Von Anita Ludwig
Roigheim. Es könnte schon sein, dass sich so mancher, der sich in den letzten Wochen mit der Lokalpolitik des nördlichen Heilbronner Landkreises beschäftigt hat, an die berühmten Gallier jenes Dorfes erinnert, die sich den Herrschenden mit kreativer List entgegenstellen. Für den Roigheimer Gemeinderat Siegfried Schwab war der Hintergedanke seines Vorschlags nicht, gegen die Unterdrückung von Herrschenden zu kämpfen, sondern die Verantwortlichen auf die Belange der Gemeinde aufmerksam zu machen.
In der Gemeinderatssitzung am 22. Januar fragte Schwab an, ob es nicht möglich sei, dass die Seckachgemeinde Roigheim in den Neckar-Odenwald-Kreis wechselt. Hinter der "Grenze", so der Eindruck der meisten Roigheimer, sei einfach vieles besser - der Zustand der Straßen, der Personennahverkehr sowie eine sehr gute Gesundheitsversorgung.
Der Gemeinderat weiß, dass ein Wechsel nicht möglich ist, es sei denn, der jeweilige Landkreis hat einen Vorteil davon. Er sieht die Anfrage als Provokation, um den Bürgern der Gemeinde Gehör zu verschaffen.
In diesem Punkt hatten er und die anderen Gemeindevertreter Erfolg. Landrat Detlef Piepenburg und Thomas Thullner vom Straßenbauamt nahmen am letzten Donnerstag an einer öffentlichen Gemeinderatssitzung teil, um sich unter anderem den Fragen der circa 70 anwesenden Roigheimer zu stellen.
Roigheims Bürgermeister Michael Grimm umriss in seiner Begrüßungsrede nochmals die zum Teil seit Jahren bestehenden Hauptanliegen der Gemeinde. Auch Siegfried Schwab erläuterte den Anwesenden die kritischen Punkte, die zu seiner Aktion geführt haben. "Den Zusatz: ,Roigheim ist das Tor zum Heilbronner Land‘’ haben wir schon vor Jahren aus unserem Logo entfernt, da die Straßen innerhalb unseres Kreises gleich nach den Begrüßungsschildern katastrophal schlecht werden."
Dies sowie die anderen "Baustellen" fördern bei den Menschen vor Ort das Gefühl, mindestens zweitklassig zu sein. Und das in einer Phase der Hochkonjunktur und in einem Landkreis, der zu den reichsten überhaupt zählt.
Eigentlich sei es kein Gefühl, sondern Realität, die man mit eigenen Augen sehen und immer neu erleben könne. Die Entwicklung ländlicher Regionen, insbesondere an den Rändern, sei auch im wohlhabenden Baden-Württemberg eine Tatsache - wobei es eben scheint, dass hier mehr Württemberg als Baden das Problem hat.
Landrat Detlef Piepenburg ging mit circa 30 Powerpointfolien auf die Problematik ein. Er begann mit den unterschiedlichen Aufgaben des Landratsamtes, das in Abhängigkeit der Gesetzgebung handle und die Vorgaben umsetze.
Personal- und Fachkräftemangel waren zusammen mit dem Wort "Finanzierung" die am häufigsten genannten Begriffe und zogen sich durch alle angesprochenen Bereiche. Piepenburg verwies auf hohe Ausgaben insbesondere im Sozialbereich.
Bei den Straßen und ihrem Zustand sei das Landratsamt "nur" für die Kreisstraßen zuständig, die Landstraßen fallen in den Verantwortungsbereich der Landesregierung. Zuhörer Bernhard Götz wollte daraufhin wissen, weshalb diese so genannte Reparatur nach Bedarf sowohl auf der L1095 nach Sennfeld oder auf der Landesstraße L1099 nach Schefflenz dann exakt an der Kreisgrenze ende.
Fachmann Thomas Thullner erklärte hierzu, dass die turnusmäßig stattfindende Zustandserfassung und -bewertung maßgeblich sei. Auch eine Gefährdung aufgrund mangelnder Griffigkeit könnte hier zugrunde liegen. Götz war, ebenso wie einige andere Anwesende, nicht wirklich überzeugt von der Antwort.
Der Landrat gab zu, dass der öffentliche Nahverkehr in diesem Bereich zu wünschen übrig lasse. Sowohl bei Stadtbahn, S-Bahn, Schienen- und Busverkehr gäbe es unterschiedliche Verantwortungsbereiche und die Lage an der Kreisgrenze mache das Ganze nicht einfacher. Der Kreis hoffe nun auf die Privatisierung der Bahnstrecke ab Dezember 2019 und die damit verbundene Zusage auf einen Stundentakt im Nahverkehr. Kreisgrenzen überschreitender Busverkehr sei aufgrund von Rentabilitätsberechnungen nicht machbar.
Im Zusammenhang mit der Schließung des Krankenhauses in Möckmühl, die für die meisten Bürger der Gegend ein weiterer Beweis für ihre Zweitklassigkeit war, erläuterte Detlef Piepenburg erneut den Zusammenhang zwischen den gesetzlichen Vorgaben und einer Umsetzung, die, wie das geplante Ärztezentrum, eventuelle negative Folgen abmildern soll.
Die Fragen der Zuhörer bezogen sich hier auf die langen Wartezeiten in anderen Kliniken, die Notfallversorgung und den langen Anfahrtsweg des Rettungsfahrzeugs. Zudem wurde die Tatsache angeführt, dass es sehr wohl Kreise gebe, die sich ein Defizit in diesem Bereich leisten wollen, um die Gesundheitsversorgung sicherzustellen.
Siegfried Schwab wandte sich am Schluss mit der Frage an den Landrat, ob man von einem "Fehler im System" sprechen könne. Piepenburg antwortete: "Ja". Doch Fazit sei auf jeden Fall, dass, egal um welche Probleme es sich handelt, die Ursachen dafür woanders zu suchen seien - und nicht in der Kreisverwaltung. Auch lägen die Gründe dafür schon Jahre und Jahrzehnte zurück.
Roigheims Bürgermeister Michael Grimm bedankte sich am Schluss für die Bereitschaft der Herren Piepenburg und Thullner, nach Roigheim zu kommen und mit den Bürgern in den Dialog zu treten.
Für Siegfried Schwab war es schon deshalb ein Erfolg, weil die Gemeinde gehört wurde. "Es war das erste Mal, dass der Landrat bei einer Gemeinderatssitzung anwesend war, und es wird hoffentlich nicht das letzte Mal sein."