Von Peter Bayer
Eberbach. Rund 730 Schüler, überwiegend aus Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz, werden jährlich an der Theodor-Frey-Schule (TFS) unterrichtet. Seit Februar 2014 muss sich die Schule einer neuen Herausforderung stellen. Es ist eine Situation, auf die das Lehrerkollegium nicht vorbereitet war: Jugendlichen Flüchtlingen ohne Deutschkenntnisse soll sie die rudimentären
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Von Peter Bayer
Eberbach. Rund 730 Schüler, überwiegend aus Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz, werden jährlich an der Theodor-Frey-Schule (TFS) unterrichtet. Seit Februar 2014 muss sich die Schule einer neuen Herausforderung stellen. Es ist eine Situation, auf die das Lehrerkollegium nicht vorbereitet war: Jugendlichen Flüchtlingen ohne Deutschkenntnisse soll sie die rudimentären Züge unserer Sprache vermitteln, so dass sie sich im Alltag zurechtfinden und in die Arbeitswelt integriert werden können.
Als "Learning by doing", beschreibt Valerie Sieber-Schmitt die Situation in den letzten Monaten. Man könne die Eberbacher Theodor-Frey-Schule durchaus als "Leuchtturmschule" bezeichnen. "Wir haben im Team Konzepte entwickelt und bilden andere Schulen fort", sagt die stellvertretende Schulleiterin.
Bei diesem Unterfangen wollen sie Eberbacher Firmen und Betriebe, aber auch die Stadt, mit ins Boot holen. Die Jugendlichen, die genügend Deutsch verstehen, sollen in die Arbeitswelt schnuppern. Dabei soll es sich um kein Praktikum im herkömmlichen Sinne handeln, wie sie etwa von Werkrealschule, Realschule oder Gymnasium nachgefragt werden. Vielmehr sollen die Flüchtlingsjugendlichen eine Vorstellung bekommen, welche Berufe es bei uns überhaupt gibt.
Den Firmen entstehen keine Kosten, die Jugendlichen sind über die Schule versichert. "Die Wirtschaft soll einen Mehrwert haben", sagt Schulleiter Martin Staniczek. "Die Betriebe lernen junge Leute kennen, die eventuell eine Ausbildung machen können.
So will die Schule in den nächsten Tagen gezielt größere Betriebe, Firmen und Einrichtungen anschreiben und mit ersten Informationen versorgen. Geplant ist zunächst ein zwei- bis dreiwöchiger Blockzeitraum, in dem die Jugendlichen verschiedene Tätigkeiten kennen lernen. Staniczek zeigt dies exemplarisch am Hotel- und Gastronomiebereich auf, dem Mitarbeiter fehlen. Allein hier seien sechs Berufstätigkeiten angesiedelt: Restaurantservice, Küche, Reinigung, Zimmerservice, Empfang, Büro. "Wir freuen uns über jeden Kleinbetrieb, der einen Jugendlichen nimmt und seinen Beitrag leistet", sagt Sieber-Schmitt.
Zurzeit besuchen rund 50 Jugendliche und junge Erwachsene die Theodor-Frey-Schule, wobei die Fluktuation hoch ist. Dies liegt auch an der Rückführung in die Balkanstaaten. Zu Beginn im Februar 2014 war es eine Klasse, ab diesem Schuljahr sind es bereits zwei Klassen "VABo" (Vorbereitung Arbeit und Beruf ohne Deutschkenntnisse).
"Wir sind die einzige Kommune im Kreis, die Wohnungen zur Verfügung hat, deshalb bekommen wir überwiegend Familien mit vielen Kindern zugewiesen", sagt Bürgermeister Peter Reichert. Und während die Kinder schulpflichtig sind, sind die 16- bis 18-Jährigen automatisch berufsschulpflichtig.
Ziel der Lehrer in der TFS ist es, ihnen Sprachkenntnisse in Deutsch auf B 1-Niveau zu vermitteln. Das heißt, dass sie sich in den einfachsten Dingen zurecht finden. Viele Jugendliche, so der Schulleiter, kommen aus dem arabisch-sprechenden Raum, aber auch aus afrikanischen Bürgerkriegsgebieten.
So werden in der TFS im Moment Schülerinnen und Schüler aus zehn Nationen unterrichtet. Insgesamt rund ein Drittel von ihnen sind entweder ohne Schulbildung oder können nur arabisch schreiben. Die Lehrer müssen hier praktisch bei Null anfangen. "Wenn man ihnen eine Perspektive aufzeigt, steigert das die Motivation, Deutsch zu lernen", sagt Valerie Sieber-Schmitt.
Wie unterschiedlich die Voraussetzungen sind, verdeutlicht Staniczek an zwei Beispielen. "Fragt man die jungen Syrer nach ihrem Wunschberuf, sagen sie Arzt oder Webdesigner. Der Arzt genießt dort einen hohen Status, als Webdesigner kann man viel Geld verdienen. Hingegen hätten die jungen Leute aus den meist noch stammesmäßig geprägten afrikanischen Ländern überhaupt keine Berufsvorstellungen. Sie kennen keine duale Ausbildung oder Wirtschaftsstruktur. "Studieren heißt in Afrika Ausbildung machen", so der Schulleiter. Sie haben zum Teil eine dreijährige Duldung oder die Anerkennung auf Asyl in Aussicht. Man müsse den jungen Leuten eine Vorstellung davon geben, wie man hier lebt, arbeitet und Geld verdient.
Info: Wer einem Jugendlichen einen "Praktikumsplatz" anbieten will, kann dies über das Sekretariat, Telefon (0 62 71) 80 201, oder per E-Mail unter info@tfse.de tun.
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