Früher war mehr Film
Die aktuelle Ausstellung im Universitätsmuseum zeigt Plakate des ehemaligen Studenten Dietrich Lehmann aus der Blütezeit des Kinos – Der studentische Filmclub Heidelberg hatte in den 50ern schnell 1000 Mitglieder

In den 1950er Jahren malte Dietrich Lehmann Plakate für den Heidelberger Filmclub. Einige davon werden jetzt im Universitätsmuseum gezeigt. Der Kunsthistoriker Henry Keazor hat das Konzept mit Studentinnen und Studenten erarbeitet - darunter Lea Cloos (l.) und Laura Rehme. Foto: Philipp Rothe
Von Philipp Neumayr
Heidelberg. Aquarium, Themensäle und Loungebereich - von der spektakulären Innenausstattung des neuen Kinotempels in der Bahnstadt waren Heidelberger Lichtspielhäuser in der Nachkriegszeit weit entfernt. Und dennoch verfügte die Stadt in den 1950er Jahren über eine mehr als lebendige Filmkultur. Cineasten und renommierte Regisseure aus aller Welt strömten ins Neckartal, Hermann Strobel und Heiner Braun riefen den ersten studentischen Filmclub ins Leben - und in der Hauptstraße reihte sich ein Kino ans andere. Die Sonderausstellung "Film Plakat Kunst. Dietrich Lehmann und der Heidelberger Filmclub der 50er Jahre" im Universitätsmuseum gewährt nun erstmals aufschlussreiche Einblicke in die Blütezeit der Heidelberger Filmkultur. Erarbeitet wurde sie von Studenten unter Leitung von Professor Henry Keazor am Institut für Europäische Kunstgeschichte.
"Diese Möglichkeit, so praktisch zu arbeiten, hat man in unserem Studium nicht häufig", sagt Laura Rehme. Die 25-Jährige studiert Kunstgeschichte im Master und war Teil eines im Sommersemester angebotenen Seminars. Darin begegneten die angehenden Kunsthistoriker ganz anderen Quellen als sonst - nämlich Filmplakaten. Gemalt wurden sie von Dietrich Lehmann. Der 2014 verstorbene Mediziner studierte zwischen 1950 und 1956 an der Ruperto Carola. Nebenbei verdiente er sich sein Geld, indem er aktuelle Filmstreifen illustrierte - darunter Klassiker wie "Metropolis" oder "Im Westen nichts Neues".
"Lehmann war künstlerisch unglaublich begabt", sagt Henry Keazor. Der Professor für Neuere und Neuste Kunstgeschichte erklärt: "Seine Plakate mussten die Leute auf den ersten Blick ansprechen. Deshalb verwendete er starke Farben und Kontraste, eine ausdrucksstarke Schrift und wenige figurative Elemente."
Die Plakate, die an den schwarzen Brettern der Uni zu finden waren, dienten vor allem einen Zweck: Sie sollten Werbung machen für den jungen studentischen Filmclub. Gegründet im Sommer 1948 zählte dieser schon bald 1000 Mitglieder, darunter knapp 700 Studenten. "Eine Idee", so Studentin Lea Cloos, "die in erster Linie von den alliierten Besatzern aufgegriffen wurde - mit dem Ziel, Bürgern die ästhetische Seite von Filmen wieder näherzubringen." Die schnelle Etablierung des studentischen Filmclubs in Heidelberg sei auf eine allgemeine Filmbegeisterung in der damaligen Bevölkerung zurückzuführen, sagt Cloos. Nach den Traumata des Krieges, nach der kulturellen Wüste der Nazizeit, schossen in der ganzen Republik neue Kinotempel aus dem Boden. Die Bevölkerung habe geradezu nach bewegten Bildern gelechzt, erklärt Rehme: "Das Kino wurde zu einem gesellschaftlichen Ereignis."
Eindrücklich unter Beweis gestellt wird dies anhand der jüngst eröffneten Ausstellung, die neben ausgewählten Plakaten Dietrich Lehmanns auch die Vergangenheit Heidelbergs als Filmmetropole beleuchtet - und gleichzeitig auch zum Nachdenken über die heutige Zeit anregt, wie Keazor sagt: "Wir müssen uns fragen, warum das Medium Film in unserer Gesellschaft schon lange nicht mehr den gleichen Stellenwert wie damals hat."
Info: Die Ausstellung, zu der ein eigener Katalog erhältlich ist, ist bis April 2018 im Universitätsmuseum, Grabengasse 1, dienstags bis samstags, 10 bis 16 Uhr, zu sehen. Morgen um 13 Uhr hält Lea Cloos dort einen Kurzvortrag zum Thema "Heidelberg eine Kinohauptstadt?".