Julia Engelhardt (rechts) von der Schwangeren- und Schwangerschaftskonfliktberatung des Diakonischen Werks Eberbach im Gespräch mit ihrer Klientin Svenja, die zum Eigenschutz unkenntlich gemacht wurde. Foto: Martina Birkelbach/Repro RNZ
Von Martina Birkelbach
Eberbach. "Er hat mich geschlagen, mit einem Holzpfosten auf mich eingedroschen und eine brennende Zigarette auf meinem Arm ausgedrückt. Er hat gedroht, mich und unseren gemeinsamen Sohn umzubringen". Svenja (Name geändert) zittert am ganzen Körper, während sie erzählt. Die Tränen fließen von ganz alleine, als die Erinnerungen wieder hochkommen. Noch immer hat sie Angst, fühlt sich ständig verfolgt – vom Vater ihres Kindes. Es war die große Liebe, doch heute weiß sie: "Er wollte nur eine Aufenthaltsgenehmigung für Deutschland".
Julia Engelhardt von der Schwangeren- und Schwangerschaftskonfliktberatung des Diakonischen Werks Eberbach tröstet. Nur zu gut kennt sie die Geschichte der jungen Frau. Seit über einem Jahr unterstützt sie Svenja. Gibt Ratschläge, hilft beim Ausfüllen zahlreicher Behördenschreiben und hat auch das Jugendamt informiert, welches nun wöchentlich nach der jungen Mutter schaut. Laut Engelhardt kam im Fall Svenja "alles zusammen". "Zuerst war sie noch bei meiner Kollegin zur Schuldnerberatung, dann ging es um Kündigung während der Schwangerschaft, das Sorgerecht für das Kind und Mietschulden."
Das Diakonische Werk half unter anderem bei Schreiben an das Job-Center, es ging um Kindergeld, Mutterschaftshilfe und Pfändungsschutz; "das ganze Programm". Und ab und an, wenn gar nichts mehr ging, gab’s vom Diakonischen Werk auch Soforthilfe in Form von Einkaufsgutscheinen, auch für den Bedarf des Kindes. "Da sind wir auf Spenden angewiesen", sagt Engelhardt. Sehr viel Unterstützung kommt dabei vom Flohmarktteam, welches erst kürzlich wieder eine große Summe gespendet hat: 6666 Euro, der bislang größte Betrag überhaupt.
Svenja hatte Brustkrebs. Nach mehreren Operationen wurden ihr beide Brüste abgenommen. "Ich fühlte mich nicht mehr als Frau, ich fühlte mich wertlos. Dachte, dass mich nie wieder ein Mann ansehen würde." Dann lernte sie Jo (Name ebenfalls geändert) kennen. "Ihm war es egal, dass ich keine Brüste mehr hatte. Er akzeptierte mich, war sehr liebevoll, umschmeichelte mich, alles war perfekt". Die große Liebe.
Schnell wurde Svenja schwanger. Nach einer Fehlgeburt folgte direkt die nächste Schwangerschaft. Währenddessen kündigte ihr der Eberbacher Arbeitgeber. "Das ist nicht rechtens", erklärt Engelhardt, die Svenja auf Anraten einer Freundin dann aufsuchte. Engelhardt sorgte dafür, dass ein Anwalt eingeschaltet wurde. Dieser hatte Erfolg, die Kündigung wurde zurückgenommen. Dennoch hatten sich inzwischen weitere Schulden angehäuft und zum Ende der Schwangerschaft hin, durfte Svenja auf Anraten des Gynäkologen nicht mehr arbeiten.
Mit Jo gab es bis dahin noch keine Probleme. Bis zum Tag der Geburt des Kindes. "Dann hat er sich nicht mehr um mich gekümmert. Er dachte, wenn das Kind da ist, kann er in Deutschland bleiben. Er fing an, mich zu schlagen." Mehrfach sei die Polizei vor Ort gewesen. Mehrfach habe Svenja die Aussagen gegen den Vater ihres Kindes dann schnell wieder zurückgezogen. "Weil er mir gedroht hat. Er hat gedroht, mich und unser Kind zu töten. Ich hatte solche Angst." Seinen Satz: "Ein Gefängnis in Deutschland ist wie ein Hotel für mich", wird sie wohl nie vergessen.
Auch fand Svenja durch Zufall während dieser Zeit heraus, dass Jo bereits ein Kind mit einer anderen Frau hat. "Als ich ihn darauf ansprach, schlug er wieder zu." Svenja selbst ist ohne Vater aufgewachsen und hatte nur "die Hoffnung auf eine schöne Familie". Selbst als Jo dann endlich weg war und ein Annäherungsverbot ausgesprochen wurde, blieb die Angst. "Ich traue mich bis heute kaum vor die Tür, die Angst wird wohl nie verschwinden".
Laut Svenja und Engelhardt ist Jo derzeit nicht auffindbar, lebt irgendwo in Deutschland, zahlt keinen Unterhalt. Ein Gerichtstermin über das Sorgerecht ist angesetzt. Svenja hofft darauf zu gewinnen und das alleinige Sorgerecht zu bekommen. Seit ihr auch noch die Wohnung gekündigt wurde, weiß sie gar nicht mehr wohin. Derzeit hat sie noch 150 Euro, "das muss reichen, bis irgendwann mal die Nachzahlungen von Behörden kommen." Svenja: "Ohne die Hilfe des Diakonischen Werks hätte ich das alles nie geschafft. Es war das erste Mal, dass ich mich nicht mehr alleine gefühlt habe. Das erste Mal, dass ich Unterstützung bekam."
Auch hilft ihr der Glaube sehr stark; "ich spreche mit Gott – das tut gut". Es gibt noch viel zu regeln, auch Engelhardt wird noch einige Zeit mit vielen Schreiben beschäftigt sein. Was sich Svenja vor allem wünscht, ist "Ruhe und Gesundheit". Warum Svenja ihre Geschichte erzählt: "Ich hoffe, dass andere Mädchen und Frauen das lesen. Ich hoffe, dass sie nicht den Fehler machen, den ich gemacht habe. Dass sie nicht so schnell und vor allem so blind einem Mann vertrauen...".
Info: Wer das Diakonische Werk oder insbesondere den Fall "Svenja" unterstützen möchte, kann dies beim Diakonischen Werk im Rhein-Neckar-Kreis, Kirchenbezirk Neckargemünd-Eberbach, Friedrichstraße 14, 69412 Eberbach; Telefon (0 62 71) 92 640, E-Mail eberbach@dw-rn.de. Infos unter www.dw-rn.de.