Ali Gün betet derzeit alleine in der Eberbacher Moschee. Im heute beginnenden Ramadan will der Imam den Kontakt zu den Muslimen der Stadt über Online-Medien halten. Foto: privat
Von Barbara Nolten-Casado
Eberbach. Mit dem Tarawih-Nachtgebet beginnt am heutigen Donnerstagabend für Muslime in aller Welt der Fastenmonat Ramadan. "Das Fasten ist eine der fünf Säulen des Islam", erläutert Ali Gün. Seit einem Jahr ist er in Eberbach, um die hier lebenden Muslime als Seelsorger, Vorbeter (Imam) und Religionslehrer zu betreuen. Deutsch spricht er nur wenig, so übersetzt die Dialogbeauftragte des Moscheevereins, Keriman Bozkurt.
Das Gebet, die Wallfahrt nach Mekka, die Gabe von Almosen, das Glaubensbekenntnis zum Islam und eben das Fasten seien die Grundpfeiler seiner Religion, so Gün. Dabei seien nicht das Nichtessen und Nichttrinken das wirklich Wichtige, sondern es sei die dadurch bewirkte innere Reinigung, die zu Gott führe. Als Zeichen der Verbundenheit mit bedürftigen Menschen solle im Ramadan verstärkt Geld für diese gespendet werden.
Keriman Bozkurt. Foto: privatVon Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang dürfen die Gläubigen nun bis einschließlich 23. Mai weder Nahrung noch Getränke, nicht einmal Wasser, zu sich nehmen. Nur Alte, Kranke, Schwangere, stillende Mütter und Kinder sind vom Gebot des Fastens ausgenommen. Wem aus anderen wichtigen Gründen, etwa einer Reise, das Fasten nicht möglich ist, der kann es zu einem anderen Zeitpunkt nachholen.
Mit gemeinsamem Fastenbrechen und anschließendem Gebet in der Moschee wird das Fasten normalerweise täglich beendet. In diesem Jahr ist aufgrund der Corona-Pandemie allerdings alles anders – auch in Eberbach.
So wie Christen während der Kar- und Ostertage auf die Feier ihrer höchsten Festtage in den Kirchen verzichten mussten, bleiben diesmal im Ramadan auch die Moscheen geschlossen. "Wir sehen diese Maßnahmen aus Rücksicht auf die Gesundheit der Menschen als notwendig an", erklärt Ali Gün dazu. "Wir handeln im Einklang mit den deutschen Politikern und halten uns an ihre Vorgaben."
Das bedeutet, dass die üblicherweise gemeinsamen Gebete aufgrund der aktuellen Situation nun von jedem einzelnen zu Hause verrichtet werden sollen. "Wir beten zu Allah, dass diese schwierigen Zeiten bald vorübergehen", sagt Gün. Der Imam betritt derweil fünfmal täglich allein den Gebetsraum der Eberbacher Moschee, um den Gebetsruf erschallen zu lassen und zu beten.
Da in den letzten Jahren der Ramadan, der sich nach dem Mondkalender richtet und sich somit jedes Jahr um zehn Tage verschiebt, in die warme Jahreszeit fiel, traf die Gemeinde sich abends meist draußen vor der Moschee unter einem Zeltdach zum gemeinsamen Fastenbrechen, erinnert sich Keriman Bozkurt: "Nach dem Essen gingen wir dann von dort zum Gebet in den Gebetsraum." Seit ein paar Jahren sei eigens ein Koch aus der Türkei angereist, um unter Mithilfe einiger Frauen der Gemeinde in der Moschee-Küche für alle zu kochen. "Dieses gemeinsame Fastenbrechen werden wir am meisten vermissen", bedauert Bozkurt. Jede Familie werde nun bei sich daheim das Fastenbrechen begehen und das anschließende Tarawih-Gebet verrichten. Damit die Gläubigen in diesen besonderen Wochen nicht ganz auf sich allein gestellt sind, verspricht Imam Ali Gün, "durch die intensive Nutzung der sozialen Medien ‚Ramadan-Atmosphäre‘ in unsere Häuser zu bringen". So werde er die Gemeindemitglieder per WhatsApp, Facebook oder Instagram mit Predigten und Koranlesungen versorgen, berichtet Keriman Bozkurt. "Und wir haben ja auch türkische Sender, die bringen uns die entsprechende Atmosphäre nach Hause."
Zum Abschluss des Ramadan wird dann gewöhnlich drei Tage lang gefeiert. "Das Bayram-Gebet beschließt die Fastenzeit", so Bozkurt, "da sind die Moscheen proppenvoll." Nach dem Moscheebesuch werde in den Familien zusammen gegessen, die Kinder erhielten Geschenke, Verwandte würden besucht. Die mit dem Fest verbundenen Familientreffen werde man dieses Jahr schmerzlich vermissen.
Wenn es in den kommenden Wochen noch zu Lockerungen des Versammlungsverbotes kommen sollte, würde das nach Bozkurts Einschätzung an der nun vorgesehenen Praxis kaum etwas ändern: "Allein das Kochen für die ganze Gemeinde, das bräuchte ja alles ein bisschen Vorbereitung, das geht nicht von heute auf morgen."
Aber vielleicht könnte man sich dann zumindest zum Abschlussfest mit den Verwandten treffen? "Mal schauen, wie die Lage bis dahin ist", sagt Bozkurt, in der Hoffnung, vielleicht doch noch Töchter und Enkel in die Arme schließen zu können. Wenn nicht: "Dann werden wir eben im kleinen Rahmen feiern."