Der Schalk sitzt ihr im Nacken: Kabarettistin Martina Schwarzmann hielt sich und ihrem Publikum am Donnerstag in der Buchener Stadthalle den Spiegel vor. Foto: Rüdiger Busch
Von Rüdiger Busch
Buchen. "Genau richtig!" lagen die 700 Frauen und Männer, die sich am Donnerstagabend für das gleichnamige Programm der bayerischen Kabarettistin Martina Schwarzmann in der Buchener Stadthalle entschieden hatten. Denn die 39-Jährige bot ihrem begeisterten Publikum einen mehr als zweistündigen Einblick in den Wahnsinn des Alltags zwischen Windeln und Weiberstammtisch. Das war nicht nur höchst unterhaltsam, sondern auch lehrreich. Denn wer wusste zuvor schon, was ein Goaßlschnalzer ist?
Wo die dreifache Mutter auftritt, sind die Hallen ausverkauft. Weshalb das so ist, bleibt am Donnerstag nicht lange ein Geheimnis. Auch die Frage, was sich da unter ihrem geblümten Kleid abzeichnet, wird sogleich beantwortet: Martina Schwarzmann ist schwanger. Im Mai soll ihr viertes Kind zur Welt gekommen. "Jetzt bin I do", singt sie zur Begrüßung, um sogleich die oberbayerische Form der feministischen Protestbewegung vorzustellen: den Weiberstammtisch. Der ist nämlich dafür verantwortlich, dass sie am Morgen danach immer so müde ist: "Do konnst ned früher gehn", beklagt sich die gelernte Köchin, "weil die andern anschließend nur über di redn."
Und schon sind wir mittendrin im Schwarzmännischen Mikrokosmos, in dem die Freundin ihre Kinder morgens vom Pflegedienst der Oma für die Schule fertigmachen lässt. Apropos Kinder: Ihre eigenen möchten nicht mehr im Programm der Kabarettistin auftauchen, weshalb sie von ihnen nur noch als "minderjährige Mitbewohner" spricht. Sie gibt sich alle Mühe, den Nachwuchs nicht zu verwöhnen: "Ich bin eine Mutter, die möchte, dass es ihre Kinder später einmal besser haben - als jetzt!" Überhaupt die Erziehung: Man soll seine Kinder nicht schlagen, nicht mit ihnen schimpfen und ihnen nicht drohen. "Ja, was bleibt denn dann noch?", fragt sie trocken.
Im Sekundentakt feuert die in Fürstenfeldbruck geborene Entertainerin ihre als Weisheiten verpackten Boshaftigkeiten ab. Da bleibt kein Auge trocken, und in dem Spiegel, den sie sich und ihrem Umfeld vorhält, entdeckt sich auch der Zuhörer häufiger wieder, als ihm lieb sein kann. Jetzt zum Beispiel, wenn Martina Schwarzmann zur Gitarre greift und "So sans" singt - so sind sie wirklich, die Weiber und die Männer.
Dazu passt die "Ballade über oreidige sexuelle Praktiken", in der der Herbert seiner Susi einen Thermomix verspricht, wenn sie doch nur endlich bei der Umsetzung seiner erotischen Fantasien mitwirkt. Bei der nächsten Party im Freundeskreis bekommen die Gäste schon die ersten Kostproben aus der neuen Küchenmaschine gereicht ...
Doch auch Martina Schwarzmann hat ihre Abgründe: Weil sie sich als Teenager heimlich "Liebesgrüße aus der Lederhose" im Fernsehen anschaute, schaltet sie noch heute vor Schreck um, wenn die Haustür geöffnet wird - egal, was gerade kommt.
Das ist aber beileibe nicht der einzig Rückfall in kindliche oder jugendliche Verhaltensmuster, den sie an sich entdeckt: lügen, verstecken, abhauen - als Mutter kommt alles wieder. Lästige Telefonanrufe beendet sie mit Notlügen, und wenn sie im stressigen Alltag ein paar Minuten für sich braucht, dann spielt sie mit den Kindern Verstecken - natürlich ohne die Kleinen zu suchen ... Und auf peinliche Momente reagiert sie mit Flucht, wie sie im folgenden Lied "Nix wie weg" bekennt.
Das war’s aber noch lange nicht mit den Geständnissen: Sie leidet unter Formularallergie, und die ungeöffneten Briefe stapeln sich zuhause. Auch sonst hat sie einen ziemlichen Saustall zu Hause, sehr zum Leidwesen ihres Mannes, der ihr einen Aufräum-Ratgeber gekauft hat - den Martina aber nicht mehr findet. Sie ist ja nur ein ganz normaler Mensch mit Stärken und Schwächen. Im letzten Lied vor der Pause heißt das dann: "I bin so mittel".
Eigentlich wäre sie als Jugendliche gerne Punkerin geworden, verrät Martina Schwarzmann dann gleich zu Beginn des zweiten Teils. Da sie da aber schon berufstätig war, habe ihr die Zeit zum Rumlungern gefehlt. Deshalb träumt sie nun davon, im Ruhestand eine Punkband zu gründen: "Die heißen weißen Radisoiza", die bayerische Antwort auf die "Red Hot Chili Peppers". Im zugehörigen Lied gibt sie einmal mehr Nachhilfe in Bairisch: Die besungenen "Goaßlschnalzer" sind Männer, die einen alten Brauch fortführen und mit ihrer Fuhrmannspeitsche Geräusche erzeugen.
Dann geht es um den eigenen Mann, der sie immer mal wieder vorwurfsvoll daran erinnert, dass die Fenster geputzt gehörten. Doch weshalb soll sie dafür zuständig sein? Sie schaut ihn an, sie schaut sich an: Einziger auffälliger Unterschied zwischen Mann und Frau ist ihr Busen. "Den brauchst doch gar need beim Fensterputzen!" Aber sonst kann sie gegen ihren Mann nichts sagen. Tut sie dann aber doch im herrlich boshaften Liebeslied "Wenn du need do bist".
Apropos Liebe: "Wer vegln wui, muass freindlich sei" gibt sie den Männern - und Frauen - am Ende mit auf den Weg, um in der anschließenden Zugabe noch einmal zu Hochform aufzulaufen: Facebook, Instagram, Twitter, das braucht sie alles nicht. Sie will nur "Mei Ruah", singt sie. Statt im Internet lebt sie in der Wirklichkeit. Und wie sie das macht - so herzerfrischend offen, so herrlich selbstironisch, so sympathisch bodenständig - macht sie es "Genau richtig!"