Der Barnholzgraben in der Nähe der Bahnlinie begrenzt das geplante Gewerbegebiet "Schöner Busch" im Südwesten. Weil die Planer seine Lage nicht genau verortet haben, musste nun der Entwurf geändert werden. Auch weitere Versäumnisse bremsen das Projekt. Foto: Janek Mayer
Walldürn. (jam) "Wie viele Bäume ist ein Arbeitsplatz wert?" Der Gemeindeverwaltungsverband Hardheim-Walldürn und die Bürgerinitiative "Erhalt Schöner Busch - Löschenäcker" haben da offensichtlich unterschiedliche Ansichten. Dass sich diese Frage überhaupt stellt, liegt an den Plänen der Stadt Walldürn, dem Unternehmen Procter & Gamble (Braun) gewerbliche Bauflächen in einem Waldgebiet für eine mögliche Erweiterung bereitzustellen. P&G habe nach eigener Aussage "alle Expansionsmaßnahmen in den heutigen Grenzen des Werksgeländes ausgeschöpft", begründet der GVV diesen Schritt.
Auf Nachfrage der RNZ bestätigte Bürgermeister Markus Günther: "Der nächste Entwicklungsschritt des Unternehmens muss außerhalb sein." Der Bürgerinitiative zufolge gibt es dafür genügend geeignete Flächen, auf denen kein Wald gerodet werden muss. Aber Jürgen Glaser vom Ingenieurbüro IFK ist da anderer Ansicht: "Wir erachten die direkte Nähe zum Stammwerk als notwendig. Und die Sicherung der Arbeitsplätze ist ein legitimes Ziel." Mit dieser Einschätzung unterstützt er den GVV, der P&G "wirtschaftlich und ökologisch sinnvolle Betriebsabläufe mit kurzen Wegen" ermöglichen möchte.
Das Braun-Werk braucht langfristig Flächen für eine Weiterentwicklung. Das geht nur auf Kosten des Waldes. Foto: Janek Mayer
Weil im Norden Wohnbebauung an der Waldstraße und im Südwesten die Bahnlinie eine Betriebserweiterung unmöglich machen, bleibe nur die Ausdehnung in das Waldgebiet "Schöner Busch". 14 Hektar davon sollen in gewerbliche Baufläche umgewandelt werden. Langfristig könnten damit Bäume auf einer Fläche von etwa 20 Fußballfeldern der Säge zum Opfer fallen. Im Westen begrenzt die Panzerstraße das Gebiet, im Südosten reicht es bis an den Barnholzgraben entlang der Bahnlinie.
Kann die Stadt Walldürn ihr Vorhaben durchboxen, steht das Gewerbegebiet dennoch nicht in Konkurrenz zum Verbandsindustriepark: "Die Fläche dient nur der Erweiterung von P&G. Keine andere Firma darf sich dort ansiedeln. Nur so bekommen wir die Fläche überhaupt genehmigt."
Bis sich das Braunwerk in den "Schönen Busch" ausbreiten kann, muss die Flächennutzungsplanänderung erst einmal in der Verbandsversammlung des GVV beschlossen werden. Davon ist man aber noch weit entfernt. Denn die Mühlen der Bürokratie mahlen langsam - sehr zur Freude der Bürgerinitiative, aber entgegen den Zielen des GVV, der dem regional bedeutsamen Unternehmen P&G Planungssicherheit verschaffen will. "Das Änderungsverfahren soll zügig abgeschlossen werden", heißt es in einem Schreiben des GVV.
Dafür nahm die Verbandsversammlung sogar die Teilfläche "Löschenäcker" aus dem laufenden Verfahren. Dieses Gebiet, auf dem der Biotopschutzbund eine "Arche Noah für alte Obstbaumsorten" geschaffen hat, wollte die Stadt Walldürn ursprünglich im selben Verfahren als Gewerbegebiet ausweisen. Wohl aufgrund von zu viel Gegenwind hat man diese Fläche dann aber zurückgestellt, "um Verzögerungen im Verfahrensablauf zu vermeiden".
Nun stockt der Prozess aber an anderer Stelle. "Es besteht weiterer Ermittlungsbedarf - vor allem beim Umweltbericht", verkündete Jürgen Glaser dem Gremium in der Donnerstagssitzung. Nach mehreren Änderungen an der Fläche wäre nun eigentlich der nächste Schritt, den Entwurf noch einmal öffentlich auszulegen, damit Behörden und Bürger dazu erneut Stellung nehmen können. Ohne eine erweiterte Umweltprüfung und eine Waldumwandlungserklärung sind dem Gremium aber vorerst die Hände gebunden. "Es dauert rund ein Dreivierteljahr, bis so ein erweiterter Umweltbericht erstellt ist", erklärte Bürgermeister Markus Günther auf Nachfrage der RNZ.
Den Auftrag dafür erteilte die Verbandsversammlung am Donnerstag - und zwar an dasselbe Unternehmen, das bereits seit Mai 2016 den Umweltbericht für das Gebiet "Schöner Busch" erstellt. Der GVV hatte es damals übersehen, die gesetzlich geforderte Umweltverträglichkeitsprüfung mit in Auftrag zu geben. "Wir weisen darauf hin, dass die notwendige Waldumwandlungserklärung für das Gebiet ,Schöner Busch’ rechtzeitig vor dem Feststellungsbeschluss vorgelegt werden muss", haben drei Behörden unabhängig voneinander dem GVV in Stellungnahmen mitgeteilt - und das schon im Januar 2017. Dennoch reagierte das Gremium erst jetzt auf dieses Versäumnis.
Martin Kuhnt von der Bürgerinitiative freut sich über solche Nachlässigkeit: "Dass sich das Verfahren nun verzögert, kommt uns natürlich entgegen." Denn bislang musste die Verwaltung das geplante Gewerbegebiet im "Schönen Busch" in beinahe jedem Verfahrensschritt verkleinern: Erst mussten die Planer den Grünpuffer am nördlichen Rand vergrößern, dann fiel das Waldbiotop "Feuchtbrache Rotenbuckel" im Süden aus der Planung, und nun gehen aufgrund des Barnholzgrabens weitere 0,6 Hektar verloren.
Damit bleiben die bereits genannten 14 Hektar Waldfläche in der Planung, für die der GVV eine Ausgleichsfläche anbieten muss. Wie genau diese aussieht, lasse sich noch nicht sagen. Glaser zufolge komme dafür auch Acker- oder Grünland in Frage.