Weinheim

Breite Mehrheit will neues Touri-Angebot

Mit dem Aufstellungsbeschluss für einen Bebauungsplan gab der Technische Ausschuss den Startschuss.

08.07.2021 UPDATE: 09.07.2021 06:00 Uhr 2 Minuten, 46 Sekunden
Das ehemalige Gewerbegelände im Birkenauer Tal könnte etwas Neues vertragen. F.: Kreutzer

Von Philipp Weber

Weinheim. Geht es mit den Plänen für einen Wohnmobile-Stellplatz im Weschnitztal viel zu schnell? Oder hat die Stadt endlich die Möglichkeit, das ehemalige Gewerbegelände zwischen der Kinscherf’schen und der Fuchs’schen Mühle umwandeln zu lassen – und Weinheim attraktiv zu machen für Touristen mit rollenden Unterkünften? An dieser Frage schieden sich am Mittwoch im Ausschuss für Technik, Umwelt und Stadtentwicklung die Geister. Am Ende waren die Mehrheiten aber eindeutig: Ein Vertagungsantrag der GAL scheiterte bei nur vier Ja-Stimmen, während der von der Verwaltung vorgeschlagene Aufstellungsbeschluss für einen entsprechenden Bebauungsplan das Gremium bei zwei Nein-Stimmen und zwei Enthaltungen passierte.

GAL-Fraktionschefin Elisabeth Kramer störte sich daran, dass die Behörden bereits seit rund einem Jahr mit den privaten Eigentümern des Geländes in Kontakt stehen – während die Lokalpolitiker nur acht Tage Zeit hatten, die Vorlagen zu sichten und Unklarheiten anzusprechen. Nun solle man den Aufstellungsbeschluss fassen und den "Zug aufs Gleis setzen": "Ich habe noch nie erlebt, dass so ein Beschluss zurückgenommen wurde", so die langjährige Stadträtin.

Sie habe gar nichts gegen Wohnmobiltourismus, führte Kramer aus. Ihr sei jedoch nicht klar, wie und wo der Eingriff in das Landschaftsschutzgebiet im sogenannten Birkenauer Tal kompensiert wird. Dass in der Vorlage der Verwaltung von früheren Schlossereien, Werkstätten, Lkw-Abstellplätzen und entsprechenden Altlasten auf dem Gelände die Rede ist, lasse nichts Gutes erahnen. Hierzu hätte sie gern mehr Fakten. Dasselbe gelte für die Frage, wie intensiv in die Landschaft eingegriffen werden muss, um den Boden für die Wohnmobil-Stellplätze zu befestigen. Außerdem habe sie den Eindruck, dass die Verwaltung nicht mit Nachdruck nach Alternativen sucht: Sie meinte damit ein "dezentrales" Konzept, bei dem man die Vermietung von Wohnmobil-Plätzen auch offiziell den Landwirten überlässt. Selbst das Argument, dass die Eigentümer des Geländes alle erforderlichen Gutachten zahlen, beruhigte sie nicht: Es wäre kein gutes Vorzeichen, wenn der Vorhabenträger die Gutachter auswählt, sagte sie.

Erster Bürgermeister Torsten Fetzner und Stadtplaner Sven-Patrick Marx konterten: Die Landwirte sollten bei ihrem Kerngeschäft bleiben, ehe noch eine Scheune samt darin parkenden Wohnmobilen abbrennt, so Fetzner sinngemäß. Dezentrale Lösungen seien im umkämpften Touri-Markt kaum an die Frau oder den Mann zu bringen: "Wir sollten etwas anbieten, das Hand und Fuß hat." Themen wie Landschaftsschutz, Altlasten und Erschließung seien ja noch Gegenstand der kommenden Verfahrensschritte.

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Stadtplaner Marx betonte, dass Gutachter keineswegs allein für die Geländeeigentümer arbeiten (Stichwort: Dreiseitverträge). Sie seien dazu verpflichtet, die Interessen der Allgemeinheit zu wahren. Es habe auch schon Gespräche mit den Umweltbehörden gegeben, die hier kein grundsätzliches Problem sähen. "Dass ein privater Vorhabenträger viele Lasten auf sich nimmt und wir die Chance auf diese Konversion haben, hat uns sehr motiviert", so Marx. Das konnte Oliver Kümmerle (Freie Wähler) nachvollziehen: Die Pläne mit den Wohnmobilisten holten das Gelände aus seinem Dornröschenschlaf und atmeten den Geist des 2020 beschlossenen Tourismuskonzepts.

"Für Weinheim ist das Projekt durch die neuen Eigentümer der Kinscherf’schen Mühle als private Betreiber nicht nur ein Schritt in die richtige Richtung, sondern ein attraktives Geschenk, welches auch verkehrstechnisch sehr gut gelegen ist", so Kümmerle. Er hoffe, dass die Erschließung des Geländes über eine in die Jahre gekommene Sandsteinbrücke funktioniert. Stadtplaner Marx räumte ein, dass dieses Thema noch Spannung verspreche.

GAL blieb bis zuletzt skeptisch

Aus Sicht von Thomas Ott (CDU) könnte es kaum einen idealeren Standort geben: Der potenzielle Stellplatz sei stadtnah, liege am Wasser, der Burgensteig führe vorbei – und man könne das Gelände gut mit Energie versorgen. Zudem sei das Projekt die Chance, an dieser Stelle mit der Vergangenheit aufzuräumen. Constantin Görtz (SPD) unterstrich nochmals, dass auf Gutachter Verlass sei – und plädierte für das Vorhaben. Matthias Hördt (Die Linke) freute sich über das Engagement der Vorhabenträger, der heutige Zustand des Geländes sei alles andere als schön und umweltfreundlich. Wolfgang Wetzel (FDP) kam auf das dezentrale Konzept zurück, dem er wenig abgewann. Wohnmobilisten suchten Orte, an denen ihr Heim auf vier Rädern seinen Komfort entfalten kann. Dafür brauche es professionelle Anbieter.

Kramer blieb (fast) die Spucke weg: "Ich wundere mich, wie schnell die anderen Fraktionen so ein Vorhaben beurteilen", sagte sie: "Offensichtlich ist ein Vorhabenträger, der die Vorarbeit zahlt, zu verlockend." Wenn die potenziellen Investoren am Ball bleiben, könnten die Wohnmobilisten vielleicht schon 2023 kommen.

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