Osterburken. (bg) Seit 150 Jahren lebt die Bevölkerung von Osterburken mit den Imissionen, die von der Eisenbahn ausgehen. Haben in vergangenen Zeiten Dampfrösser und Rangierbetrieb am Bahnknoten für viel Lärm gesorgt, sind es heute - vor allem nachts - die durchrauschenden langen Güterzüge, deren Geräuschentwicklung viele Menschen belästigt und belastet.
Jetzt soll es entlang der Strecke deutlich ruhiger werden: Der Abschnitt der "Frankenbahn" zwischen Neudenau und der Römerstadt wurde in das Lärmsanierungsprogramm des Bundes aufgenommen, aus dem der Bau von Lärmschutzwänden direkt am Schienenweg und Lärmschutzmaßnahmen an Wohnhäusern gefördert werden. Dies auf der Basis eines schalltechnischen Gutachtens. Dessen Ergebnisse und die Möglichkeiten, die sich aus dem Förderprogramm für Osterburken ergeben, wurden am Mittwoch in einer Bürgerversammlung vorgestellt.
Zu der Einwohnerversammlung waren der Ingenieur Christian Krenz vom Ingenieurbüro für Bauwesen aus Rimpar bei Würzburg und Sabine Weiler von der DB Netze in die Baulandhalle gekommen, wo Bürgermeister Jürgen Galm etwa 60 Bürger, darunter auch einige Gemeinderäte, begrüßte.
Christian Krenz und Sabine Weiler hatten jede Menge Zahlen, technische Daten sowie Informationen über die politischen Vorgaben zum Schallschutz an Schienenwegen und über die für Osterburken erstellten schalltechnischen Berechnungen mitgebracht. Wie die DB-Vertreterin eingangs aufzeigte, sind bundesweit rund 3700 Kilometer Schienenstrecke besonders stark von Lärm belastet, darunter der Abschnitt zwischen Neudenau und Osterburken. Nachdem dieser in das - freiwillige - Lärmsanierungsprogramm des Bundes aufgenommen worden sei, habe die DB-Tochter DB Netz AG, die das Programm umsetze, ein Ingenieurbüro mit der Erstellung der notwendigen Gutachten beauftragt.
Den Vorgaben der Politik zufolge soll, so Sabine Weiler, der Schienenverkehrslärm - ausgehend vom Jahr 2000 - bis 2020 halbiert werden. Aus dem Lärmschutzsanierungsprogramm des Bundes, der dafür seit diesem Jahr 150 Millionen Euro bereitstelle, werde der Bau von Lärmschutzwänden direkt am Schienenweg ebenso gefördert wie Lärmschutz an Wohnhäusern, sofern diese vor dem 1. April 1974 errichtet wurden oder der Bebauungsplan vor diesem Datum Rechtsverbindlichkeit erlangt hat.
Als Immissionsgrenzwerte für die Lärmsanierung nannte Sabine Weiler für reine und allgemeine Wohngebiete sowie für die Bereiche unter anderem von Schulen und Krankenhäusern 67 dB zwischen 6 und 22 Uhr bzw. 57 dB von 22 bis 6 Uhr, für Kern- und Mischgebiete 69 bzw. 59 dB und für Gewerbegebiete 72 bzw. 62 dB. Es gelte nun, die geeigneten Maßnahmen in Form von aktivem Schallschutz (Lärmschutzwand am Gleis) oder passivem Schallschutz (an Häusern) in die Wege zu leiten. Möglich sei auch eine Kombination aus beiden.
Lärmschutzwände werden, wie sie Referentin erläuterte, dicht an der Emissionsquelle (Gleis) errichtet, sie seien zwei bis drei Meter hoch (gemessen an Schienenoberkante) und zur Gleisseite hin aus einem hochabsorbierenden Material. Die Dämmung könne, je nach örtlichen Gegebenheiten, bis zu zehn Dezibel Lärmreduzierung bewirken,was einer Halbierung der Lautstärke gleichkomme.
Wenn diese aktiven Maßnahmen nicht zum Einhalten der Grenzwerte ausreichen oder wenn der Bau von Lärmschutzwänden aufgrund der Nutzen-Kosten-Berechnung nicht förderfähig ist, können Hausbesitzer sich bauliche Maßnahmen bezuschussen lassen. Dazu gehören der Einbau von Lärmschutzfenstern und Rollladenabdichtungen, die Anschaffung von Schalldämmlüftern (sorgen für Luftzufuhr bei geschlossenen Fenstern) oder, wenn aus Schallschutzgründen notwendig, sogar die Dämmung von Dächern. Maßgeblich sind die Nachtgrenzwerte für Schlafräume, Wohn- und Esszimmer und Wohnküchen. Vom Bund gibt es für die Sanierung 75 Prozent der förderfähigen Kosten, 25 Prozent sind als Eigenanteil zu tragen.
Ingenieur Krenz stellte in der Versammlung die Ergebnisse der in Osterburken durchgeführten schalltechnischen Untersuchungen und die sich aus Sicht der Experten daraus ergebenden Handlungsempfehlungen vor. Die Untersuchung habe einen Korridor von jeweils 500 Metern Breite links und rechts der Bahnstrecke in Osterburken umfasst und rund 570 Gebäude einbezogen.
Vom Planer empfohlen wird aufgrund der Berechnungen, entlang von Adelsheimer Straße, Bofsheimer Straße und Limesstraße Lärmschutzwände mit einer Gesamtlänge von rund 1750 Metern und einer Höhe zwischen zwei und drei Metern zu errichten. Für die gegenüberliegende Bahnseite sieht der Planer an Güterhallenstraße und Sportplatzweg Lärmschutzwände auf einer Länge von knapp 700 Metern mit Höhen von ebenfalls zwei bis drei Metern als sinnvoll an.
Die Schutzwände können im oberen Bereich aus Acryl bestehen, sodass, wie anhand von Fotomontagen demonstriert wurde, der Blick auf die gegenüberliegende Seite gewährleistet sei. Die Kosten für die beiden Lärmschutzwände betragen den Unterlagen der DB zufolge mehrere Millionen Euro; sie werden vollständig vom Bund getragen.
Insbesondere am nördlichen Ortsausgang im Bereich der Limesstraße ist die Wirkung der Schutzwand nach Angaben des Planers begrenzt, "weil der Schall hier weit den Berg hinaus geht"; in anderen Bereichen sei die Dämmung so stark, dass nur an Häusern bis maximal 50 Meter Entfernung Sanierungsmaßnahmen förderfähig seien.
An welchen Häusern derzeit die Grenzwerte überschritten werden und wie sich der Bau von Lärmschutzwänden auswirken wird, ist den Plänen zu entnehmen, die in der Info-Veranstaltung ausgehängt waren und voraussichtlich ab Mitte nächster Woche auf der Homepage der Stadt eingesehen werden können. Detailliert wird darin beispielsweise aufgezeigt, an welche Fassaden es auch nach Realisierung aktiver Schutzmaßnahmen entlang der Schiene noch zu Grenzwertüberschreitungen kommen wird und wo dann die Grenzwerte unterschritten werden.
Wie zum weiteren Ablauf aufgezeigt wurde, hat nun der Gemeinderat zu entscheiden, ob überhaupt Lärmschutzwände entstehen sollen. Einen Beschluss erwartet die DB bis Jahresende. Sollte es ein Ja für den Bau geben, wird es bis zur Umsetzung noch etliche Jahre dauern, weil alleine für das Planfeststellungsverfahren zwei Jahre veranschlagt sind: "Frühestens 2023" könnten die Schutzwände stehen, hieß es seitens der DB.
Die Bahn wird, wie weiter mitgeteilt wurde, ihrerseits auf die Hausbesitzer zugehen, um festzustellen, wo passive Schallschutzmaßnahmen gewünscht werden. Nach dem Vorliegen der relevanten Daten werde man die betroffenen Eigentümer anschreiben, um objektbezogene Gutachten erstellen zu können. Es würden dann mindestens drei Angebote von Fachfirmen vorgelegt, ehe der Eigentümer verbindlich entscheiden müsse, ob er das Programm nutzen will. Hausbesitzern in den von Bahn-Lärm belasteten Gebieten, die derzeit etwa an den Austausch von Fenstern denken, wurde in diesem Zusammenhang empfohlen, das Schreiben der DB abzuwarten.
Ungeachtet der bisherigen Berechnungen und Planungen stehe man "in der Sache noch ganz am Anfang", stellte Bürgermeister Galm fest. Die Einwohnerversammlung habe man anberaumt, um den Bürger frühzeitig zu informieren und ihn einzubeziehen.
Wie Galm deutlich machte, werde bei der Entscheidung des Gemeinderats neben der Auswirkung von Lärmschutzwänden auf das Ortsbild auch das Thema "Flüsterbremse" eine entscheidende Rolle spielen. Größte Lärmquelle im Bahnverkehr ist bislang das Rollgeräusch von Güterzügen, das vor allem durch Bremsklötze aus Grauguss verursacht wird. Bis 2020 sollen alle Bestands-Güterwaggons der DB Cargo mit lärmarmen Verbundstoffbremssohlen ausgerüstet sein, womit sich das Rollgeräusch von Güterzügen in der Vorbeifahrt um bis zu zehn dB reduzieren soll. Da für nicht modernisierte Waggons höhere Trassenkosten anfallen, geht man davon aus, dass auch andere Bahnunternehmer zügig umrüsten. Es stellt sich mithin die Frage, ob dann Lärmschutzwände im derzeit geplanten Umfang notwendig sind.