Von Jutta Biener-Drews
Eberbach. Mit seinen damals 24 Jahren war er der Jüngste, der ein Gemeinderatsmandat erobert hatte: Christian Kaiser. Für die AGL war er mit 23 ins Rennen gegangen, ernsthafte Chancen hatte sich Kandidat Kaiser allerdings nicht ausgerechnet. Aber die CDU verlor 2014 einen Sitz - und die Alternativgrünen gewannen einen dazu. Er war drin.
Was dann kam, wie er seine ersten Schritte auf kommunalpolitischem Parkett erlebt hat, was ihn überhaupt dazu veranlasst hat, aktiv Politik machen zu wollen - und wie aus seiner heutigen Sicht jemand gestrickt sein muss, der sich dazu entschließt: Um dies und anderes mehr ging es in unserem Gespräch mit Christian Kaiser.
Kaiser, Abiturnote 1,0, Ex-Fußballer und neu im NABU-Vorstand, kommt ebenso konzentriert wie locker rüber. 28 wird er diesen Monat und steht kurz vor Abschluss seines Lehramtsstudiums in Heidelberg. Latein, Politik-, Wirtschaftswissenschaft und Geschichte sind seine Fächer. Für ihn erklärt sich daraus, "dass ich auch aktiv Politik machen wollte, neben der theoretischen Auseinandersetzung damit" an der Uni. Und in der Kommunalpolitik kann man sich am direktesten mit den Dingen auseinandersetzen, weiß Kaiser.
Aus Interesse nahm er damals an einer Fraktionssitzung der AGL teil - "weil man halt dahin geht, wo man Leute kennt". Festgelegt war Kaiser zu diesem Zeitpunkt aber noch nicht: "Auch die SPD wäre möglich gewesen". Doch dann überraschte und überzeugte ihn das offene Diskussionsklima bei den Alternativgrünen - "jeder durfte seine Meinung kundtun" -, und die Themen lagen ihm auch.
Dass er selbst von Anfang an eine klare Meinung gehabt hätte, verneint Kaiser: "Man muss sich erst einarbeiten in die Themen, Hintergrundwissen erwerben". Und im Zuge dessen verändere sich dann das Verhältnis zu Dingen: "Vieles ist nicht so einfach, wie man sich das vorstellt". Um über den Haushalt zu sprechen, "müsste man doch einen halbstündigen Vortrag halten", sagt er. Und wer will das überhaupt hören?
Starre Fronten mag er sowieso nicht. Ein Schlüsselerlebnis des jungen Gemeinderats war "die relativ geringe Fraktionsdisziplin", die er im Eberbacher Rat antraf: "Innerhalb der Fraktionen gibt es fast immer abweichende Meinungen, nie wird en bloc abgestimmt". Kaiser findet das gut. Und er findet die Sitzungen "kurzweilig, hinquälen muss ich mich nie".
Dass er als Greenhorn im Rat gegenüber den Erfahrenen großen thematischen Nachholbedarf hatte und sich richtig reinknien musste in die Materie, wurde durch sein Interesse an der Vielfalt der Themen aufgewogen: "Man bekommt Einblicke in Bereiche, für die man sonst nie Zeit aufwenden würde". Und Christian Kaiser begegnet dem uneingeschränkt neugierig. Ortsbesichtigung im Umspannwerk am Scheuerberg? "Wer kennt das schon!" Waldbegehung? Kaiser strahlt einen an.
Sein Alter sei für ihn nie ein Problem gewesen in der Ratsrunde, erinnert er sich. Obwohl: "Anfangs hab’ ich mir schon sehr genau überlegt, was ich sage". Nicht nur aus kluger Zurückhaltung - Kaiser wollte sich erst schlaumachen und belegte Seminare zur Gemeindeordnung. Die hier versammelten Persönlichkeiten flößten dem Jungspund schon auch Respekt ein. Um die Machtstrukturen im Rat zu durchschauen, habe er fünf Jahre gebraucht, sagt er. Die meisten im Gremium kannte er zuerst überhaupt nicht oder nur vom Sehen. Ein Nachteil war das in seinen Augen aber nicht: "Ich selbst war unvoreingenommen und wurde auch nicht gleich in eine Schublade gesteckt."
Jetzt kandidiert Kaiser aufs Neue. Und dabei fühle er sich jetzt "etablierter, selbstbewusster, souveräner" als 2014, kann von sich sagen, dass er sich "deutlich besser auskennt und mehr zu den Themen beitragen kann".
Wie ist das heute: Würde er sich mit jedem im Rat, auch mit den richtig unbequemen politischen Gegnern anlegen und Kontra geben? "Ja", sagt Kaiser, "mit jedem!" Wenn es um die Sache geht und wichtig ist. Nicht einfach um des Widerspruchs willen.
Ob er allen jungen Leuten empfehlen würde, sich um ein Ratsmandat zu bewerben? Kaiser sagt spontan ja. Doch dieses Ja wackelt, je mehr Eigenschaften ihm einfallen, die ein Gemeindeparlamentarier seiner Ansicht nach unbedingt haben sollte. Als da wären: Authentizität. Steht für ihn ganz oben, "wenn man sich nicht verstellt, wird man immer gehört". Kompromissfähigkeit - "ohne kann man nicht Politik machen". Humor, Meinungsstärke, Hartnäckigkeit, Lernfähigkeit, Diskussionsfreude; ganz wichtig auch: man muss kommunizieren wollen - und es auch können; muss sachorientiert arbeiten, muss Interesse fürs Allgemeine haben und über den eignen Gartenzaun herausschauen, nicht nur Eigeninteressen verfolgen.
Die sogenannten "stillen Wasser" gehören für Kaiser nicht in den Rat, "man muss schon Position beziehen". Und natürlich muss man viel Zeit investieren. Gut möglich also, dass die aktive Rolle in der Politik doch nicht jedermanns Sache ist? Kaiser lenkt ein. Um sich gesellschaftlich einzubringen, stehen einem viele Wege offen, nennt er beispielhaft die Beraterfunktion in den Ausschüssen. Auf diese Sachverständigen, die für eine "Öffnung des Rats nach außen" sorgen, hält er selbst große Stücke. Und an einem führt für ihn sowieso kein Weg vorbei: am Wahllokal. Wählen gehen!