Von Marcus Deschner
Eberbach. Mit dem Abriss der ehemaligen Gärtnerei Schlickenrieder an der Friedrichsdorfer Landstraße geht eine lange Tradition in Eberbach zu Ende. Die Abbrucharbeiten laufen derzeit auf Hochtouren. Auf dem weitläufigen Areal sollen Wohnungen und Reihenhäuser entstehen. Gebaut von der Firma KW Wohn- und Industriebau aus Waldbrunn.
Vier Generationen Gärtnermeister, allesamt mit den Vornamen Julius, betrieben mit ihren Familien einst auf dem Gelände Gemüseanbau und züchteten Blumen. Doch damit ist es seit geraumer Zeit vorbei, Gärtnermeister Julius Schlickenrieder jun. hat zwar mit seiner Frau Petra vor Jahren seitlich auf dem Grundstück ein schmuckes Wohnhaus errichtet, in dem sie leben. Doch haben sie sich mittlerweile ganz auf Grabpflege verlegt.
Urgroßvater Julius Schlickenrieder war bis 1875 Hofgärtner bei Graf Spee in Westkirch/Westfalen, Urgroßmutter Berta dort Kammerzofe. 1876 zog’s das Ehepaar an den Neckar, und man kaufte die Gärtnerei. Bruder Georg Schlickenrieder war nämlich bereits in Eberbach, wo er ein Baugeschäft hatte. Zwei Kinder, Julius und Hedwig, entstammten der Ehe.
Bis zu 14 Lehrlinge wurden in dem Betrieb zeitweise beschäftigt. Schlickenrieder reiste viel zu Gartenausstellungen. Beispielsweise nach Berlin, von wo er einen Ginkgobaum mitbrachte. Oder nach Zürich, wo er mit einem Magnolienbaum zurückkam. Die beiden Exemplare sind mittlerweile um die hundert Jahre alt und sollen trotz geplantem Bau der Wohnungen erhalten bleiben, gibt Schlickenrieder Auskunft.
Auch in Eberbach habe der Urgroßvater eine solche Ausstellung organisiert. "Mein Urgroßvater und mein Großvater machten Aufzeichnungen über Pflanzen und Pflanzenschädlinge für das Biologisch-Botanische Institut der Universität Heidelberg, weiß er aus der Familienchronik.
Aus der Ehe seines Großvaters gingen drei Kinder, nämlich Ruth (Bauer), Elsbeth (Benz) und - natürlich - Julius (Schlickenrieder) hervor. Sein Vater habe in Form von Maschinen und Gewächshäusern am meisten in den Betrieb investiert, sagt Julius jun., der mit seiner Schwester Petra aufwuchs.
Der Betrieb hatte eine Fläche von rund 7400 Quadratmetern, davon 2600 Quadratmeter "unter Glas", also in Gewächshäusern. Zudem gehörten noch zwei Hektar Wald, Feld- und Wiesenflächen dazu. Schlickenrieder jun. kramt in der Familiengeschichte und weist auf die zahlreichen - damals - jungen Menschen hin, die bei Urgroßvater und Großvater ausgebildet wurden. Darunter finden sich so bekannte Eberbacher Namen wie Krauth, Röth, Bertsch, Mackamull, Abendschein und Wurm.
Der Vater verstarb im Januar 2014. Da man keinen Nachfolger gefunden hatte, verkaufte man Jahre danach das Betriebsgelände. Lange Zeit blieb es zunächst liegen, der THW-Ortsverband Eberbach führte in den leer stehenden Gebäuden mehrfach Übungen durch.
Nun soll das stadtnah gelegene Areal einer neuen Nutzung zugeführt werden. "Ja, wir haben das Grundstück gekauft", bestätigt Geschäftsführer Andreas Wandrey von der KW Wohn- und Industriebau GmbH aus Waldbrunn. Nachdem andere Interessenten sich zurückgezogen hatten.
Zurzeit räume man die etwa 5200 Quadratmeter große Fläche frei, um sie baureif zu machen. Seit Wochen laufen die Arbeiten, denn alles anfallende Abbruchmaterial muss sortenrein getrennt werden.
Was genau dort entstehen soll, sei allerdings noch nicht sicher, betont der Unternehmer. Zwar seien seniorengerechte Wohnungen und Reihenhäuser "angedacht", konkrete Pläne gebe es aber noch keine. Man wolle zunächst ein Bodengutachten erstellen. Und mit der Stadtverwaltung sprechen. Denn einen Bebauungsplan gebe es dort nicht, so dass sich die neuen Gebäude in die umgebende Bebauung "einfügen" müssten.
Allerdings sei innerstädtische "Nachverdichtung" ganz im Sinne des aktuellen Trends.
Andreas Wandrey rechnet damit, dass im Herbst Pläne vorgelegt werden können und das Projekt dann kommendes Jahr umgesetzt werden kann.