"Bürger für Heidelberg" wollten die Altstadt-Straßenbahn behalten

Sie reichten einen eignen Gestaltungsvorschlag ein - Damalige Befürchtungen haben sich bestätigt - Ketten statt Fachgeschäften

19.12.2016 UPDATE: 20.12.2016 06:00 Uhr 2 Minuten, 7 Sekunden

Im Bereich des Marktplatzes sollte die Straßenbahn nach den Plänen der "Bürger für Heidelberg" zweigleisig fahren. Zum Universitätsplatz hin sollte sich die Strecke auf ein Gleis verengen. Repro: RNZ

Heidelberg. (tt) Um Vorschläge für die Gestaltung einer Fußgängerzone zwischen Bismarckplatz und Kornmarkt zu sammeln, hatte die Stadt Heidelberg 1976 einen städtebaulichen Gestaltungswettbewerb ausgeschrieben. Allerdings gab es dabei eine strikte Vorgabe: Die Vorschläge mussten ohne Straßenbahn sein. Die "Bürger für Heidelberg" beteiligten sich an diesem Wettbewerb und reichten eigene Pläne ein - allerdings mit Straßenbahn.

Denn die "Bürger" waren davon überzeugt, dass man die Hauptstraße als Wirtschafts- und Verkehrsstraße nicht auf eine Funktion als reine Fußgängerzone reduzieren dürfe. Die Herausnahme der Straßenbahn sei nicht nur für die Hauptstraße ein radikaler Funktionswandel, sondern für die gesamte Altstadt. "Ich habe vor der Entmischung gewarnt. Es tut Quartieren nicht gut, auf nur eine Nutzung konzentriert zu werden", sagt einer der Beteiligten, der Handschuhsheimer Robert Bechtel - damals Stadtplaner bei der Stadt Mannheim und dort später Leiter des Fachbereichs Städtebau. "Ich bin nach wie vor der Auffassung, es war falsch, den öffentlichen Nahverkehr aus der Hauptstraße herauszunehmen", erklärt Bechtel. Auch wenn er sich die heutigen Variobahnen nicht in der Altstadt vorstellen kann.

Die Straßenbahn habe viele Vorteile, wie die "Bürger" damals herausarbeiteten: Sie "erschließt die lang gestreckte, schmale Altstadt optimal von der Mitte her", heißt es in der Broschüre Fußgängerzone Heidelberg - mit Straßenbahn. "Das ist eine planerische Grundregel: Den ÖPNV in die Mitte zu legen und nicht an den Rand", sagt auch Bechtel. Außerdem war die Hauptstraße die meistbefahrene Linie der Heidelberger Straßen- und Bergbahn AG. "Durch Stilllegung dieser wichtigsten Strecke muss mit einem erheblichen Fahrgastschwund und Einnahmeverlust auf dem gesamten Streckennetz gerechnet werden", so die "Bürger". Zudem bestehe die Gefahr, "dass das Streckennetz so lange schrumpft, bis es wegen Unwirtschaftlichkeit vollends aufgehoben wird". Die Tram sei zudem komfortabler, biete viel Platz und ruhiges Fahren. "Die Straßenbahn verbessert die Zugänglichkeit der Kernaltstadt. Das ist eine Existenznotwendigkeit für den dort ansässigen Einzelhandel", so die "Bürger für Heidelberg".

Mit gezeichneten Grundrissen, Ansichten und Perspektiven der Hauptstraße und den angrenzenden Plätzen stellten die "Bürger" dar, "dass der Raum für Fußgänger, Straßenbahn - wo nötig eingleisig -, Straßenraumgestaltung und notwendigen Erschließungsverkehr durchaus vorhanden ist", erklärt Bechtel. Haltestellen waren vom Bismarckplatz aus gesehen an der Akademiestraße, an der Märzgasse, der Theaterstraße, dem Universitätsplatz, dem Marktplatz und dem Karlstor vorgesehen. Statt billigem Betonstein hatten die Planer Buntsandstein als Pflaster vorgesehen, zum einen Platten und zum anderen Pflasterköpfe. Der Fahrbereich der Straßenbahn sollte mit einem weißen Saumstein gekennzeichnet werden und im Gleisbereich verlegte Leuchtsteine sollten durch Aufleuchten die herannahende Straßenbahn ankündigen.

"Weil wir uns nicht an die Vorgaben der Wettbewerbsausschreibungen - eine Fußgängerzone ohne Straßenbahn - gehalten haben, wurde unser Beitrag aber nicht zum Wettbewerb zugelassen", berichtet Bechtel. Dabei hatten die Bürger nicht aus dem hohlen Bauch heraus agiert, sondern zuvor Passanten- und Fahrgastbefragungen gemacht.

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"Früher war die Hauptstraße eine Einkaufsmeile mit Fachgeschäften, heute ist sie eine Partymeile", sieht sich Bechtel in seinen Befürchtungen bestätigt. Nach der Umwandlung zur Fußgängerzone habe es einen starken Wandel in der Geschäftsstruktur gegeben, immer mehr Ketten hätten sich in der Hauptstraße niedergelassen. "Das Abdriften in das, was wir heute haben, hätte mit Straßenbahn vermieden werden können", ist Bechtel überzeugt.

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