Buchen. (rüb/pm) Wer Buchener ist, Kinder hat und sich noch dazu ehrenamtlich bei der Feuerwehr oder im Roten Kreuz engagiert, hat beste Karten bei der Bewerbung um einen Bauplatz auf der "Marienhöhe": Statt die begehrten Plätze zu verlosen oder den Zeitpunkt der Bewerbung als entscheidendes Kriterium heranzuziehen, hat sich die Stadt für das "Ulmer Vergabemodell" entschieden, bei dem Ortsbezug und Sozialkriterien ausschlaggebend sind. Berücksichtigt wird aber auch die Frage, ob der Bewerber bereits einen unbebauten Bauplatz in Buchen besitzt: Angesichts des fortschreitenden Flächenverbrauchs und des Zielkonflikts zwischen Landwirtschaft, Ökologie und der Schaffung von Wohnraum ist auch dies ein wichtiger Aspekt.
Die Stadt Buchen ist attraktiv für junge Familien und andere, die hier sesshaft werden wollen. Nur so lasse sich die Zahl von aktuell 300 Bewerbungen um einen Bauplatz im neu entstehenden Baugebiet "Marienhöhe" erklären, ist man sich im Rathaus sicher. Diese grundsätzlich schöne Tatsache stelle die Stadtverwaltung aber vor Probleme. Denn auf der "Marienhöhe" sind zwar über 300 Bauplätze geplant, es werden zunächst – ab dem kommenden Jahr – aber "nur" 160 Bauplätze erschlossen.
"Bislang hat das immer mehr oder weniger gepasst mit Angebot und Nachfrage von städtischen Bauplätzen", erklärt Arndt Kirchgeßner vom Fachbereich Wirtschaft und Finanzen, der für die Vergabe zuständig ist: "Aber hier kommen wir an unsere Grenzen."
Um möglichst gerecht und vor allem rechtssicher mit dieser Knappheit umgehen zu können, hat Dezernent Benjamin Laber Ausschau nach Vergabemodellen gehalten Und er ist fündig geworden: Das "Ulmer Vergabemodell" in Verbindung mit dem Bauflächenportal "Baupilot" wird in Buchen eingesetzt werden, um den kompletten Schriftverkehr und letztlich die Vergabe der Bauplätze zu regeln. Nach Schwerpunkten, die die Gemeinde vorgeben kann – ohne die Rechtssicherheit und ganz konkret den Gleichheitsgrundsatz zu gefährden.
Denn natürlich werden die Bewerber, die am Ende leer ausgehen, darüber nicht erfreut sein. Genau aus diesem Grund gab es in der Vergangenheit in anderen Kommunen durchaus Probleme, die nicht selten vor Gericht landeten und dazu führten, dass kommunale Vorgaben auch rückgängig gemacht wurden.
"Wir wollen die Vergabe völlig transparent gestalten", erklär Dezernent Benjamin Laber und erläutert das "Ulmer Vergabemodell", das unter anderem der frühere Ulmer Oberbürgermeister und Rechtsanwalt Ivo Gönner entwickelt hat. Jeder Bewerber füllt online einen Fragebogen aus. "Wir fragen dabei keine detaillierten Vermögensverhältnisse ab, sondern stellen den Ortsbezug und Sozialkriterien in den Fokus. Der Datenschutz wird selbstverständlich gewährleistet."
Für die Antworten in den Fragebogen, die nachprüfbar sein müssen, gibt es Pluspunkte oder aber auch Punkteabzug. Konkret heißt das: Wer Buchener war oder ist, erhält Pluspunkte. Wer Kinder hat, ebenfalls. Auch wer sich sozial engagiert, wird punktemäßig honoriert. Sogenannte "Blaulichtjobs", also Ehrenämter bei der Feuerwehr oder dem Deutschen Roten Kreuz, werden dabei besonders hoch angerechnet. Besitzt ein Bewerber dagegen bereits einen Bauplatz im Stadtgebiet, gibt es massiven Punkteabzug. Der wird erst wieder ausgeglichen, wenn der vorhandene Bauplatz an die Stadt verkauft wird und somit anderen Interessenten zur Verfügung gestellt wird. Letztendlich ist allein die Punktesumme entscheidend für eine Vergabe, der Zeitpunkt der Bewerbung um einen Bauplatz auf der "Marienhöhe" spielt überhaupt keine Rolle.
Über Details und Feinjustierungen, angepasst an die Buchener Verhältnisse, wird in der Verwaltung noch vorberaten und im Gemeinderat schließlich entschieden, teilte Simone Schölch, Leiterin des Fachbereichs Bürger- und Servicedienste, im Gespräch mit der RNZ mit. Erst dann werden die Fragebögen freigeschaltet, und die Bewerber erhalten die Aufforderung, ihre Angaben zu machen.
Bürgermeister Burger erklärt dazu: "Natürlich werden wir bei diesem Auswahlverfahren auch Leuten auf die Füße treten müssen. Aber Bauplätze sind ein hohes und gleichzeitig rares Gut. Und bevor ein Rentnerehepaar aus Mannheim zum Zug kommt, das sich in Buchen den Traum vom Eigenheim als Altersruhesitz erfüllen will, soll eine junge Familie von hier bauen dürfen, die sich mit Buchen identifiziert und sich auch engagiert."
PRO UND CONTRA ZUR BAUPLATZVERGABE
Rüdiger Busch findet das Vergabemodell gerecht und richtungsweisend
Wer zuerst kommt, mahlt zuerst: Die Stadt könnte es sich einfach machen und auf das Windhundprinzip setzen. Oder sie überlasst es dem Zufall und verlost die Bauplätze einfach. Doch dafür ist das Bauland, sind die Flächen, die der Landwirtschaft und der Natur genommen werden, zu wertvoll. Dass die Stadt die Bürger, die in Buchen leben, die aus Buchen stammen oder die in Buchen arbeiten bei der Vergabe von Bauplätzen bevorzugen möchte, ist nur legitim. Dass auch die Frage, ob die Bewerber Kinder haben, eine Rolle – aber nicht die entscheidende – spielt, ist ebenfalls nachvollziehbar. Und wenn dann noch die Bürger Pluspunkte bekommen, die sich in der Feuerwehr oder beim Roten Kreuz Tag für Tag für ihre Mitmenschen einsetzen, ist das in einer immer egoistischeren Welt, in der viele nur noch an sich denken, der richtige Schritt.
Tanja Radan kann sich mit der neuen Bauplatzvergabe nicht anfreunden
Auf der Marienhöhe sollen nur diejenigen bauen dürfen, die aufgrund ihres Punktestands mit dem Prädikat "besonders wertvoll" ausgezeichnet wurden. Wird es Buchen guttun, wenn in bester Lage ein Baugebiet entsteht, das denjenigen vorbehalten ist, die sich durch gesellschaftliches Engagement hervortun und Kinder haben? Wird sich diese homogene Nachbarschaft, die sich aus ausgewählten Bürgern zusammensetzt, überlegen fühlen? Es passt nicht zu einer bodenständigen Kleinstadt wie Buchen, dass Bauinteressierte anhand sozialer Kriterien in unterschiedliche Viertel einsortiert werden sollen. Ohne Engagement würde unsere Gesellschaft zerfallen, keine Frage. Warum sollten jedoch diejenigen, die sich in aller Stille engagieren und dafür keinen Orden erhalten sowie (noch) kinderlos sind, keinen Bauplatz bekommen?