In der restaurierten und zur Veranstaltungsstätte umgenutzten Ulner Kapelle (Ersterwähnung: 1368) gibt es an allen Wänden Kunstwerke zu entdecken, die sich als Botschafter verschiedener Glaubensrichtungen deuten lassen. Fotos: Dorn
Von Stefan Kern
Weinheim. Steil führen die Treppen vom Fuße des Marktplatzes hinab in die Ulner Kapelle. "Schon davon gehört, aber noch nie da gewesen": So bekunden viele Besucher ihr Interesse, die den Tag des offenen Denkmals nutzen, um dieses Kleinod kennenlernen. Unten angekommen, waren die meisten dann ebenso irritiert wie fasziniert. Die Kapelle, urkundlich erstmals im Jahr 1368 erwähnt, ist heute ein mindestens erstaunlicher Veranstaltungsraum.
Neben den zahlreichen christlichen Symbolen finden sich in dem 2012 entweihten Gotteshaus kleine und große Botschafter so ziemlich jeder anderen Religion inklusive Esoterik und Mystik. "Ist schon eine sehr bunte Mischung", so Udo Weber aus Hemsbach. Und Beate Farenkopf aus Schriesheim ließ keinen Zweifel daran, dass sie etwas zwiegespalten sei. Eine christliche Kapelle, die auch noch so alt sei, als Veranstaltungsraum zu sehen, schien bei ihr fast so etwas wie Beklemmung auszulösen. "An den Altar unter das Kreuz würde ich mich nie setzen." Trotzdem gestand sie den Machern zu, einen wirklich schönen Raum konzipiert zu haben: "Die Kapelle ist ein kleines Kunstwerk."
Ein Satz, der in den Augen vieler Besucher auch für die Wachenburg gilt. Anders als die Ulner Kapelle versteckt sich hinter der Burg hoch über Weinheim jedoch keine historische Schatztruhe. Nur 105 Jahre umfasst die Historie dieser vom "Weinheimer Senioren-Convent" (WSC) erbauten Burg.
Auf der Wachenburg fasziniert neben dem Gebäude an sich der zeitgeschichtliche Hintergrund sowie die Aussicht. Fotos: Dorn
Das damalige Ziel, so Philipp von Wedelstädt, sei die Errichtung eines Denkmals für die gefallenen WSC-Angehörigen im Deutsch-Französischen Krieg 1870/71 gewesen. Nach einigen Standortquerelen entstand schließlich die Idee, eine Burg im Stile einer romanischen Höhenburg auf dem 330 Meter hohen Wachenberg zu bauen. Beherzt wurde damals zugegriffen. Im Frühling 1907 wurde der Bau in Eigenregie mit der Grundsteinlegung begonnen.
Es war der Beginn einer wechselvollen Geschichte. So wurde der WSC 1938 von den Nationalsozialisten zwangsaufgelöst. Die Burg ging in den Besitz der Stadt über. Zwölf Jahre später, im Jahr 1950, gründete sich der studentische Convent neu und die Burg wechselte wieder in den Besitz der Verbindung. Heute dient das Mahnmal, das an fast 3000 gefallene Soldaten aus dem Deutsch-Französischen, dem Ersten und Zweiten Weltkrieg erinnert, vor allem als Versammlungsort des WSC.
Für den neunjährigen Ben war das alles etwas enttäuschend. Vor seinem inneren Auge sah er nämlich die ganze Zeit Ritter, Könige und Prinzessinnen durch die Räume laufen. Kurz entschlossen trug er mit seiner Schwester etwas Ritterleben in die Burg. Mit Schwert und (imaginärem) Pferd tobte er über den Hof und erklärte selbstbewusst, dass nur eine Burg mit Ritter eine echte Burg sei.
Nicht ganz so enttäuscht waren Andrea Schmidt-Rhein und ihre Freundin Anja Aksu. Bis dato waren die Burg und ihre Geschichte quasi ein weißer Fleck auf ihrer Landkarte. Das habe sich nun geändert: "Es ist ein wirklich beeindruckendes Bauwerk. Und der Blick über die Rheinebene grandios." Für die beiden stand außer Frage, dass sie die Burg bald mal wieder aufsuchen. Möglichst im Rahmen eines Frühstücks auf dem Festplatz.
Begeistert zeigte sich auch Giovanni Setto aus Mailand, der eher zufällig auf der Burg war. Burg und Landschaft vereinten sich in seinen Augen zu einem kleinen Kunstwerk. Der Mann wanderte später übrigens noch in die Stadt und besuchte die Ulner Kapelle, die ihn fast sprachlos machte. So etwas habe er in Italien noch nie gesehen. Den Werbesatz "Hier teilen sich Himmel und Erde eine Bühne" empfand er als sehr treffend.