Luisa Schüssler mit Oma Brunhilde Morr in Lindach beim Brotbacken. Foto: Barbara Nolten-Casado
Von Barbara Nolten-Casado
Lindach. Betörender Duft nach glühender Holzkohle und knusprig frischem Brot strömt über den Hof, wenn bei Brunhilde Morr Backtag ist. Während die leckeren runden Brote im Holzofen ihrer Vollendung entgegenbrutzeln, wird in der Wohnstube der vorab gebackene Speckkuchen mit Gemüsesuppe verputzt. Die Enkel sind da und lassen es sich schmecken, wie immer, wenn die Oma Brot backt. "Das ist Tradition, das war schon bei der Schwiegermutter so", berichtet Brunhilde Morr. Wobei ihre eigenen Backerfahrungen noch viel weiter zurückreichen.
Seit dem 13. Lebensjahr half die inzwischen 79-Jährige ihrer Großmutter in Lindach beim Brotbacken. "Wir haben den Teig gemacht, die Brote geformt und sie dann zu unserer Nachbarin Lina Rupp gebracht. Sie hatte einen eigenen Backofen und hat unsere Brote mit hineingeschoben", erinnert sich Morr. Oft habe die Großmutter auch von den Kriegsjahren erzählt: "Da haben die Leute ihr eigenes Getreide zum Müller gebracht. Aber es war nicht so gut wie das, was man sonst hatte kaufen können. Das Brot wurde speckig und die Rinde löste sich ab."
Später war es die Schwiegermutter, die für die ganze Familie das Brot backte. 1953 ließ sie den Holzofen bauen, den Brunhilde Morr bis heute benutzt: die äußere Hülle besteht aus Klinker, innen ist er mit Schamottesteinen ausgekleidet. Nachdem die Schwiegermutter verstorben war, zogen Otto und Brunhilde Morr mit ihren Kindern 1979 in das Haus, in dem sie bis heute lebt. Von nun an war sie es, die die Tradition des Brotbackens fortsetzte. Bis heute heizt sie den Ofen an: mit Hartholz – "am besten ist das Buchenholz" – , das Sohn Markus aus dem eigenen Wald holt.
Es wird direkt im Schacht aufgeschichtet, in dem das Brot gebacken wird. Dort brennt es, bis es zu Holzkohle verglüht ist. Ist der Ofen gut aufgeheizt, wird die Glut mit einer Schaufel entfernt, der Schacht mit einem nassen Lappen ausgewischt. Jetzt kann das Backen beginnen: "Bevor das Brot eingeschossen wird, kommt der Speckkuchen rein, berichtet Morr, "der nimmt die große Hitze weg und man hat schon das Mittagessen. Am Backtag hat man ja nicht so viel Zeit zum Kochen." Früher kamen dann regelmäßig die Kinder zum Essen, heute sind es die Enkel: "Da sind sie alle verrückt drauf, auf den Speckkuchen", lacht Morr. Ihm folgt das Brot in den Ofen, der nun idealerweise eine Temperatur von rund 250 Grad hat. Und danach reiche die Hitze immer noch für einen Rühr- oder Obstkuchen aus, ist zu erfahren.
Bis vor wenigen Jahren war regelmäßig einmal pro Woche Backtag bei Brunhilde Morr. Dann wurden jeweils um die zehn Brote gebacken, von denen auch die Nachbarschaft das eine oder andere käuflich erwerben konnte. Den Teig bereitete sie nach alter Tradition von Hand zu, bis ihr die Kinder vor einiger Zeit eine Teigmaschine schenkten, die ihr seither die Arbeit erheblich erleichtert.
Seit sie sich einer Operation unterziehen musste, backt Brunhilde Morr nur noch selten und nur für die eigene Familie. Neuerdings geht ihr dabei Enkelin Luisa zur Hand. Nachdem sie der Oma schon seit ihrer Kindheit regelmäßig beim Backen zugeschaut hat, hilft sie nun tatkräftig mit bei der Herstellung des Brotteigs aus Roggen- und Weizenmehl, Sonnenblumenkernen, Leinsamen, Haferflocken, Wasser, Salz und Hefe, beim Anzünden des Ofens und dem Einschießen und Herausholen der Brotlaibe. "Das ist ein altes Handwerk, das es in der Form nur noch selten gibt und das nicht in Vergessenheit geraten sollte", sagt die 22-jährige Studentin. "Als ich in die Grundschule ging, waren wir mal mit der ganzen Klasse hier, um das zu sehen, erinnert sich Luisa. "Da haben wir Brot und Pizza gebacken."
Nun möchte sie die Tradition fortführen und hin und wieder Brot im Holzofen backen, "so einmal alle zwei Monate vielleicht." Doch bis Luisa sich allein daran wagen kann, muss ihr Brunhilde Morr schon noch eine Weile mit Rat und Tat zur Seite stehen.