Heidelberg. Das Resultat: Mittlerweile ist die Firma auf fünf Standorte in der Stadt - darunter das "X-House" am Bahnhof - verteilt, was viel Kraft und Nerven kostet, sagt auch Betriebsratsvorsitzender Heinz Schmitt: "Das geht schon an die Substanz. Einmal abgesehen davon, dass der Altbau im Winter zu kalt und im Sommer zu heiß ist. Wir haben wirklich die Hoffnung, dass der Neubau möglichst schnell kommt."
Gedacht ist das neue Gebäude - eine Mischung aus viel Glas und geschwungener Betonfassade - für bis zu 1000 Angestellte, dann könnten auch die anderen Ausweichstandorte aufgelöst werden; während der Bauzeit kommen die Mitarbeiter so lange im Mathematikon unter. Allzu protzig wird auch der Neubau nicht werden, schließlich sind Scheifele und sein Finanzvorstand Lorenz Näger Schwaben. Näger sagt: "Wir investieren einen hohen zweistelligen Millionenbetrag. Nur zum Vergleich: Das Gebäude der Europäischen Zentralbank in Frankfurt mit einer ähnlichen Kapazität war zehn Mal so teuer."
Der Frankfurter Architekt und Stadtplaner Albert Speer, dessen Büro den Neubau plant, erläuterte die Grundidee seines Entwurfs: Der Weltkonzern werde nun im Stadtbild sichtbarer, die Berliner Straße bekomme einen neuen "Eingang" - und schließlich entstehe hier kein "Klotz": Denn die neue besonders energieeffiziente Firmenzentrale besteht aus drei unterschiedlich hohen Gebäuden mit separaten Innenhöfen, der höchste Teil wird an die Jahnstraße, also Richtung Neckar, gebaut. Auch wenn die meisten alten Bäume fallen: Das Grundstück soll wieder grün werden - sogar die Dächer. Mit der Fassade will HeidelbergCement zeigen, was der Baustoff Beton alles kann: Die Fenster sind nicht starr gerastert, sondern deuten eine Welle an, es soll ja "eine Visitenkarte für unser Unternehmen werden", so Finanzvorstand Näger.
An dieser Stelle wäre, daran erinnerte Speer, noch etwas anderes denkbar gewesen: "Der immer noch gültige Bebauungsplan aus den 60er Jahren sieht hier ein 22-geschossiges Hochhaus vor." Da musste sogar der OB schlucken.