Von Philipp Weber
Weinheim. Das Board gleitet über den Waidsee, Wolken und Bäume spiegeln sich in der Dunkelheit der Wasserfläche, an Land leuchtet das Grün des Grases. Es gibt da nur ein Problem: Ich stehe nicht auf dem Sportgerät, weil die Schwerkraft mich hinunterbefördert hat. Nach dem Tauchgang durch die Fluten des Baggersees muss ich mich an Bord zurückkämpfen. Als ich wieder auf dem Board knie, pruste und pumpe ich. Mein erster Versuch im Stand-up-Paddling ist gescheitert.
Stand-up-Paddling gilt als Trendsportart. An mehreren Seen der Region gibt es das Angebot schon. Zum Corona-bedingt verspäteten Start der Strandbad-Saison hat die Stadt Frank Jakob und dessen Firma Pro-Line-Sports nach Weinheim geholt. Unter dem Dach dieses Betriebs sind der Paddel-Board-Verleih und ein Kursangebot angesiedelt. "Da stecken zwei Tage Planung im Innenausbau drin", sagt Jakob und deutet auf einen 20-Fuß-Seecontainer, der am Ufer steht, direkt unterhalb der Strandgastronomie. Darin schlummern zwölf Boards in drei Ausführungen und ein "Big-Sup" für fünf bis sieben Personen.
Tempo erzeugt Stabilität
Für mich hat Jakob ein Touring-Board und ein Paddel aus leichtem Carbon ausgewählt. "Die Finne stabilisiert das Board, so wie das Ruder eines Schiffes", erklärt er mit Blick auf einem kleinen Haken am Boden des Boards. Jakob hat schon um die Deutsche Meisterschaft gepaddelt, er bietet auch Touren auf dem Neckar an. Beruflich verfügt er über mehrere Standbeine. So hält er in normalen Zeiten die Technik von Bühnen in Schuss. Speziell die Bestandteile der Bühnen, die ein durchschnittlicher Sportler wie ich nie erreicht.
Nun tragen wir unsere Sportgeräte ans Ufer. "Ah, da kommt der Selbstversuch", meint eine Badbesucherin. Die RNZ-Aktion hat sich herumgesprochen. "Der Versuch kann glücklich enden oder im Wasser", antwortet Jakob und lacht. Seine Boards sind Qualitätsware, das betont er, ganz im Ernst. Wer das Touring-Board nutzt, hat 1300 Euro unter den Füßen. Beim schnittigen Racing-Board ist der Betrag noch höher. Jakob sieht die günstigen Angebote, die Ladenketten für Daheim-Urlauber auffahren, eher skeptisch. Reißt ein Board, saugt es sich voll und geht unter wie eine mit Wasser gefüllte Plastiktüte.
Mir kann nichts passieren. Mein Wassersport-Partner ist gelernter Rettungsschwimmer. Allzu weit raus paddeln wir nicht. Und es ist ja auch ganz einfach, eigentlich. "Tempo und Balance hängen zusammen, wie beim Ski- und Fahrradfahren", so Jakob. Zunächst soll ich das Board ein Stück weit ins Wasser bringen, um mich dann darauf zu knien. Es dauert, bis ich den Bogen raus habe: Das Paddel will richtig herum gehalten werden, das Wenden ist eine Herausforderung.
"Um das Board sicher zu beherrschen und die Paddeltechnik zu lernen, empfehlen wir, immer an einem Grundkurs teilzunehmen", erzählt der in aller Entspanntheit dahingleitende Wassersportler, während ich mit dem Paddel, dem Wackeln des Boards und dem Bremsvorgang am Ufer kämpfe. So ein Board ist kein amphibisches Fahrzeug, auch wenn einige Nutzer es so behandeln.
Der Sportunternehmer Frank Jakob (l.) und Reporter Philipp Weber brechen auf.Dann wird es spannend: Als mein Board wieder vom Ufer weg gleitet, soll ich das tun, was dem Stand-up-Paddling, kurz SUP, seinen Namen verleiht: aufstehen. "Nicht aufs Wasser schauen, sondern die Bojen und die Starkstromleitung in der Ferne fixieren; nicht breitbeinig stehen, sondern mittig und aufrecht; nach dem Aufstehen nicht verweilen, sondern lospaddeln", rasen mir die Tipps des SUP-Trainers durch den Kopf.
Langsam richte ich mich auf, Blick nach vorn. Meine Beine wackeln, ich wackle mit – und schon ist das "Brett" unter meinem Gesäß verschwunden. Mein Körper und dessen Fettreserven – die Kickerrunde mit den Kollegen fällt seit Monaten flach – durchbrechen die Wasseroberfläche. "Keine Balancierschritte machen, stehen und paddeln", klärt mich Jakob auf.
Auch der zweite Versuch misslingt. Dieses Mal scheitere ich, weil ich nicht zügig genug los paddle und dem Board folglich kein Tempo verleihe. Ich beginne zu zweifeln, frage mich, ob ein jüngerer Kollege hier nicht besser aufgehoben wäre. Immerhin: Die Familie am Ufer und der RNZ-Fotograf werden gut unterhalten.
Jakob holt eines der Allround-Boards, die seien breiter und kippstabiler, sagt er. Gerätetausch, dritter Versuch. Und: Zum ersten Mal halte ich die Balance etwas länger, falle nicht ins Wasser, sondern lande auf den Knien. Weiter. Aufrichten, einen Punkt in der Ferne fixieren, paddeln. Meine Beine wackeln immer noch – aber ich stehe, habe das Paddel in der Hand, gleite auf den See hinaus. Nur zum Wenden – übrigens auch in Wettkämpfen der Moment der Entscheidung – muss ich noch mal in die Knie gehen. Dann gleite ich auf das Ufer zu. Ein paar Paddelschläge auf der linken, ein paar auf der rechten Seite. Pures Glück.
Besser klappt’s mit dem Allround-Board. Die letzten Momente sind klasse. Foto: KreutzerUnd dann ist das Vergnügen vorbei, obwohl es doch gerade erst begonnen hat. Der nächste Termin wartet. "Die meisten Anfänger brauchen um die 20 Minuten, bis sie die Balance gefunden haben", erklärt Jakob. Wer es mal raus hat, kann eine wasserdichte Tasche mit auf den See nehmen und an Bord picknicken: Die Netze im vorderen Bereich der Boards haben ihren Sinn.
Manche setzen auch den Partner oder den Nachwuchs aufs Board, zwei Personen pro "Brett" sind erlaubt, bei Kindern sind Schwimmwesten Pflicht. Überhaupt sieht es Jakob gern, wenn mehrere Paddler rausfahren, nicht nur einer. Familien können auch ein Kanu ausleihen. Apropos Sicherheit: Das Hygienekonzept steht, die Sportgeräte werden nach jeder Nutzung desinfiziert. Nur die Balance finden, das muss jeder selbst.
Info: Kurse und weitere Paddelangebote in der Region gibt es auf www.pro-line-sports.de/sup und unter www.facebook.com/supbergstrasseodenwald.