Der Bundestagsabgeordnete Alois Gerig und der Walldürner Patrick Hennig, Geschäftsführer des Berliner Start-ups Nexenio, treffen sich zu einem Informationsaustausch über die Luca-App über den Dächern von Berlin. Foto: Anne Nissen
Berlin/Walldürn. (pm/RNZ/dpa) Wieder ein Leben in Gemeinsamkeit verbringen und den Menschen einen Zugang zu kulturellen Veranstaltungen ermöglichen – dafür steht die Luca-App (Life, United, Culture, Access). Eine, wie es scheint, simple Idee – aber die Umsetzung ist das Entscheidende dabei. Dass hinter dieser scheinbar einfachen Idee viel Arbeit steckt, davon überzeugte sich der Bundestagsabgeordnete Alois Gerig hoch über den Dächern in Berlin-Mitte selbst. Bei einem Besuch des Berliner Start-ups Nexenio, dessen Büroräume direkt am berühmten Gendarmenmarkt liegen, informierte sich der Wahlkreisabgeordnete für Odenwald-Tauber über den aktuellen Stand in Sachen Luca-App bei Geschäftsführer Patrick Hennig.
"Schon seit geraumer Zeit verfolge ich die Entwicklungen über die Luca-App in den Medien, denn Patrick Hennig stammt ja aus Walldürn und wir kennen uns sogar aus früheren Zeiten, so dass er mir natürlich ein Begriff war, als ich über ihn und seine Erfindung las", erklärt Alois Gerig. Hennigs App soll es Gesundheitsämtern erleichtern, Infektionen nachzuverfolgen, indem sie die Zettelwirtschaft überflüssig macht. Die einheitliche Datenbasis erlaube es, Infektionsketten zu ihrem Ursprung zurückzuverfolgen und schnell zu unterbrechen.
Den Entwicklern zufolge ermöglicht die App Betrieben und Gästen dabei einen datenschutzkonformen und sicheren Weg zum Austausch von Daten. Doch zu diesen Aspekten gab es zuletzt immer mehr Beschwerden über die App. Dem Hauptkritikpunkt, der mangelnden Transparenz, will das Team um Patrick Hennig den Nährboden entziehen. Mitte März haben sie angekündigt, den Quellcode der Luca-App bis Ende des Monats zu veröffentlichen – bis zum gestrigen Montag war das noch nicht geschehen.
Außerdem haben findige Programmierer in Rostock aufgedeckt, dass sich bereits mit wenigen IT-Kenntnissen der Verifizierungsprozess der App aushebeln lässt. Wer sich also zu Zeiten der Zettelwirtschaft in Gasthäusern mit Fantasienamen wie Donald Duck eingetragen hat, kann sein verantwortungsloses Handeln mit der Luca-App fortsetzen. Die Schreiber von "Rostock heute" warnen sogar, dass App-Nutzer – indem sie fremde Daten nutzen – völlig unbeteiligte Personen ins Visier der Gesundheitsämter bringen: "Dass dies überhaupt möglich ist, hinterlässt einen faden Beigeschmack. Eine Anwendung, die Bewegungs- und Gesundheitsdaten von Millionen Menschen verwalten möchte, sollte in jeder Hinsicht besonders sicher sein."
Trotz aller Kritik sollte man nicht vergessen, dass bereits die Zettelwirtschaft im Sommer teils zweckentfremdet wurden. Bei den Landesbeauftragten für Datenschutz gingen damals zahlreiche Beschwerden ein – zum einen wegen unzureichend abgeschirmter Listen, zum anderen aber sogar, weil Unternehmer die Angaben missbrauchten, um eine Kundendatenbank aufzubauen oder sogar eine Handynummer für einen Flirtversuch abgriffen.
Trotz der Bedenken gegenüber Luca haben sich allein in den letzten beiden Wochen mehr als zwei Millionen Bürger die App auf ihr Smartphone heruntergeladen. "Wir haben das Luca-System schon mit einzelnen Modellregionen wie Jena, Sylt und dem Salzland-Kreis weiterentwickelt. Stand heute sind 98 Gesundheitsämter an das Luca-System angeschlossen", sagt Patrick Hennig, mit über 200 weiteren ist Nexenio im Gespräch.
Baden-Württemberg will zur Kontaktverfolgung bei Corona-Infektionen nun landesweit auf die Luca-App setzen. Man habe, wie andere Bundesländer auch, Lizenzen für den flächendeckenden Einsatz beschafft, teilte das Sozialministerium am Freitag mit. Das Kabinett muss noch zustimmen. Die konkrete Umsetzung wollte Sozialminister Manne Lucha am Montag mit den Kommunen besprechen. "Wenn die App bundesweit kommt, bin ich sehr zuversichtlich, dass der Einzelhandel, die Kultur- und Eventbranche sowie der Tourismus, und damit die schwer gebeutelte Hotellerie- und Gastronomiebranche, wieder eine echte Zukunftsperspektive bekommen", gibt sich Alois Gerig optimistisch.
Die Luca-App funktioniert mit einer Art virtuellen Visitenkarte. Nutzer müssen zunächst ihre Kontaktdaten eingeben. Das Programm verschlüsselt die Informationen dann und generiert wechselnde QR-Codes. Mit den Codes können sich die Nutzer dann in Restaurants, Kinos oder anderen Orten anmelden, ohne sich in eine Liste einzutragen. Tritt im Umfeld des besuchten Ortes eine Infektion auf, kann das Gesundheitsamt die gefährdeten Besucher über die App ermitteln.
Dr. Ute Teichert, Direktorin der Akademie für Öffentliches Gesundheitswesen und Vorsitzende des Bundesverbands der Ärztinnen und Ärzte des Öffentlichen Gesundheitsdiensts, sagt dazu: "Die vergangenen Monate haben gezeigt, dass Vollständigkeit der Daten und Geschwindigkeit die beiden entscheidenden Parameter im Kampf gegen die Pandemie sind. Luca funktioniert schon jetzt, es muss nichts mehr neu programmiert werden, und die App kann als Tool zur Pandemiebekämpfung sofort eingesetzt werden."
Auch an Menschen ohne Smartphone wurde gedacht. Dazu hat Nexenio eine Art Schlüsselanhänger konzipiert, der einen individuellen QR-Code trägt. Mit diesem kann man sich dann ohne Smartphone in Betrieben, auf Veranstaltungen, aber auch bei privaten Treffen zum Beispiel bei den Großeltern oder im Altenheim einchecken. "Gerade für Pflegeheimbewohner ist das eine unglaublich smarte Lösung zur Risikominimierung", ist der Bundestagsabgeordnete überzeugt.