Auf dem Schlierstadter Flugplatz (Foto) hebt zum Leidwesen vieler Anwohner regelmäßig ein Flugzeug mit Fallschirmspringern ab. Gegen den so verursachten Lärm gehen die Anwohner auf die Barrikaden. Im März läuft die Genehmigung für die Nutzung dieses Flugzeugs ab. Seckach möchte die Verlängerung an Bedingungen koppeln, die der Lärmreduktion dienen. Das Thema wurde am Montag im Seckacher Gemeinderat rege diskutiert. Foto: Liane Merkle
Seckach. (lm) Um das Hobby Fallschirmspringen ausüben zu können, muss man erst einmal in eine ausreichende Höhe gelangen. Diese Grundvoraussetzung gilt logischerweise auch für den Sonderlandeplatz im benachbarten Schlierstadt, wo man zum Transport der Springer seit Jahren ein Luftfahrzeug des Typs Pilatus Porter PC 6, ein einmotoriges Flugzeug mit Kolbenmotor, einsetzt. Dieses Transportmittel, das nach dem Urteil zahlreicher Ohrenzeugen einen ohrenbetäubenden Lärm verursacht, erregt seit Anbeginn die Gemüter der Anwohner in großem Umkreis des Flugplatzes. Und so hat sich auch bei der Seckacher Gemeindeverwaltung inzwischen ein dicker Aktenordner mit Beschwerden und Schriftverkehr angesammelt, weil der Flugbetrieb auf dem Sonderlandeplatz Schlierstadt-Seligenberg immer wieder Anlass zu Beschwerden von Einwohnern über viel zu große Lärmbelästigung gebe.
Mit diesem Thema befasste sich am Montag auch der Gemeinderat in seiner jüngsten Sitzung in der Seckachtalhalle. Die weiteren Tagesordnungspunkte der Sitzung finden sich im unten stehenden Artikel.
Zum Hintergrund: Die Southsidebase GmbH, Betreiber des Flugplatzes in Schlierstadt, hat eine Verlängerung der Ende März ablaufenden Außenstart- und Landeerlaubnis für oben erwähntes Flugzeug beantragt. Ausgangspunkt für die Aufnahme dieses Tagesordnungspunkts in den Seckacher Gemeinderat war die Tatsache, dass die Gemeinde Seckach vom zwischenzeitlich zuständigen Regierungspräsidium (RP) Stuttgart erstmals in rund 50 Jahren Flugplatzgeschichte offiziell in ein Genehmigungs- bzw. Erlaubnisverfahren eingebunden wurde.
Dies sogar mit der Möglichkeit einer Stellungnahme, wie Seckachs Bürgermeister Thomas Ludwig mit kritischen Worten in Richtung des Regierungspräsidiums Karlsruhe erläuterte, das zuvor für das Genehmigungsverfahren zuständig war: "In früheren Jahren blieben entsprechende Bitten und Forderungen der Gemeinde stets unberücksichtigt. Das erste Beschwerdeschreiben wegen übermäßigem Fluglärm datiert bereits vom 11. Juni 1979."
Abgesehen von jenen Jahren, in denen der Flugbetrieb etwa wegen Betreiberwechsel ruhte, haben diese Beschwerden bis zum heutigen Tag nie aufgehört. Immer wieder wandten sich lärmgeplagte Bürger an die Flugleitung, an die Gemeinde Seckach, an die Regierungspräsidien Karlsruhe bzw. Stuttgart und an andere verantwortliche Stellen mit der Bitte und Aufforderung, die Belastungen für die Bevölkerung zu reduzieren. "Seitens der Gemeinde Seckach wurde dieses Ansinnen stets aktiv unterstützt, und es fanden auch immer wieder Besprechungen und Vor-Ort-Termine statt, um verträgliche Lösungen zu finden", bekräftigte der Bürgermeister am Montag noch einmal. Ein Erfolg dieser Bemühungen war, dass der Flugplatzbetreiber das Pilatus-Flugzeug im Sommer 2010 mit einem geräuschärmeren Propeller ausstattete, was nach Meinung vieler Beschwerdeführer allerdings lediglich eine kaum merkliche Linderung in puncto Lärmpegel brachte.
Gleichzeitig verfügte das Regierungspräsidium Karlsruhe in seiner damaligen Verlängerung der Außenstart- und -landeerlaubnis erstmals als Auflage, dass an Sonn- und Feiertagen von 12.30 bis 13.30 Uhr keine Starts erfolgen dürfen.
Nachdem das Land Baden-Württemberg die Zuständigkeiten für Luftverkehrs- und Luftsicherheitsaufgaben zum 1. Januar 2017 beim RP Stuttgart zentralisiert hatte, konnte der Dialog intensiviert werden. "Diese Einstellung hebt sich wohltuend von der jahrzehntelangen Praxis der Vorgängerbehörde ab", wurde in Seckach hierzu betont.
Dass diese Gespräche allerdings real doch nicht stattfinden konnten, lag zunächst daran, dass ein Beschwerdeführer auf dem Petitionsweg beim Deutschen Bundestag die Einstellung des Flugbetriebs beantragt hatte, und man in Stuttgart erst den Ausgang dieser Petition abwarten musste. Schließlich verhinderte Corona eine Terminierung.
Umso mehr bot das aktuell laufende Anhörungsverfahren den Bürgern die Gelegenheit, ihre Meinung zu äußern und hiervon wurde reichlich Gebrauch gemacht: 51 Stellungnahmen aus Seckach und den Nachbarkommunen, darunter drei Unterschriftenlisten, ergeben in der Summe gut 300 Personen, die sich zu dieser Frage geäußert haben, davon über 80 Prozent mit einer ablehnenden Meinung. Neben dem Lärm werden auch negative Auswirkungen auf die Umwelt moniert. Die Befürworter des Fallschirmsprungbetriebs führen hingegen an, dass dieser die hiesige Region attraktiv mache und auch die Wirtschaftskraft stärke.
Bürgermeister Ludwig betonte in seinen Ausführungen zunächst, dass die Stellungnahmen der Bürger unterm Strich ganz klar gezeigt hätten, dass es bezüglich der Lärmbelastung Handlungsbedarf gebe. Er führte aber auch aus, dass aktuell nur die Verlängerung der Sondererlaubnis für das Flugzeug Pilatus Porter, aber nicht die Dauerbetriebserlaubnis für den Flugplatz selbst zur Debatte stehe. Außerdem legte er Wert auf die Feststellung, dass man seitens der Gemeinde ungeachtet der unterschiedlichen Auffassungen schon von jeher in einem konstruktiven Dialog mit der Flugleitung in Schlierstadt stehe.
Im Ergebnis einer munteren Debatte, in welcher auch zur Sprache kam, dass letzten Endes jeder Mensch mit seinem Verhalten Lärm verursacht, den sich andere Menschen gefallen lassen müssen, beschloss der Gemeinderat am Montagabend bei zwei Gegenstimmen und zwei Enthaltungen die offizielle Stellungnahme der Gemeinde. In dieser wird gefordert, dass Auflagen erlassen werden, damit die Fluglärmbelastung der Bevölkerung vor allem an den Wochenenden sowie an Feiertagen deutlich reduziert werden kann. Ferner legt man Wert darauf, dass eine Änderung des Flugverhaltens bei Start und Landung oder bei den Flugrouten erreicht wird.
Und wie geht es jetzt weiter? Das Regierungspräsidium Stuttgart hat angekündigt, die Erlaubnis nur für ein Jahr erteilen zu wollen und die weitere Verlängerung von der Beibringung eines Lärmgutachtens abhängig zu machen. "Das bedeutet", so der Bürgermeister abschließend, "dass die heutige Beratung nicht der Abschluss, sondern erst der Anfang eines längeren Dialogprozesses mit dem Regierungspräsidium Stuttgart und allen weiteren Beteiligten ist."
Die offizielle Stellungnahme der Gemeinde und das Bündel an Äußerungen der Bürger haben mittlerweile ihre Reise nach Stuttgart angetreten.