Die Platanenallee zwischen Breslauer Straße und Stadiongelände hatte durchaus etwas Stilprägendes – zumindest für diesen Teil der Weststadt. Man muss kein Anwohner sein, um den jetzigen Anblick irgendwie schade zu finden. Foto: Dorn
Von Philipp Weber
Weinheim. Die erste Mitteilung der Stadt kam am Donnerstagabend letzter Woche. Sie las sich eher unverdächtig: Im Zuge der voranschreitenden Arbeiten am Schulzentrum West sei von dieser Woche an mit dem Beginn von Maßnahmen im künftigen Eingangsbereich des Bildungsstandorts zu rechnen. Dieser liegt an der Baumallee, die zwischen dem Rolf-Engelbrecht-Haus und der Jugendherberge hindurch und zum Hintereingang des Sepp-Herberger-Stadions führt. Doch nun regt sich Unmut im Weinheimer Westen: Denn von der stilprägenden Platanenallee zwischen der gastronomisch genutzten Terrasse des Weststadttreffpunkts, dem Stadionareal und den Tennisplätzen dürfte nicht allzu viel übrig bleiben.
"Bäume bleiben nicht sicher"
Die Gründe dafür nennt die Stadt in ihrer Mitteilung von letzter Woche: "Die alten Bäume, die dort stehen, können nicht alle erhalten werden, wie das Tiefbauamt jetzt mitteilt." Die Wurzeln der Platanen wüchsen dort zum Teil an der Erdoberfläche, sodass die Fläche vor dem künftigen Schuleingang, wo unter anderem ein Wendehammer entstehen soll, nicht ordnungsgemäß bebaut werden könne: "Die Standsicherheit der alten Bäume wäre nicht gewährleistet, die Gefährdung für Menschen zu groß. Stattdessen werden die alten Platanen gefällt, im Herbst 2021 aber durch neue Bäume – in derselben Zahl – ersetzt."
Diese Neuanpflanzung biete die Gelegenheit, von vorne herein ausreichend große Pflanzgruben mit geeignetem Substrat und Wurzelschutz herzustellen, und den Standort der Bäume auf diese Weise dauerhaft zu sichern. Die Arbeiten am alten Baumbestand müssten rasch beginnen, sodass sie noch in der Vegetationsruhe bis Ende Februar fertig werden könnten, teilte die Stadt weiter mit. Im weiteren Verlauf würde die Zufahrt zum Stadion erneuert. In diesem Zuge werde in der Mitte der Zufahrt bis zum Stadion ein Graben für den Kanal ausgehoben: "Danach schließen sich die Straßenbauarbeiten direkt an." Bis zur Inbetriebnahme des Schulzentrums im September sollten sie abgeschlossen sein.
Wie bei vielen behördlichen Mitteilungen ist indes interessant, was nicht darin steht: zum Beispiel die konkrete Anzahl an Platanen, die weichen müssen. Denn das sind einige. Bereits am Montag boten die Ränder der Zufahrt ein Bild, das mit dem unschönen Wort "Kahlschlag" leider zutreffend umschrieben ist. Die Stümpfe der abgesägten Platanen schauten noch aus dem Boden, daneben stapelten sich die zersägten Stämme und das Geäst der Baumkronen. Wenn die Bäume tatsächlich zur selben Zeit gepflanzt wurden, in der auch das 1967 eröffnete Engelbrecht-Haus aus dem Boden wuchs, wurden die Platanen in etwa 55 Jahre alt.
Die frühere Stadträtin Cornelia Münch-Schröder zeigte sich erstaunt, als die RNZ sie am Montag auf die Rodungen ansprach. Die GAL-Lokalpolitikerin und Pädagogin hatte den Bau des Schulzentrums gefordert und in einer Vielzahl an Prozessen und Gremien begleitet. Sie war Ende 2020 aus zwingenden privaten Gründen aus dem Gemeinderat ausgeschieden – als der Bau des Schulzentrums beinahe in trockenen Tüchern war. "Ich kann mich nicht auf Anhieb erinnern, was damals genau zu diesen Bäumen gesagt wurde", sagt sie. Aber sie meine, sich zu erinnern, dass die Platanen eigentlich erhalten werden sollten. Auch andere erinnern sich, dass die Stadt bislang stets kommuniziert hatte, dass ein Großteil des Baumbestands bleibt.
Nun haben die Anlieger Alarm geschlagen, und die Stadt Weinheim wurde in einer Mitteilung von Montagabend konkreter: Es müssten neun Bäume gefällt werden, aber zwölf blieben stehen. "Auch für uns ist es sehr schade und bedauerlich, dass die Platanen vor dem neuen Haupteingang des Schulzentrums West nun doch gefällt werden müssen", heißt es nun. Es sei in der Tat das Ziel gewesen, sie zu erhalten. "Eine abschließende Abwägung der ausführenden Baufirma und unseres Baumgutachters aus dem Fachamt hat leider ergeben, dass die Bäume in demjenigen Bereich, auf dem der Wendehammer entsteht, durch die Bauarbeiten massiv geschädigt würden, so-dass später wahrscheinlich sogar eine Gefährdung von ihnen ausgehen würde", erfolgt noch einmal die Begründung.
Weiter habe die ausführende Baufirma der Verwaltung mitgeteilt, dass kein ordnungsgemäßer Straßenbau in dem genannten Bereich möglich sei, wenn die Bäume erhalten bleiben: "Erfreulicherweise konnte eine Fachfirma noch vor dem 1. März beauftragt werden, sonst hätte es womöglich Verzögerungen im Bauablauf gegeben."
Das mit der Freude ist so eine Sache. Dem Vernehmen nach hat die Fällaktion die Anlieger ziemlich unvorbereitet getroffen. Mit derart heftigen Verlusten aufseiten der natürlichen Schattenspender hatten sie nicht gerechnet.