Neckar-Odenwald-Kreis. (jam) Zum Virus Sars-CoV-2 und zur Erkrankung Covid-19 gibt es viele Informationen, aber auch viele Mythen. Die Rhein-Neckar-Zeitung hat bei einem Termin im Gesundheitsamt Experten zu Themen befragt, die immer wieder in den Facebook-Kommentaren auf "RNZ Neckar-Odenwald" für Verwirrung sorgen.
Wird man nach einem positiven Test zwangsläufig krank?
Nein, hat sich jemand angesteckt, bedeutet das zunächst einmal nur: Das Virus hat es geschafft, in den Körper zu gelangen und sich dort zu vermehren.
Wie viele Tests liefern ein falsch positives Ergebnis?
Das RKI geht von einer "sehr geringen Zahl falsch positiver Befunde aus, die die Einschätzung der Lage nicht verfälscht". Das bestätigte jüngst eine Untersuchung der Frankfurter Virologin Sandra Ciesek, die für eine Studie an 800 Kitakindern in Hessen rund 13.000 PCR-Tests in Auftrag gegeben hat: Zurück kamen nur zwei positive Ergebnisse. Die Spezifität des PCR-Tests – also wie wahrscheinlich er Gesunde als gesund erkennt – liegt demnach bei mehr als 99,99 Prozent.
Wann treten die ersten Symptome auf?
Im Mittel dauert es fünf bis sechs Tage, bis nach der Ansteckung die typischen Corona-Symptome auftreten. Bei einigen Menschen zeigen sie sich schon einen Tag nach der Ansteckung, bei anderen erst nach zwei Wochen. Deshalb schickt das Gesundheitsamt Kontaktpersonen ersten Grades für zwei Wochen in Quarantäne und fragt regelmäßig nach möglichen Symptomen. "Im Neckar-Odenwald-Kreis hat der Mehrheit der positiv Getesteten Symptome präsentiert oder noch entwickelt", berichtet Dr. Susanne Fischer aus dem Gesundheitsamt.
Warum zeigen manche Infizierte keine Symptome?
Bleiben Symptome aus, sprechen Ärzte von einer asymptomatischen Infektion. Schon etwa eine Woche nach der Ansteckung bildet der Körper Antikörper, die die Viren mithilfe weiterer Abwehrzellen unschädlich machen. "Bei vielen Menschen funktioniert das offenbar so gut, dass sie keine oder nur geringe Symptome bekommen", berichtet die Apotheken-Umschau. Solche Fälle registriert das Gesundheitsamt in Mosbach fast nur bei Kontaktpersonen. "Wir hatten schon Fälle, in denen Asymptomatische das Virus weitergegeben haben", berichtet Dr. Fischer.
Wann sind Infizierte ansteckend?
Das RKI geht davon aus, dass symptomatisch Erkrankte schon zwei Tage vor Erkrankungsbeginn ansteckend sind. Die Ansteckungsdauer reicht bis zum zehnten Tag nach Symptombeginn – also ist von einer zwölftägigen Ansteckungszeit auszugehen. Bei symptomlosen Erkrankten wird der Tag des Abstrichs als Erkrankungsbeginn gesetzt, sodass der Patient damit ab zwei Tage vor Abstrich als ansteckend gilt und die Ansteckungszeit auch bis zum zehnten Tag nach Abstrich angenommen wird.
Wie kommt es, dass trotz der ausgerufenen Pandemie niemand in meinem Bekanntenkreis erkrankt ist?
Das ist ein Zahlenspiel. Es ist nachvollziehbar, dass viele Menschen ein unsichtbares Virus als abstrakt empfinden. Die Behauptung, dass die Pandemie erfunden sei oder die Gefahr künstlich aufgebauscht werde, sorgt im Landratsamt aber für Kopfschütteln. "Wer so argumentiert, verkennt, wie viel Arbeit geleistet wird, um das Virus kleinzuhalten", sagt Jan Egenberger. Und Dr. Susanne Fischer findet treffende Worte: "Ich kenne sehr viele Erkrankte – einige davon mit schlimmen Verläufen. Ich habe sogar mit Leuten gesprochen, die später daran gestorben sind."
Welchen Nutzen hat die Corona-Warn-App?
Dr. Susanne Fischer hält die App für ein sehr gutes System, aus dem man einen Nutzen ziehen kann, stellt aber klar, dass es nicht mit dem Gesundheitsamt vernetzt ist. Bei mehr als 1000 Infektionen im Landkreis habe die Warn-App bislang nur bei einem niedrigen zweistelligen Bereich angeschlagen. Kleiner Tipp am Rande: Wer von der App gewarnt wird, kann sich kostenlos testen lassen.
Breitet sich das Virus vor allem in Schulen aus?
"Es sind nicht die Schulen, die die Infektionen maßgeblich treiben", sagt Pressesprecher Jan Egenberger. Dort gebe es zwar viele Fälle, aber das Virus zirkuliere in den Schulen nicht. Das bestätigt eine Auswertung der Hamburger Schulbehörde: Mehr als drei von vier Schülern stecken sich demnach außerhalb der Schule an. Dass Bürger im Landkreis das anders wahrnehmen, führt Jan Egenberger auf die Informationspolitik im Landratsamt zurück: Bei Gemeinschaftseinrichtungen wie Schulen und Kindergärten veröffentlicht es die Information bereits beim ersten Fall, bei Heimen erst ab einem Ausbruch mit mindestens drei Infizierten. "Bei Firmen müssen wir dagegen mit dem Datenschutz vorsichtig sein", so der Pressesprecher. "Deshalb wächst da vielleicht der Eindruck in der Bevölkerung, dass es vor allem die Schulen betrifft."
Wo infizieren sich die meisten Personen im Neckar-Odenwald-Kreis?
Aktuell im "Lockdown light" stecken sich den Scouts zufolge die meisten Personen innerhalb der Familie oder auf der Arbeit an. Aber: "Es gibt keinen Bereich des öffentlichen Lebens, wo wir keine Infektionen hatten", sagt Dr. Fischer. Spektakuläre Fälle – wie etwa bei illegalen Veranstaltungen – habe es bislang nicht gegeben, so Egenberger. Und: "Seit Beginn des ,Lockdown light‘ gab es kein Superspreader-Event im Neckar-Odenwald-Kreis", sagt Stabsunteroffizier Müller. Eine auffällige Häufung habe er aber zum Beispiel an Halloween beobachtet.
Wieso hilft die Bundeswehr im Landratsamt des Neckar-Odenwald-Kreises aus?
Im Juli war die Situation noch gut zu bewältigen, sagt Franziska Schäfer, eine von vier Containment Scouts des Landratsamts. Das hat sich mit Beginn der zweiten Welle geändert. "Wir brauchten personelle Verstärkung. Das Virus ist sehr schnell, und wir müssen Schritt halten", erklärt Jan Egenberger. Und Kreisbrandmeister Jörg Kirschenlohr, der für das Landratsamt die Verbindung zur Bundeswehr hält, berichtet: "Wir wollten eine prekäre Lage gar nicht erst entstehen lassen." Deswegen habe man frühzeitig den Kontakt gesucht. Der Antrag auf Amtshilfe, der im Artikel 35 des Grundgesetzes geregelt ist, setzt voraus, dass alle anderen Ressourcen ausgeschöpft sind. "Erst dann darf die Bundeswehr eingreifen – und auch dann nur, um die Spitzen abzufangen", erklärt Hauptmann Sascha Jakoby vom Landeskommando Baden-Württemberg. Und auch dann dürfe der Einsatz von Soldaten in einer zivilen Behörde wie dem Landratsamt nicht zum Dauerzustand werden.
Wie soll die weitere Kooperation mit der Bundeswehr aussehen?
Das Landratsamt möchte die Zusammenarbeit verlängern und sogar ausbauen. "Wir wollen weitere Soldaten – und wir brauchen sie auch", sagt Kreisbrandmeister Jörg Kirschenlohr. Er rechne mit einem positiven Bescheid vom Kommando Territoriale Aufgaben in Berlin, das im Krisenfall die Einsätze der Bundeswehr im Innern koordiniert. Obwohl Jan Egenberger voll des Lobs für die Arbeit der militärischen Kontaktnachverfolger ist, betont der Pressesprecher: "Wir sind froh, wenn wir die Bundeswehr einmal nicht mehr brauchen."
Wie viele Soldaten kann das Logistikbataillon 461 in Walldürn für die Amtshilfe bereitstellen?
"Aktuell unterstützen etwas mehr als 100 Soldaten Gesundheitsämter in der Region bei der Bekämpfung des Coronavirus", sagt Rainer Pukrop, der Presseoffizier des Bataillons. Diese leisten üblicherweise ihren Dienst in der Kaserne und fehlen nun im Grundbetrieb. Trotzdem hat Pukrop gute Nachrichten: "Wir haben noch Reserven, müssen diese allerdings mit Augenmaß einsetzen."